Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Höhlenmühle am Col-des-Roches, CH
Als wir von unseren Touren zu Beginn des neuen Jahres in den Franzöischen Jura zurück nach Deutschland fuhren, da kamen wir oft kurz nach der Schweizerischen Grenze am Col-des-Roches an einem um diese Jahreszeit verständlicherweise ziemlich verlassenen Ort vorbei. Ein großer Parkplatz war da, auf dem natürlich niemand außer uns gerade parkte, ein großes verschlossenes Gebäude, ein paar Eisenbahnschienen, ein paar Mühlsteine...
Wir mußten erst einmal im Sommer vorbeikommen, bis daß wir auch einmal das Glück hatten, die unterirdischen Mühlen am Col-des-Roches einmal zu sehen...
Dies ist auch einer der vielen Orte, die dokumentieren, wie sehr sich unsere Welt in den letzten 150 Jahren geändert hat. Es gibt ein paar technische Erfindungen, die das Aussehen unserer gesamten Welt in nicht zu überschätzender Weise geändert haben... der Kühlschrank, der elektrische Strom, das Auto.. und die damit auch, in einem ganz kleinen Segment, das Verhältnis von Mensch und Höhle grundsätzlich verändert haben.
"Erfahrungsfelder der Sinne" wollte
Hugo Kükelhaus schaffen, damit Menschen wieder etwas besser
wahrnehmen, was sie mit dieser Welt vor allem verbindet - ihre
Sinner. Eine der Stationen, die man dort den Besuchern bot, wobei
die Hauptzielgruppe Kinder waren, weil ja, angeblich, die
"Erwachsenen" ja "alles schon erlebt haben und
damit schon wissen", war ein Platz, wo man für 50 Pfennig
eine Handvoll Körner bei einem Betreuer kaufen konnte, und die
man dann zu einer "eßbaren Semmel" verwandelte. Dazu
war erst einmal das Häuflein Körner in "Mehl"
umzuwandeln. Warum lassen wir das nicht all unsere Kinder einmal
tun?
2 Steine standen einem zur Verfügung. Man legte die Körner
dazwischen und begann, Mehl zu "mahlen". Probiert das
einmal selber. Noch so viele Wörter können nicht beschreiben,
was man da ganz körperlich erleben kann. Man mahlt und mahlt und
mahlt, aber da sind immer noch das körnige "Zeug", das
einfach nur infinitesimal kleiner werden will. Die Muskeln werden
schwach, aber das Korn bleibt hart. Man kann richtig ins
Schwitzen kommen, aber das Korn bleibt immer noch hart. Wie gut,
wenn einmal jemand, so eine Aufgabe abnimmt! Irgendwann schloß
man einen Kompriß. Lieber ein paar harte Körnchenreste, als
erschöpft neben dem "Mehl" zu liegen. Was da durch
mühseligste Muskelarbeit entstanden war, das wurde in Wasser
getaucht, aufgeweicht, zu einem "Pflanzerl" geformt,
und dann auf einen heißen Stein gelegt, der durch ein
Lagerfeuer, das in der Mitte brannte, aufgeheizt war. Man mußte
sich weiterhin um den "Ertrag" so eifriger Bemühungen
kümmern, denn sonst wäre er angebrannt. Ihn wenden hieß es
immer wieder. Irgendwann zeigte sich eine braune Kruste, oben und
unten. Ich konnte ihn vom heißen Stein nehmen und schob ihn in
den Mund. Er schmeckte tatsächlich, natürlich, denn da war
etwas nie mehr Wiederholtes entstanden, denn sonst zahle ich halt
1 DM für eine Vollkornsemmel und habe auch den
"Rachen" voll. Aber da wurde mir, wie sonst nie mehr
wieder, der Unterschied zwischen einer Handvoll Körnern und
einer eßbaren Semmel in einem Maße klar, der nicht mehr
überbietbar ist. Was bleibt "uns" nicht alles erspart,
wenn wir nicht selber das Korn erst malen müssen, ehe wir es
verspeisen können!
