Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaftliches und Speläologisches im Höllengebirge
Oberösterreich

März 1975


Überschreitung 2018 Höllengebirge


Das ca. 40 km² große Karstplateau des Höllengebirges liegt in den Nördlichen Kalkalpen/Trauntaler Voralpen im oberösterreichischen Teil des Salzkammergutes. Es erstreckt sich vom Attersee bis zum Traunsee, wobei 17 km Strecke dazwischen sind. 

Der höchste Gipfel ist der 1.864m (anderswo heißt es 1.862 m) hohe Höllkogel, weitere namhafte Gipfel sind der Alberfeldkogel mit seinen 1.707 m Höhe und der Brunnkogel (1.708 m), die sich über dem durchschnittlich auf 1.600 m liegenden mit ausgedehnten Beständen der Bergkiefer bedeckten  7 km langen ochplateau erheben. 

"Eine tertiäre Verebnungsfläche" sei das Plateau, so der Geologe Pia. Das Höllengebirge ist "durch eine nach Norden gerichtete Falte geprägt, deren bis zu 500 m mächtige mitteltriassische Wetterstenkalke und -dolomite vom Südrand des Gebirges her leicht ansteigen, um schließlich am Nordrand in eine senkrechte bis leicht überkippte Lagerung überzugehen. (Kuffner, Mattes, Wielander 589).

Das Gebiet ist durch ein Netz von Wanderwegen gut erschlossen und 2 Hütten des Alpenvereins, das Hochleckenhaus und die Rieder Hütte, dienen als Stützpunkte. Im Winter stehen am Feuerkogel und beim Taferlklaussee zwei entsprechende Sportgebiete zur Verfügung. Der Feuerkogel ist ganzjährig mit einer Seilbahn erreichbar.  Das war nicht immer so. Seit 1656 war das Höllengebirge ein streng gehütetes Jagdrevier der Habsburger. Noch 1914 brauchte man zur Durchquerung des Gebietes eine schriftliche Genehmigung der Forstverwaltung, die nur selten erteilt wurde. (Heitzmann 59).

In der "Höhlenkarte des Salzkammerguts" von Karl Kraus, 1894 erschienen in seiner "Höhlenkunde", führt er bereits 3 Höhlen im Höllengebirge auf: 1 Klimmsteinhöhle, 8 Nixlucke im Annerlgraben, 55 Goldenes Gaterl. Seit den 1920er Jahren besuchten regelmäßig Bergsteiger die damals auf 1,7 km erkundete Hochlecken-Großhöhle. In ihr entdeckten Höhlenforscher um Theo Pfarr und Heinz Mika einen neuen abzweigenden Teil, der in der Folgezeit insbesondere von Salzburger Höhlenforschern um Walter Klappacher und Poldi Wiener weiter erkundet wurde. Schlüsselstelle wurde der "Stierwascherschacht", benannt nach einer Wirtschaft in Salzburg, der endlos in die Tiefe zu führen schien. 1975 wurde der Schachtgrund bei - 343 m von französischen Höhlenforschern des S.C. Narbonne und S.C.Ragaille erreicht. Es ging immer weiter in die Tiefe, so daß sie für kurze Zeit zu den 10 tiefsten Höhlen der Erde zählte. Heute wird die Gesamtlänge mit 5,5 km angegeben und der Gesamthöhenunterschied mit 884 m.

In Internet wird mit Stand 2007 die Gesamtzahl der Höhlen im Gebiet mit 101 angegeben. Herrmann Kirchmayer hatte insbesondere mit der Forschergruppe Gmunden die zahlreichen bei den Wanderwegen gelegenen Mittel- und Kleinhöhlen erkundet, schwerpunktmäßig auf dem Feuerkogelplateau und um die Riederhütte. Die zweittiefste Höhle ist heutzutage die 249 m tiefe Totengrabenhöhle und die zweitlängste der nun 1.045 m messende Rupertischacht. 

