Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft und Höhlen im Hoch-Ybrig-Gebiet, Kanton Schwyz, CH
Auf dem Weg nach Weglosen
Wer im Muotatal beim Hölloch steht, der sieht linkerhand
gewaltige abweisende steile Felsmauern aufragen, die Südflanke
eines Gebirgsstocks, der vom First mit 1624 m beginnend, im
Druesberg mit 2292 m gipfelnd und weiter führt bis zur
Fläschenspitz mit 2073 m. Von Norden her sieht das etwas anders
aus. Wer von Zürich-Einsiedeln, am Sihlsee entlang Richtung
Unteriberg fährt, der sieht schon im Talbereich lotrechte
Felswände aufragen, die dann zu kleineren Gipfeln führen und
darüber hinausragend die Felsfelder bis hinauf wieder zum
Gipfelkamm.
Nach Unteriberg geht es auf einer breiten Straße zwischen den
Felsbastionen in einiger Entfernung dem Tal der Waag hinauf. Wer
genau hinschaut, der sieht immer wieder Löcher in der Wand,
Gufeln zumeist, die bald enden. Bachabwärts gesehen auf der
rechten Seite fällt sofort eine Stelle ins Auge, wo zumindest im
Frühjahr ein starker Bach direkt zwischen den Felsschichten
austritt. Tatsächlich ist das vielliecht der Eingang zur am
längsten bekannte Höhle der Gegend. Man hat dort vor ca. 50
Jahren schon einmal ein E-Werk gebaut, hat das Wasser beim
Austritt gefaßt und zu einer im Tal liegenden Turbine geleitet.
Inzwischen sind die Höhlenforscher auch hier am Forschen.
Die Gufeln hat man alle angeschaut und die allermeisten war
gleich nach wenigen Metern zu Ende. Verwirrend war wohl schon,
daß große Wasserfälle kamen von oben und stoben über die
Felswände darunter. Wo sollte es da noch Höhlen geben in dem
Tal bis Weglosen?
Inzwischen sind einige bekannt und sie werden intensiv
erforscht von der Höhlengruppe Hochybrig HGY. Gerüchte gab es
schon von Höhlen, aber keiner fand sie. Es mußte wohl eine neue
Generation kommen, in diesem Falle waren es vor allem sehr gute
Kletterer. Deren Dorado sind ja die hohen Wände und wenn da
irgendwo aus der Wand ein Bächlein spritzt, dann ist das für
diese Sorte von Menschen, die fast Flügel zu haben scheinen und
ein sehr großes Gottvertrauen, ein großer Ansporn. Ich kann
hier nur von ein paar Dingen erzählen, die ich bei der
Delegiertenversammlung 2010 in Unteriberg aufgeschnappt habe,
aber es gibt noch nichts Schriftliches darüber, aus dem ich
zitieren könnte.
Es gibt da ein großes Kreuz an die Wand gemalt oberhalb von
Weglosen. Wer sich umschaut, wird es erkennen. Das ging einmal
jemand hinauf und nahm wahr, daß es dort eine stark bewetterte
Höhle gleich daneben gab. Sie trägt heute den Namen
"Kreuzloch" und hat inzwischen schon eine Länge von
1,5 km. Diese Entdeckung weckte ganz stark das Interesse an
dieser Gegend. Und beim genauen Nachschauen fand man auf einmal
immer mehr weitere Höhlen.
Viele von ihnen sind wirklich nur schwierig zugänglich und ohne
genaue Ortskenntnis nicht auffindbar. Und selbst wenn man den
Eingang schon sieht, dann ist er noch lange nicht erreicht. Es
ging mir so im April 2010, als ich mich der Exkursion anläßlich
der DV2010 in Unterbiberg anschloß. Eine gute Stunde Aufstieg
durch steilen weglosen Bergwald, dann näherten wir uns der
Felswand. Links von uns duschte ein großer Wasserfall herunter.
Dann war da ein T-förmiger schwarzer Eingang in der Wand links
neben uns auszumachen. Das mußte er wohl sein. Nur das
Hinkommen. Nur ein Gemse findet das unschwierig. Für uns
Menschen? Da gibt es mehr oder weniger Berggängige, Geübte,
Einfach-keine-Angst-Kennende,
Noch-nie-irgendwo-Heruntergefallene, auf Gott, Allah, Shiva oder
sonst noch wen Vertrauende, oder halt die Skeptiker und
Vorsichtigen. Auch für uns war gesorgt. Bis zum Stiftensteig an
der glatten Felswand wurde von unserem Drei-Sterne-Führer auch
noch ein Seil gespannt, an dem wir uns sichern konnten, dann die
Stiftenpromenade, dann fehlte da ein Stück, das aber auch
irgendwie überquert wurde, dann wieder Griffe und Tritte ins
Erdreich. Denn Rest machten wir dann ungesichert. Eine
wannenförmige Vertiefung liegt da vor dem T-Eingang. Und die
Reste eines Lagerfeuerls war noch da. Offenbar ein guter Platz
beim Vorher oder Nachher. Der T-Eingang in die Bärenhöhle hat
es in sich. Er ist prüfstreckeneng. Wer sich das nicht mehr
antun will, für den gibt es eine Alternative. Es gibt ja noch
Eingang 2 und 3. Die liegen oberhalb von T, sind nur überhaupt
mit den Händen in der Hosentasche zu erreichen. Erst ein
Seilquergang, dann ein Seilaufstieg. Dann sitzt man wie ein Adler
im Horst irgendwo in der Wand und macht sich vielleicht besser
nicht Gedanken, wie man jemals wieder nach Hause kommt. Das hat
früher immer schon geklappt, warum sollte gerade diesmal so ein
Grasbüschel unter meinen Füßen nicht halten, warum sollte
dieses Stückerl Fels, das da schon seit Jahrmillionen Jahren
hält, genau in meinem Augenblick losbrechen?
