Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Cevio Vecchio
Tessin
"Die Häuser, Mauern, Weinbergtreppen, Wege, Pflanzungen und Terrassen, alles ist werder neu noch alt, alles ist, als sei es nicht erarbeitet, erklügelt und der Natur abgelistet, sondern entstanden wie Fels, Baum und Moos. Weinbergmauer, Haus und Hausdach, alles ist vom selben braunen Gneisgestein gemachct, alles paßt brüderlich zueinander. Nichts sieht fremd, feindlich und gewaltsam aus, alles scheint vertraulich, heiter, nachbarlich." (Hesse, H., Wanderung, Berlin 1920)
23 km nordwestlich von Locarno entfernt im oberen Maggiatal liegt Cevio, ein Ort an der Straße mit 1.200 Einwohnern. Um da halt zu machen, da braucht es schon einen besonderen Grund. Und der war für uns mit dem Museo di Valmaggia gegeben, das unweit der Straße liegt.
Daß es hier ein Museum gibt, das ist kein Zufall. Es besteht heute aus zwei alten Patriziergebäuden, die man restauriert hat und nun für kulturelle Zwecke nutzt. Der tiefere Grund liegt in den 60 grotti, die sich in dem Versturzgelände am Talrand befinden. Auf 2 Hektar Fläche kam vor Zeiten eine riesige Menge Gestein etwa 300 m herunter ins Tal und türmte sich dort auf. Die Felsen lagen dann nicht einfach fugenfrei beieinander. Dazwischen gibt es viele viele Spalten und Freiräume, durch die die Luft ziehen konnte. Da führt zu Kühleffekten, die die Menschen immer schon zu nutzen wußten.
Erstaunlich groß können diese Hohlräume zwischen den Blöcken sein, ja richtige Höhlen bilden. Zieht man dann noch einen Boden ein und errichtet eine Mauer davor, dann kann man exklusive Nutzungsrechte durchsetzen. Genutzt sollen sie vor allem für die Lagerung und Reifung von Käse worden sein, für die Konservierung von Fleisch und für die Aufbewahrung von Wein.
Es fällt sofort auf, daß vor den Höhlenkellern Sitzbänke und Tische aus Stein stehen. Dort hat man dann gesessen und das genossen, was man drinnen aufbewahrt hatte. In etlichen diese Tische sind in der Mitte Löcher. Hat man da das entsorgt, was einem lästig war, fürs erste?
Die kleine Region hat einen gewissen Zauber. Sie scheint aus einer Zeit zu stammen, wo man sich für alles noch viel viel mehr Zeit für die wesentlichen Dinge des Lebens gönnen konnte. Man mußte/konnte noch zu Fuß hinaufsteigen zu den Löchern, hatte alles zu tragen, hatte keinen fahrbaren Weg, um es "schneller" dorthin zu bringen. Wozu denn? Wo soll man denn hinterher noch hin? Noch einen schöneren Platz finden? Einen Ort, wo es mehr zu essen gab?
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Literatur:
Schmidt, Stefanie (2021): Neues Leben am Fels, Süddeutsche Zeitung Nr. 184, 12.08.2021, S. 31
Links:
http://www.museovalmaggia.ch/documents/sorted/museo/sentiero/prospetto_grotti.pdf
https://www.ticinotopten.ch/de/museen/museum-maggiatal
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