Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Glattalp - ein Karstgebiet ohne Höhlen ?- CH


"..nicht nur aus der Oberfläche besteht diese Welt, das menschliche Leben, sondern auch aus Abgründen". (Schmid 66)

Wer "Abgründe" sucht, der ist in einem "Karstgebiet" am richtigen Ort. Manchmal drängen sich dort die Löcher im Boden so dicht, daß man bei dem Versuch, einem auszuweichen, in das nächste, gleich daneben liegende, fällt! Bei der "Glattalp", am Ende des Bisistals, das wiederum am Ende des Muotatals in der Nähe der Kantonsgrenzen von Uri, Glarus und Schwyz liegt, handelt sich um ein richtiges Karstgebiet.

Aber auf meine Frage an die Sennerin der Glattalp, ob sie hier irgendwelche Höhlen kennen würde, da bekam ich ein glattes "Nein" zu hören. Das deckte sich gut mit meinen Beobachtungen nach einer dreistündigen Wanderung durch einen Teil der Schweiz, der so richtig bilderbuchmäßig das Klischee von einem Bergland bedient hatte. Eines fehlte allerdings fast vollständig - der Haufen Touristen. Man hat hier klug vorgesorgt. Am Ende des Bisistales geht es fahrstraßenmäßig nicht mehr weiter. Ein Parkplatz ist da, eine kleine Güter- und Personenseilbahn, und ein Fußweg. Wenn es hoch kommt, dann bewältigt die Bahn die Strecke 3 bis 4 mal in der Stunde und jedesmal können 8 Personen mitfahren. Das macht dann maximal 32 pro Stunde, wirklich nicht viel. Ein paar werden zu Fuß heraufkommen und dem anfänglich noch als Fahrweg ausgelegten folgen und dann dem Bergsteig, der geschickt durch die teilweise senkrecht abfallenden Felsstufen umgeht. Hierauf werden im Sommer für 2 Monate rund 500 Rinder und 100 Pferde herauf- und wieder heruntergetrieben, wenn sie zum "Sömmern" auf die Alp kommen.

Ein Blick in die geologische Fachliteratur ergibt folgendes: "Der Karst im südlichen Bisis- und Hürital wird durch den über 300 m mächtigen Quintner Kalk geprägt, wobei dieser allerdings auf weiten Arealen von den mergeligen Zementstein-Schichten verhüllt ist (z.B. Glattalp..)... die südlich an die Karstgebiete von Pfannenstock-Charetalp anschließenden Karstgebiete um die Glattalp sind nebst den Quellen von Hinter Seeberg auch diversen kleinen Wasseraustritten tributär, welche infolge des erwähnten tiefen Einschneidens der Muota in die schlecht durchlässige Unterlage der Quinter Kalke hoch über der Talsohle liegen." (Wildberger, S. 13). Die Erfahrung, daß es Regionen ohne Höhlen gibt, die haben auch die französischen Forscher gemacht, die in den 70er Jahren intensiver Forschungen in diesem Gebiet und auf der nahen Charetalpe unternommen haben: "Certaines zones ne sont révélées comme ne contenant aucune cavité notable".

Auf die Glattalp fährt man also nicht der Höhlen wegen, sondern wegen der formidablen Landschaft. Klassisch ist der Rundweg um den Glattalpsee, die rund 2 Stunden dauert. Unterwegs kann man auch einkehren. Das steht die SAC-Hütte Glattalp, von der aus auch der Weiterweg hinüber zur Charetalp und Richtung Pragelpass möglich ist. Dann gibt es noch das Bergrestaurant Glattalp und auch bei Alm wird ein "Älplerkaffee" (man sich aussuchen, welcher Schnaps in die braune Brühe kippen mag) angeboten und man kann selbergemachten Käse zu sich nehmen.

Im Bisistal
 
Die Glattalp-Seilbahn
 
 
 
 
Karrenfelder und Ponore
 
 
 
Seen ohne Oberflächenabfluß
 
   

Aus Franz Auf der Maur: "Höhlen- und einige weitere geomorphologische Geotope regionaler und lokaler Bedeutung im Kanton SZ (Internet):
"Glattalpsee - Karstsee mit Unterlage vorwiegend aus Zementstein-Schichten und lokal auch Quintner Kalk, natürlichweise stark variabler Wasserspiegel und unterirdischer Abfluß zu diversen Quellen im Bisistal (hydroelektische Nutzung durch EBS"

Literatur:

Schmid, Wilhelm Die Kunst der Balance - 100 Facetten der Lebenskunst, insel taschenbuch, Frankfurt am Main und Leipzig 2005
Wildberger, Res Karstsysteme im Muotatal, S. 12ff.
Loiseleur, Bernard, Salvayre, Henri Présentation Générale du Système Karstique de la Charetalp, Actes 6e Congrès suisse de Spéléologie Porrentruy, sept. 1978, S. 219ff.
Loiseleur, Bernard, Storti, Jean-Paul, Brocard, Gérard Recherches sur un karst haut-alpin: La Charetalp, STALACTITE 35 (1), 3-19 (1985)
Bögli 1970: Suppl. 4 zu Stalactite
Luther, Helmut Minus 52 Grad - Die Glattalp..., Süddeutsche Zeitung Nr. 59, 12. März 2015, Reise S. 38

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