Wer um diesen "kleinen" Unterschied weiß, der versteht, warum schon immer die "Müller" in einer herausragenden Stellung waren. Wer zum Beispiel die Wasserkraft nutzen konnte, der ersparte den Menschen, die das nicht konnten, unglaubliche körperliche Anstrengungen, und ließ sich das natürlich auch entsprechend vergüten. Eine wunderbare Spiegelung dieser Verhältnisse enthält die "Kindergeschichte" von Thomas Hardy "Our exploits at West Poley". Kinder finden den Zugang zu einer neuen Höhle, entdecken einen Höhlenbach, verändern im Erdinnern den Lauf des Gewässers ein bißchen, um in neue Höhlengänge vordringen zu können, und "ruinieren" damit auf einmal einen der "Oberen" in einem bestimmten Tal, einen "Müller", dessen Mühle plötzlich stillsteht, weil das Wasser ausbleibt. Wie es dort weitergeht, das lest Ihr bitte in dem Roman am besten selber nach.....
Die unterirdischen Mühlen befinden sich in einem Raumkomplex, der eine Gesamtlänge incl. der künstlichen Gänge von 110 Metern hat und eine Tiefe von 27 Metern. Er entstand durch den Ablauf der Bied, einem kleinen Fluß, der der einzige oberirdische Abfluß des Tals von Locle darstellt, und der früher über den Col-des-Roches oberirdisch in den Doubs entwässerte.
Die Geschichte der Nutzung dieser Kraftquelle ist
bis zum Jahre 1549 zurückverfolgbar, wo die
Gebrüder Vuillemin das Recht erhielten, dort eine Mühle zu
errichten, damals noch oberirdisch. 1652-53
erfolgte dann der erste unterirdische Bau durch den Leutnant
Jonas Sandoz, der gegen die Zahlung von jährlich 46 Batzen 6
Mühlräder betreiben durfte. Eigentlich hatte er ja auf der Erde
bauen wollen, aber der Antrag war abgelehnt worden - es seinen
schon genug Mühlen im Betrieb und es sei kein Platz mehr frei.
Der Bau war eine enorme technische Leistung, weil in der großen
Caverne 4 schräg untereinander angebrachte Mühlräder aus Holz
mit einem Durchmesser von 4 bis 6 Metern mit dem herabstürzenden
Wasser der Bied anzutreiben waren.
Im Laufe der Jahrhunderte scheint sich die Bedeutung allmählich
etwas verändert zu haben. 1766 schreibt Osterwald nur noch von 4
Mühlrädern, 1844 wird ein Teil der Energie für den Betrieb
eines Sägewerks genutzt, 1877 wollte der Stadtrat von LeLocle
die Mühle kaufen, um die Möglichkeit zu schaffen, den
Seespiegel davor abzusenken, was an den Preisforderungen
scheiterte. Erst 7 Jahre später einigte man sich und konnte dann
die Landgewinnungspläne verwirklichen. Bis 1877 war war die
Mühle in Betrieb. 1886 wurde eine Turbine eingebaut, die
elektrischen Strom erzeugte. Damit war LeLocle der erste Ort in
der Schweiz, der über elektrischen Strom verfügte. 1890 hatte
man dort schon elektrische Straßenbeleuchtung deswegen. Mit dem
Jahr 1899 begann die Umwidmung des Geländes in ein grenznahes
Schlachthaus, wobei man die Höhlenräume für die
"Entsorgung" der Schlachtabfälle mitbenützte.1966
stellte es den Betrieb ein. Eine "Zunft der Müller"
begann seit 1973 sich für die alten Anlagen zu interessieren,
man holte den Dreck aus der Tiefe wieder heraus, restaurierte das
Ganze und man kann die Höhlenmühlen heutzutage von Mai bis
Oktober am Wochenende wieder besuchen.
Das Mühlengebäude | |
Im Mühlemuseum | |
Gravierung von Ch.-S. Girardet 1838 | |
Mühlen im Zusammenhang mit Höhlen gibt es an vielen Stellen der Erde, nicht nur in LeLocle. Sie liegen oft an landschaftlich sehr reizvollen Stellen, die oft die Reise lohnen.
Beispiele:
die Mühlen im Rakbachtal/Slowenien
Die Ruine des ehemaligen Mühlengebäudes im Vordergrund |
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Am Ausfluß der Höhle hatte man einen Staudamm errichtet, um das Wasser besser steuern zu können |
die Höhlenmühle von Maara / Griechenland
Literatur:
Links:
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