Der Eingang wirkt vielleicht auch für die Gemsen entspannend,
denn da lagen auf einmal die Verdauungsrückstände dieser
Tierchen. Weiter. Wenige Meter hinterher führen die Wege vom
T-Eingang und von hier zusammen. Ein klassischer niedriger
Felsgang tut sich vor einem auf, erst breit und niedrig, dann
endlich die Größe erreichend, wo ein Mensch auch stehen kann.
Eine Art senkrechter Briefkasten, dann erreicht man den alten
Wassergang. Hier ist sicher einmal ein richter Bachlauf
durchgeschossen, wobei wir heute einfach mitten drin in das
Nichts, das diese Naturprozesse hinterlassen haben, stoßen. Die
Höhle ist nicht lang, momentan, "ca. 150 m" heißt es
in der Beschreibung, es gibt sie, das ist es.
Unteriberg | ||
Bei Waag | ||
Parkhaus in Weglosen |
Bärenhöhle | ||
Eingangsumgebung Kreuzhöhle |
Wie sieht das Gebiet oberhalb der ersten Felsenzone, in der
die Höhlen liegen, aus? Das ist ja heutzutage überhaupt kene
große Frage mehr. Selbst Rollstuhlfahrer können sich mit der
Seilbahn hochbefördern lassen. Und können selbst noch mit dem
Sessellift bis zur obersten Station befördert werden, wenn man
halt die notwendigen kleinen Änderungen vornimmt, was ja
tatsächlich passiert. Im September 2010 waren wir wieder dort
und haben uns umgesehen. Mit der 15.30 Uhr-Seilbahn sind wir
hochgefahren und waren, erwartungsgemäß, die einzigen zahlenden
Benutzer der Seilbahn. Der Sessellift von der Station Sternen aus
war ansonsten leer. Nur wir und die paar abwärtsfahrenden Gäste
waren unterwegs. Sogar ein Rollstuhlfahrer! Oben ist man fast am
höchsten Punkt. Fünfzig Meter höher kann man noch laufen, dann
bricht Richtung Osten der Berg weg - und der Blick Richtung
Hölloch-Silberen-Glattalp wird frei. Ein phantastischer Blick
auf die Oberfläche über der längsten Höhle Europas (2010) ist
von hier aus möglich!
In einer guten Stunde Wanderzeit gelangten wir auf einem
Paradeaussichtsweg, am Fuß des Druesberg entlang, bis zur
gleichnamigen Hütte. Im Internet hatte ich noch gelesen, daß
sie über 50 Bettenlager und etliche Zimmer anzubieten hätte,
aber als wir dann tatsächlich an einem Montagabend dort waren,
da war nur "Tote Hose". Die Hütte war nicht wegen
Überfüllung unzugänglich, sondern weil sie einfach nicht offen
hatte - von Montag bis Donnerstag. Vielleicht hätten wir eine
Chance gehabt, wenn wir vorher angerufen hätten, eine
Möglichkeit, auf die uns die "Hüttenwirtin"
ausdrücklich aufmerksam machte. Aus dem technischen Spielzeug
wird da ein Kommandeur! Ruf an! Sonst kannst du wieder gehen!
Warum kam mir da nur der Satz in den Sinn: "Wegen Reichtums
geschlossen". Und was weiß man da noch von dem Wort, ich
sage es mal auf Englisch: "hospitability"?
Wir haben das "Gehen" dann auch gemacht. Sind noch zu Tale geeilt, haben uns unterwegs gefragt, ob wir nicht dem Abzweiger folgen sollten, diesem "...leiter.."-Weg. Wir haben es vorsichtshalber nicht getan und sind auf Schotterwegen und Teerstraßen hinunter zum Parkplatz bei der Talstation, nicht ohne dramatischen Zwischen-, wirklich Fall. Mein Golf war am Ende das einzige Fahrzeug, das noch da stand. Wohlbegründet.
Literatur:
Steiner, Jörg, Steiner, Max | Ruetistein-Hoehle, Höhlenpost 44-Oktober 1977, S. 13ff. |
Betschart, Markus, Hediger, Beat | Osterschachtreinigung, Stalactite 55, 1, 2005, S. 8ff. |
Links:
http://ogh.ch/fotos/2009/sternenhoehle
http://www.beobachter.ch/natur/aktiv-sein/artikel/unterwegs_im-zerkluefteten-bauch-der-erde/
http://web40.ssl.t3domain.ch/fileadmin/daten_ybrig/Dokumente/Sommer/Geologischer_Wanderweg.pdf
http://www.aufdermaur.info/frali/cave/Karstgeotope Kt. Schwyz.pdf
https://lochstein.de/ver/ver/2010/2010dele/2010dele.htm
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