Wie in zahlreichen anderen Skigebieten auch, ist in den Hängen des Steinkogels 1954 eine Skifahrerin in einen Schacht gestürzt und blieb in 40 m Tiefe liegen. Sie konnte nur noch tot geborgen werden. Anschließend wurde die Öffnung mit Schienen und einem Stahlgitter abgedeckt. 1977 stürzte der Sohn des Hüttenwirts von der Naturfreunde-Hütte in den offenen Wimmer Schacht beim Skifahren ab, konnte aber lebendig gerettet werden.


Über eine spezielle Tour im März 1975 hat es meines Wissens nie eine Veröffentlichung gegeben. Poldi Wiener stellte das organisatorische Herz dafür dar. 15 Höhlenforscher aus München, Salzburg und Wien taten sich zusammen, um endlich den Grund des schon sagenhaft gewordenen "Stierwasserschachts" zu erkunden. Poldi war inzwischen nach München übergesiedelt, bewohnte eine Wohnung in der Nähe des Nymphenburger Schlosses, immer mehr Leute trafen sich dort und machten Pläne. Dazu gehörte z.B. auch einmal eine Höhlenexpedition nach Kuba zu unternehmen. Aber erst sollte der Schleier über dem schier bodenlosen Schacht im Höllengebirge gelüftet werden. Ich war damals Student, hatte viel Freiraum und bekam den Auftrag die Nahrungsmittellogistik zu übernehmen. Nie werde ich vergessen, wie ich da plötzlich in ganz anderen Dimensionen denken und einkaufen mußte. Einmal nicht nur einen Laib Brot zu kaufen, sondern gleich 3, nicht 100 Gramm Wurst, sondern gleich pfundweise das Zeug mitschleppen, wieviel Flaschen Rum würden uns reichen? 

Egal, am Ende war ein Riesenhaufen beisammen, der auf einem Wirtshaustisch am Attersee stand. Alle nahmen sich das, was noch Platz in ihren Rucksäcken hatte, alles war am Ende unterwegs auf dem Weg zur Hochfläche des Höllengebirges. Es war schon um Mitternacht, als die Karawane im Schneegestöber sich aufmachte, das Hochleckenhaus irgendwann zu erreichen. Es schneite und schneite, vom Weg war nichts mehr zu sehen, GPS oder sonst etwas gab es noch nicht, wir stapften bergauf und bergauf, am Ende wußten wir nicht mehr, wo wir waren. Das Berghaus wurde immer mehr zur Fata Morgana, es kam zu einer Versammlung der Teilnehmer im Schneegestöber. 2 Stunden Rampfen im Neuschnee lagen schon hinter uns, sollten wir weiterlaufen und nicht wissen, wohin wir wirklich wollten, oder wieder absteigen oder biwakieren? Die Gruppe spaltete sich. Die eine Hälfte stieg wieder ab mit der Option, daß, wenn sich das Wetter bessern würde, sie in der Frühe gleich wieder heraufkämen, die andere harrte aus, trat sich Plattformen in den weichen Schnee am Berghang, holte die Biwaksäcke heraus, blieb die Luftmatratzen auf und schob die Schlafsäcke hinein. Etwas Warmes wäre nun prima gewesen, allein, die Teebeutel waren gerade wieder unterwegs in irgendeinem Rucksack, der gerade wieder ins Tal getragen wurde. Etwas Rum war noch hier geblieben... Es wurde einen einmalige Nacht, langsam zugeschneit zu werden, irgendwo nach einem Fitzerl Wärm suchend, alles finster draußen, die Geräusche der fallenden Schneeflocken vernehmend. Poldis Hund war endlich ruhig, diente als eine Art Kopfkissen in seiner Schlafzelle. 
Irgendwann dämmerte es, die ersten Ausharrer standen auf, alle anderen waren gleich wach, wir schüttelten die Schneedecke über den Biwaksäcken ab, standen im Freien - und es war gDutes Wetter. Wenn wir gewußt hätten, wo wir waren! Nämlich nicht weit von der Hütte eigentlich entfernt! Nur noch ein kurzer Fußmarsch und wir hatten den Winterraum erreicht. Es ist wie auch sonst immer - man kann erst wirklich schätzen, wie gut es einem geht, wenn man auch die andere Seite menschlichen Erlebnisvermögens ausgelotet hat. Und das hatten wir, wirklich, nicht freiwillig, aber halt auch da schon dem Spruch folgend: Take it as it comes.

