Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Furgglenalp und die Höhle in der Nähe, CH


Wo ist die "Schweiz" so, wie wir sie uns vorstellen? Ein Bilderbuchland, wo die Berge noch fest im Gebirge stehen, die Almen noch in Betrieb sind und die Menschen noch freundlich und ihren Lebensunterhalt auch Subventionen verdienen können? Ein Vorschlag: die Furgglenalp.

Dort hatten wir die Auswahl aus frischer Kuh- und/oder Ziegenmilch, aus mehreren verschiedenen Kässorten zusammen mit einem Stück frischem Brot - und das alles verbunden mit einem ausgiebigen "Schmaaz" mit der Sennerin. Auch der Mann zeigte sich mal und schaute sich die Gäste an, der Sohn war auch mal da, zwei hübsche Damen passierten und erzählten von ihren Badeerlebnissen im nahen kühlen Bergsee, das gab es scheinbar keinen "Fortschritt" auf diesem Planeten, nirgend ein schrilles Handy, nur Kuhglocken in der Ferne.

Dann die Frage: "Wir haben im Internet von der Furgglenhöhle gelesen. Wissen Sie, wo die liegt?" Oberhalb der Hütten hatten wir schon eine gebogene Höhlenöffnung ausgemacht. Ob sie es wohl war? Nein, die Höhle liege etwa 700 m entfernt, oberhalb des Wegs, der bei der Hütte seinen Anfang nahm und etwas auf gleicher Höhe nordwärts zog. Dort, wo der Weg nach unten führe, dort würde man oberhalb in den Felsen den Eingang sehen und dort hinauf müsse man gehen.

Alles schien klar zu sein. Wir zogen zu viert los. Und war es dann halt doch nicht. So wie so oft auf dieser Erde. Hätten wir die exakten GPS-Daten gehabt, dann wäre das wohl nicht einmal halb so aufregend gewesen, wie das, was wir noch mitgemacht haben. Für mich ergibt nur der Schluß daraus: Wer wirklich was erleben will, der sollte all die tollen Geräte zuhause lassen und einfach losziehen. So erzielt er zwar leicht und "unverwirrt" vielleicht seine Ziele, aber am Ende wird er sich vielleicht fragen, wozu? Hab ich wirklich etwas erlebt? Ja, das hat auch er, aber sicherlich nicht all das, was in ihm los gewesen wäre, wenn er all diese Führer, sei es nun ein Menschen oder ein Gerät, nicht verwendet hätte. Und erst solches Durchstehen echter Verwirrungen und Unklarheiten formt einen zutiefst.

Ich sah jedenfalls oberhalb vom Weg eine schwarze Öffnung, interpretierte das zuerst einmal als die gesuchte Örtlichkeit, stampfte los, mühsam, der Rucksack drückte, nirgends irgendeine Spur, daß da vor mir jemand schon jemals gewesen war außer Kühen. Dann hörten meine Ohren den Satze eines Kameraden: "Ich sehe schon die Wand hinter dem Eingang. Ich glaube, daß da nichts ist." Tatsächlich, ein Blick hinauf zeigte tatsächlich eine schwarze Wandseite. Trotzdem da weiter, einen gewisse Sturheit zeigend, hochstapfen? Vielleicht war ja 50 m weiter wirklich die gesuchte Öffnung zu sehen? Ich kam wieder runter, herunter zum breiten Weg, marschierte mit den anderen auf einen Zaun zu, der zu übersteigen war, aber die Situation verbesserte sich wirklich nicht. Da war überhaupt nichts Höhliges mehr auszumachen. Also alles wieder zurück. Hinauf über Almwiesen, hinein ins Latschendickicht. Irgendwann wurde es zu anstrengend. Ich legte den Rucksack ab und versucht mein Glück mit etwas weniger auf dem Buckel. Ein Schritt, und ich lag mit dem Gesicht in den Blumen. Ausgerutscht und mit der Brust in der braunen Erde. Aufraffen, weitermachen. Auf einmal waren da richtige Trittspuren auszumachen. Da waren auch schon andere einmal gewesen. War ich vielleicht doch auf dem richtigen Weg, auch schon mal gewesen? Steil ging es hinauf und dann war es klar. Hier war die gesuchte Höhle. Nicht zu sehen von außen war die Höhlenschutztafel. Ich hatte tatsächlich den Eingang erreicht. Ich schrie hinaus zu den Kameraden: "Höhle". Und sie kamen dann langsam heran. Mir stand ja noch der Weg zurück zum Rucksack bevor und das Wiederheraufsteigen. Das ist halt der Preis, wenn man auch noch ein wenig Abenteuer zuläßt und sich selbst auf den Weg macht. Hinterher ist der Eindruck viel stärker. All die Wegverbesserer und Erleichterer berauben uns dieser Erfahrungen, auch des eventuellen Scheiterns. Gerade die "close shave"-Erfahrungen sind es ja, die uns "weiterbringen".

