Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Saubachlhöhle im Yspertal, Waldviertel, Niederösterreich
30. Mai 2002
Zusammen mit zwei Freunden bin ich wieder hier, Marcus Preißner
und Alfred Schlagbauer. Ein "richtiger"
Höhlenliebhaber muß man schon sein, wenn man einmal richtig die
Saubachlhöhlen befahren will. Erforscht sind
sie inzwischen, vermessen und publiziert auch, für den Typ des
Höhlenforschers, also jemand, nimmt man den Begriff ernst, der
immerzu "Neues" finden will, ist diese Region abgehakt.
Trotzdem, wer seinen Horizont erweitern will, für den wird die
Befahrung dieser ungewöhnlichen Naturerscheinung auch in Zukunft
ein Erlebnis sein. Ein bißchen hart gesotten muß er schon sein
und vom Typ der Menschen, die der deutsche Philosoph Hans
Blumenberg als "Höhlenforscher" bezeichnet hat,
gekennzeichnet durch seinen "Mangel an Selbstschonung".
Die Höhle ist schon so eine Art
"Menschenwaschmaschine". Empfindlich darf man da nicht
sein. Wasserscheu auch nicht. Und engstellentauglich auch.
Was schreibe ich da? Ich hatte meinen Karbidschlauch zuhause
vergessen. Meine Helmlampenbatterie fuhr auf den letzen 10
Prozent. So hatte ich praktisch fast kein eigenes Licht. Den
Schlaz hatte ich an, Gummistiefel auch, die Fotoausrüstung war
auch dabei. So kletterte ich zusammen mit den anderen beiden in
Spreiztechnik die glatten Granitfelsen nach unten. Der Bach
grugelte unter mir durch den Blockberg. Da war kein Durchkommen
möglich. Ich quetschte mich wie ein Wurm durch einen schmalen
Hohlraum zwischen dem unteren und dem oberen Granitblock. Der
Schleifsack mußte auch noch nach. Wieder im Bach. Hinein ins
kalte Wasser. Diesmal hieß es tief eintauchen in die
Flüssigkeit. Neigte man den Kopf, dann kam man unter dem harten
Felsblock über einem gerade noch durch. Flott ging es vorwärts,
mitgenommen vom H2O. Dunkel war es jetzt endgültig. Theoretisch
war die Wegfindung einfach. Es ging immer dem Wasser entlang bis
zur Austrittsstelle. Aber das Wasser fließt einfach durch
Stellen, für die wir einfach nicht gebaut sind. So ging es
weiter. Ein kleiner Wasserfall. Flott hinunter. Dann wieder ein
glattes Gleiten durch die schmalen Zwischenräume, die die hoch
hoch übereinandergetürmten Granitblöcke geradenoch gelassen
hatten.
Mir wurde es mit meiner "Unbeleuchtung" unheimlich.
Praktisch sah ich eigentlich nichts. Irgendwelche Tritte an
irgendwelchen Felsen über oder unter mir erfühlte ich nur, sah
sie aber nicht. Irgendwo dazwischen geklemmt zwischen die beiden
Freunde hätte ich wohl auch irgendwie überlebt, aber bei dem
Gedanken, daß man sich da bei einem Unfall wieder herausretten
hätte lassen müssen - lieber nicht. Ich ging zurück, was an
sich schon kein leichtes Unterfangen mehr war. Ich schaffte es
aber trotzdem und wollte am unteren Ausgang dieser
"Menschenschleuder" auf die Kameraden warten. Auf der
Erdoberfläche war es kein Problem, dorthin zu gelangen. Ich
wartete und wartete und wartete, sie kamen einfach nicht.
Irgendwie unglaublich. Ich besuchte auch noch das Gebiet der
Unteren Saubachlhöhle und kehrte zurück. Noch immer war sie
nicht. da. Ich wartete, ich wartete. Sie kamen nicht. Ich ging
zurück, holte mir die tropfnassen Klamotten vom Körper.
Rastete, rastete. Da kamen sie. Endlich. Einfach war es nicht.