Nach der Wiederherstellung der Lebensgeister wurde beschlossen, wenigstens noch einen Versuch zu starten, die Höhle zu erreichen und dann zu sehen, ob das ehrgeizige Ziel unter den gegebenen Umständen überhaupt erreichbar war. Am Abend trafen wir uns alle wieder auf der Hütte. Der Neuschnee hatte extrem ungünstige Verhältnisse zur Folge, daß nicht einer in die Höhle kam. Über dem Höhlenportal lag meterhoch der Schnee und eine Grabung nach ihm blieb vergeblich. 
Alle kehrten zurück am Abend in den Winterraum - gesund und um eine starke Erfahrung reicher. Keiner wird diese Momente je vergessen - aus einem gewissen Blickwinkel waren wir überhaupt nicht erfolgreich, aber was uns da passiert ist, das wird uns alle bis zu unseren letzten Lebensaugenblicken begleiten.

Im August 1975 schafften es 5 Franzosen, den Grund zu erreichen: Gerard und Paul Blanc, Guy Passalaqua waren die "Ersten", die die damals "größte unterirdische Vertikale" meisterten. Danach ließ das Interesse schnell wieder nach. Der Katasterwart schrieb später: "Die Rekordsucht der, überwiegend sportlich ausgerichteten "Gäste" trieb in diesen Jahren ungeahnte Blüten, wir bekamen Pläne völlig ohne Informationen, wo sich die Eingänge befinden. Ein wahre Freude für jeden Katasterführer." 

Es ist ruhig geworden inzwischen dort.

     
     
1975
Das Schneebiwak 

 


Blick auf das Höllengebirge beim Heimflug aus Sizilien, 4.9.2021


 

Literatur allgemein:

Ecke, Wolfgang L.  Vom Höllengebirge im Salzkammergut, Weishaupt-Verlag, 2004
Hauleitner, Franz Salzkammergut mit Dachstein und Totem Gebirge, Rother Wanderführer, München, 8. Auflage 2007
Hauzenberg, Franz Höllengebirge. Wander-, Kletter- und Schiführer. 2. Auflage, Eigenverlag, Vöcklabruck 2005
Heitzmann, Wolfgang Salzkammergut mit Totem Gebirge und Dachstein, J.Berg bei Bruckmann, München 1998
  Führer durch das Tote Gebirge einschließlich Warscheneck, Höllengebirge und Sengsengebirge, Wien, Artaria, 1927

Literatur speläologisch:

