Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Furkapaß-Eisgrotte, Schweiz


"Der Gletscher stürzte scheinbar unaufhaltsam von oben, die Klippen an der Stirn standen wie gefrorene Gischt, und aus Spalten und Klüften zündete ein unirdisches Vitriolblau. Aber der Strom war erstarrt, und gut ließ sich erkennen, wo wieder fester Boden begann....
....sogar der Rhonegletscher, bei dem sie aufstiegen, ist stark geschwunden, liegt, klimatisch betrachtet, sterbenskrank und muß durch Bedeckung vor weiterem Abschmelzen geschützt werden. Die berühmte Eishöhle, die - wenn es sie damals schon gegeben hat ....muß man immer weiter aufwärts verlgen. Denn der weichende Gletscher hat eine Art Hochwüste zurückgelassen, und wer sie nicht als Corpus delicti sehen will, kann immer noch ein Spektakel genießen. Sogar das Vitriolblau ist den Eisklüften erhalten geblieben..." Adolf Musch, Der Weisse Freitag, S.  9 und S. 203


Nach der Abfahrt von 3 km von der Paßhöhe des Furkapasses auf die Walliser Seiter passiert man das Hotel Belvedere. Dort gibt es einen großen Parkplatz, wo man sein Fahrzeug zurücklassen kann und sich viele aufmachen, eine besondere Sehenswürdigkeit zu sehen: die Eisgrotte im Furkagletscher.

Seit ca. 1870 schlägt man dort jedes Jahr in das Gletschereis eine künstliche Grotte von ca. 100 m Länge, die dann im Laufe des Jahres auf ca. 70 m abschmilzt. Sie ist bequem begehbar, weil Holzbretter am Boden in dem weiten Tunnel das Gehen einfach machen. Am Schönsten ist die bläuliche Färbung des Eises, wenn die Schicht über einem etwa 10 bis 15 Meter Dicke aufweist. Dann kann man sich wie in einem Kristallpalast fühlen. Genau dort verzweigt sich der Gang und man kann in einer Schleife einmal herumgehen. An der Verzweigungsstelle hat man eine Schweizer Fahne plaziert - eine ästethisch fragwürdige, aber eben patriotische "Verbesserung". Es gab noch mehr im Grottengang, was eigentlich aus Gründen der "Schönheit" entfernt gehört, aber wohl einfach praktischen Zwecken diente, nämlich Abluftschläuche, durch die Abgase der Geräte abgeleitet werden, deren Einsatz notwendig ist, um die Grotte zu erhalten.

Der Gletscher steht ja keineswegs still und unbewegt, sondern er ist dauernd in Bewegung. Zwischen 30 und 40 Meter bewegt er sich pro Tag, manchmal an einem Tag auch schon einmal 10 m. Und er schmilzt. Um das in der GriffI zu bekommen, hat man das gesamte Gelände an der Gletscheroberfläche mit eine weißen Plane bedeckt, wodurch man unwillkürlich an die Verpackungskunstwerke von Christo erinnert wird.

In der Grotte gibt es sogar Leben. Millimetergroße Springschwänze haben hier ihren Lebensraum, manche Leute nennen sie "Gletscherflöhe". Zu sehen sind allenfalls schwarze bewegliche Punkte. 

Als Erwachsener mußte man 2017 9 Franken hinlegen, um durch die Drehtür am Ausgang des Kassenhauses zu kommen. Dann geht man ohne Führer absteigend zur Grotte, besichtigt sie und kehrt dann wieder zu Fuß zurück. Etwa eine halbe Stunde sollte man sich dafür Zeit lassen. Die Besichtigung ist von Anfang Juni bis zur 2. Oktoberhälfte möglich.

 

     
     
Juli 2017

 

 

Literatur:

Muschg, Adolf Der weisse Freitag, C.H.Beck, München 2017

Links:

http://www.gletscher.ch/eisgrotte/

Speläologisches aus der Schweiz


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