Überwindung hatte es immer wieder gekostet, die engen Schlupfe
zu bezwingen, die Steilstellen abzuklettern und darauf zu
vertraufen, daß nicht eine Stelle auch einen lauerte, die zu
eng, zu glatt, zu schwierig für einen wäre. Dann zeigte sich da
endlich ein kleiner Lichtschimmer, der dann langsam immer
größer wurde, Zugang zur "Oberwelt" versprach....
"Mittwoch, 22. August 2018 Park&Ride Bahnhof Kemmelbach, Austraße, 3373 Ybbs an der Donau, 48. 159353,15.098649 8AM-3PM". Um 8 Uhr sollte ich mich laut dem "reminder for: PC12 Saubachl, Yspertal" vom Mi, 15. Aug. von den tüchtigen Organisatoren und -innen einfinden, um an dieser Exkursion anläßlich von EUROSPELEO 2018 teilnehmen zu können. Da ich Anhänger des Sprichworts bin, daß Pünktlichkeit die Tugend der Könige ist, war ich da, ja, hatte schon die ganze Nacht vorher auf dem Parkplatz im Auto übernachtet, um ja rechtzeitig da zu sein.
Was meint ihr, daß dann passiert ist? Ich war da um 8 und kein anderer. Ganz alleine stand ich am Bahnhof, am Bahnsteig, in der Unterführung, ein paar junge Leute nahmen den Zug zur Arbeit, eine hübsche junge Frau verdiente sich ihren Lebensunterhalt, in dem sie die Räume putzte, ein älterer Taxifahrer wartete auf Kunden. Von einem Höhlenforscher keine Spur.
Ich nahm mein LENOVO zur Hand und dann entspann sich folgende Bildschirmkonversation:
Franz Mi., 22. Aug., 08.21
Hallo ich warte hier in kemmelbach auf saubachlrour. Keiner da. Warte hier bis 9
Uhr Gruss franz
Wetti Wielander Mi., 22. Aug., 08.45
Lieber Franz! Treffpunkt Kemmelbach im Yspertal stimmt, Tour findet statt. Ich
probiere, noch Detailinfos für dich zu erfragen. Lg Wetti
Wetti Wielander Mi., 22. Aug., 08.49
Hier die genaue Adresse des Treffpunkts:
Park & Ride station
Kemmelbach, Austraße, 3373 Ybbs an der Donau
Hab grad gelesen, Treffpunkt ist erst um 10:00, dh warte bitte noch . Ich wünsch dir jedenfalls eine schöne Tour, die Saubachlhöhlen sind wirklich ungewöhnlich und bei der Hitze eine angenehme Erfrischung :-)
Wetti Wielander, Mi., 22. Aug., 08.50
So, ich bin's noch einmal - wenn es noch Unklarheiten gibt, bin
ich auch
telefonisch zu erreichen: +43 676 4214039
Ich setze hier die Originaltexte ein, denn das Beispiel zeigt sehr schön, was für prima Arbeit die Organisatoren von EuroSpeleo 2018 geleistet haben, hier insbesondere Wetti Wielander, und wie sehr man sich auch um Details gekümmert hat, ohne die Contenance zu verlieren. Danke.
Ich hatte schon einen Alternativplan geschmiedet und dann die
Keller und künstlichen Höhlen um Wieselburg angeschaut. Zuvor wollte ich
allerdings noch einen Kaffee trinken, was in den schönen Kaffeehäusern entlang
der Hauptstraße in Wieselburg ein Genuß war, der nur vom Dauerbrummen der
vorbeifahrenden Lkws etwas gestört war. Um 10 Uhr war ich wieder am Bahnhof und
da waren dann auch die bestimmt 20 Teilnehmer an der Exkursion. Ein bunter
Haufen stand da, auch einige sehr wassererfahrene Engländer. Unsere Führer vom
Wiener und Niederösterreichischen Höhlenverein hatte vor kurzem schon eine
Tour dorthin unternommen, um sich über die aktuellen Verhältnisse Klarheit zu
verschaffen. Die Tour stand unter keinem guten Stern, den man hatte zwei
Unfälle dabei, einer der Verunfallten mußte anschließend sogar ins
Krankenhaus!