Benischke, Ralf Karst Hydrogeology of the Höllengebirge, in: Mattes J., Christian E. & Plan L. (eds), Proc. 12th EuroSpeleo Forum, Ebensee: 104ff.
Consoladi, M, Ghiglia, M., Sella, R., Tallia, E. HOCHLECKEN Grosshohle: sintesi di tre spedizioni, Speleologia p 19ff.
Courbon, Paul, Chabert, C. Atlas des Grandes Cavités Mondiales, UIS FFS 1986
Egger, Hans Erläuterungen zu Blatt 66 Gmunden, Erläuterungen zur geologischen Karte 1:50, Wien 2007
Fritsch, Erhard Kommentar zur neueren Hochlecken-Forschung oder Speläologie auf Abwegen, in: Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich 1-1978, S. 1-4 http://www.zobodat.at/pdf/MittVerHoehlenkOOe_075_1978_0001-0028.pdf
Fritsch, Erhard Geschichte der Höhlenforschung in Oberösterreich 17. Teil, Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich
Gobetti, Andrea una discesa nella Grosshöhle Hochlechenhöhle, GROTTE, Mai-August 1975
Gobetti, Andrea Abstieg in die Großhöhle Hochlecken, Der Schlaz 19-1976, S. 17f.
Jäger, Manfred Neuforschungen der Forschergruppe Gmunden im Höllengebirge, Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich 2017, 122, 34-35
Kasperek, Martin Die Totengrabenhöhle im Höllengebirge, Die Höhle 1-1984, S. 10-16
Kirchmayr, Hermann Neuforschungen am Hochlecken, Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich 2-1989, S. 15ff.
Kirchmayr, Hermann Wimmer Schacht, in: Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich 1-1978, S. 1-4 http://www.zobodat.at/pdf/MittVerHoehlenkOOe_075_1978_0001-0028.pdf
Kirchmayr, Hermann Abschlußbericht über die Schadensbehebung am Absperrgitter der Hochleckenhöhle, in:  Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich 100-1995, S. 26-27
Kittel, E. Hochlecken-Großhöhle National - International - Katastrophal, ATLANTIS 1-2 1979, S. 17ff.
Klappacher, Walter Ergänzungen zur Hochleckenhöhle, in: Vereinsmitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde Salzburg 3-1973
Knapczyk, Harald Hochleckenhöhle - dramatisch angehauchtes Kurzprotokoll, in: Vereinsmitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde Salzburg 4-1973
Kufner, Dietmar, Mattes, Johannes, Wielander, Barbara Trauntaler Voralpen, in: Spötl, Christoph, Plan, Lukas, Christian, Erhard, Höhlen und Karst in Österreich, Linz 2016
Martinez, Daniel Hivernale au Hochlecken Grosshöhle, Spelunca 4-1977, p 169-170
Pfarr, Theo Die Anfänge der zweiten Phase in der Erforschung der Hochlecken-Grosshöhle, in: Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich 1-1978, S. 1-4 http://www.zobodat.at/pdf/MittVerHoehlenkOOe_075_1978_0001-0028.pdf
Weißmair, R. Eindrücke von einer Befahrung des Stierwascherschachtes der Hochleckenhöhle im Februar 1988, in: Die Höhle 40, S. 16-20 http://www.zobodat.at/pdf/Hoehle_040_0016-0020.pdf
Wielander, Barbara, Allhuter, Dietmar, Spötl, Christian Exploration of the Hochschneid-Eishöhle and other caves in Höllengebirge, Upper Austria, in: Mattes J., Christian E. & Plan L. (eds), Proc. 12th EuroSpeleo Forum, Ebensee: 114f.
Wielander, Barbara Höllengebirgsexpeditionen des Vereins für Höhlenkunde Ebensee in Zusammenarbeit mit dem LV Höhlenkunde Wien/NÖ, 2014-2016, Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich, 121, 2015/2016, 38-44
Wiener, Poldi Hochleckenhöhle - Neuforschung, in: Vereinsmitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde Salzburg 3-1973
Wiener, Poldi Hochlecken-Zusammenfassung, in: Vereinsmitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde Salzburg 4-1973
Wiener, Poldi Hochleckenhöhle, Der Schlaz 13-1974, S. 21ff.
Worliczek, Kurt Hochlecken - die Bodenlose 17-19 Juni 74, in: Vereinsmitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde Salzburg 1974 Heft 2, S. 14 ff.

Links allgemein:

https://www.bergfex.at/sommer/oberoesterreich/touren/wanderung/8866,hoellengebirge-feuerkogel-ebensee/

http://www.attersee-attergau-salzkammergut.at/attersee/hoellengebirge/

https://www.alpenvereinaktiv.com/de/tour/brunnkogel-1708m-gipfelrunde-im-hoellengebirge/10929891/

https://opac.geologie.ac.at/wwwopacx/wwwopac.ashx?command=getcontent&server=images&value=066_Gmunden.pdf

https://feuerkogel.info/

https://www.alpintouren.com/de/touren/wandern/tourbeschreibung/tourdaten_25126.html

Links zu Hütten:

http://www.alpenverein.at/voecklabruck/huetten/0100_hochleckenhaus.php

http://www.riederhütte.eu/

http://www.huettenguide.net/huetten/rieder-huette

Links speläologisch:

http://www.zobodat.at/pdf/Hoehle_040_0016-0020.pdf

http://www.muehllechner.at/hochleckengrosshoehle.htm

http://www.zobodat.at/pdf/MittVerHoehlenkOOe_091_1989_0001-0062.pdf

http://www.energieinbewegung.at/schoberstein.htm / Schutzhöhle am Schoberstein


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