Angeblich ist die Höhle 400 m lang. So viel haben wir nicht gesehen. An die Eingangshalle schließt sich gleich wieder ein Krabbelgang an, der wohl einmal ausgegraben worden ist. Danach geht es gleich wieder in die Höhe. Der nächste weite Raum tut sich auf. Eine kurze schön geformte Passage, die wohl ein wenig von den Urverhältnissen wiederspiegelt, folgt, dann kommt wieder eine Verbruchhalle. Scheinbar ist alles hier zu Ende, aber an zwei Stellen gibt es dann doch Kriechfortsetzungen. Eine enge Passage, die mit "Höhlenbuch" bezeichnet ist, führt irgendwohin, ein Höhlenbuch konnte ich da nirgends ausmachen. Angenehmerweise gab es einen viel geräumigeren Gangansatz, der zurückführte. Ein anderen niederer Durchgang leitete in die Sayonarahalle, wo von oben reichlich Wasser herunterkam. Die Fortsetzung bestand aus einem schön geformten ehemaligen Wassergang, der wohl zeigt, daß es sich hier um einen Wasserabfluß aus Zeiten handelt, wo die Welt noch ganz anders ausgesehen hat. Danach verweigt sich die Höhle schon wieder. Ein Gang führt hoch, ein anderer runter. Im Lichtschein der Lampe ist schon auszumachen, daß es da enger wird und dann steiler. Man kann bis dorthin auch ohne Schlaz gelangen, wenn man in Kauf nimmt, daß die Kleidung ramponiert wird, aber ab hier steigt der Grad erheblich. Noch ein paar Buildn gemacht - und schon standen wir am sonnenbeschienen Eingangsportal.

 
 
 
 

Der Weg zurück war beschwerlicher, aber halt auch höchst erlebnisreich. Ein Zwischenstop in der Wirtschaft "Plattenbödeli" war praktisch lebensrettend, weil es dort dem Körper extrem fehlende Flüssigkeit in Form eines Biers aus der Bügelflache und zu einem uns schockierenden Preis von 6,50 sfrs gab. Von da ging es richtig steil bergab, richtig verblüffend, weil wir das beim Aufstieg noch gar nicht so wahrgenommen hatten. Und ein paar Brunnen unterwegs auf dem Weg zur Seilbahnstation der Hohen-Kasten-Bahn, wo wir das Auto abgestellt hatten, waren höchst willkommen, auch wenn sie nur anzeigten, daß ihr Wasser für Hunde trinkbar wäre.

 


Literatur:

Wildberg, Andreas, Preiswerk, Christian Karst und Höhlen in der Schweiz, Speleo Projects, Basel 1997

Links:

Furgglenalp

Panorama-Wanderkarte.pdf (application/pdf-Objekt)

Appenzellerland Tourismus – Appenzeller Wanderwege, Appenzell, Appenzell wandern, Appenzellerland, Wandern Ostschweiz

Wöllkomm bi ös : Berggasthaus Plattenbödeli : Brülisau

http://www.wanderrouten.ch/hoherkasten.htm

Schweiz - Wanderung am Hoher Kasten

Drehrestaurant Hoher Kasten: hoherkasten.ch

Furgglenhöhle

Auf der Alp

Landschaft und Höhlen im Alpsteingebiet, Schweiz


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