Die Tourteilnehmer sortierten sich etwas und reduzierten die Zahl der Autos,
indem einige zu anderen hineinstiegen und mitfuhren. Es ging dann über die
Donau bei Ypps und hinein ins schöne Waldviertel. Ziel war das Yspertal und in
der Nähe von Pisching liegt das kleine Tal, das vom Saubachl durchströmt wird,
zu einem nicht unbedeutenden Teil unterirdisch. Drei Objekte sind inzwischen im
Kataster erfaßt: die Obere Saubachlhöhle mit 311 vermessenen Höhlenmetern und
einer Höhendifferenz von 35 m, die Untere Saubachlhöhle mit 200 m
/Höhendifferenz 36 m und der Saubachltunnel mit 29 m / Hd. 7 m.
Auf dem Parkplatz bei der Höhle hatten alle Platz zum Parken, das Führungsteam
verschwand auf einem Weg ins Tal mit einer Stahlseilleiter, die der
Erleichterung des Ausstiegs auf dem Rückweg dienen sollte, dann marschierten
wir alle in der Blutshitze der Mittagszeit in lockerer Bekleidung in Richtung
auf den oberen Eingang des Höhlensystems. Dort zogen wir uns alle erst um, weil
der Marsch durch den Wald in voller Neoprenausrüstung "too much" für
uns gewesen wäre. Ich holte meinen 40 Jahre alten Rexothermanzug heraus, denn
auch der hilft, sich etwas im kalten Wasser des Höhlenbaches besser zu fühlen.
Unterhalb der alten hölzernen Mühle, die am Talrand steht, ging es hinein in
ein Felsloch zwischen Blöcken, auf dessen Boden der Bach schon zu hören war.
Gleich spürte man ihn auch, denn es galt sich ins Wasser flach zu legen, um
durch die Engstellen zu kommen, die zum Vollbad in der kalten, dunkelbraunen
Brühe zwangen. Zum Atmen blieb noch Raum nach oben, aber nicht viel mehr. Die
Wegfindung wurde schnell zum Thema, denn überall schien es zwischen der
Blöcken Fortsetzungen zu geben, bloß, welche führte wirklich weiter. An einer
dieser zweifelhaften Stellen bewiesen die Engländer ihre Kaltblütigkeit und
einer von ihnen "stürzte" sich gleich kopfüber ins enge Loch,
rutschte immer tiefer, am Ende verschwanden sogar noch die Stiefel und man
hörte nur noch Rumoren von unten. Nachkommen.... Da tat sich über mir ein
Lichtloch auf, eine Art Notausgang, das wohl letzte, bevor man die komplette
Reise bis zum unteren Höhleneingang machen mußte auf Gedeih und Verderb. Ich
probierte, ob ich nach oben durchpaßte, tatsächlich, es ging. Mir reichte es
schon wieder und ging zurück, zog mich um und genoß wieder voll das Leben auf
der Oberseite der Welt. Ich hatte schon 10 Photos gemacht, das reichte.
Eine Stunde später zeigte sich, daß mein Entschluß, die Tour abzubrechen, irgendwie visionär gewesen war. Ich fuhr nämlich nach Ohlsdorf bei Gmunden und wollte mir das Thomas-Bernhard-Haus wenigstens von außen ansehen. Ich wollte gerade mein Auto verlassen, da knickte ich ein. Mein rechtes Knie gab nach, ich hatte fürchterliche Schmerzen und konnte nicht mehr auftreten. Einen Grund dafür gab es nicht, aus heiterem Himmel stieß mir das einfach so zu. Wenn das in der Höhle gewesen wäre.... Nicht auszudenken, ich wäre sofort ein Rettungsfall gewesen - und das in dieser Höhle, die zwar einfach erscheint, aber tückisch ist. Glücklicherweise hat sich alles wieder beruhigt. Ich kann wieder auf beiden Beinen stehen und laufen.
Literatur:
Hartmann, Helga und Wilhelm | Die Höhlen Niederösterreichs Band 3, hrsg. vom Landesverein für Höhlenkunde in Wien und Niederösterreich, Wien 1985 |
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