Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Wendelstein-Schauhöhle
1982
/
2022
Der Wendelstein und seine Höhlen
Als Dolfi Triller 1982 die Aktivitäten des Vereins für Höhlenkunde in München am Wendelstein charakterisierte, kam er zum Schluß: "Besondere Heldentaten haben wir hier nicht vollbracht. Die "Münchner" entfalteten einige schüchterne Aktivitäten, vor allem zwischen 1963 und 66, wobei die Wendelsteinhöhle und der "Fahrstuhlschacht" vermessen wurden." 15 Jahre später sah das schon ganz anders aus. "Überraschende Neuentdeckungen" durch Stefan Glaser und Kameraden haben das Gesamtbild enorm bereichert.
Jedem seine Rekorde: "Seit 1912 bringt dich die älteste Hochgebirgs-Zahnradbahn Deutschlands bequem auf einen der schönsten Aussichtsberge Bayerns: auf den Wendelstein. Hier oben gibt's Deutschlands höchste Schauhöhle und eine Universitäts-Sternwarte." Beilage der Süddeutschen Zeitung "Ihre Urlaubsregion - Chiemsee-Chiemgau" Sommer 2020, S. 10
Ein Blick zurück in die Geschichte:
- 1864 Entdeckung durch Einwohner von Bayrischzell
- 1882 Erste fachmännische Durchforschung urch den
"Wendelsteinvater" Professor Max Kleiber aus München
Der Salamanderklub aus München widmete sich der Erforschung und
Zugänglichmachung der Höhle, angeführt von dem langjährigen Vorstand der
Alpenvereins-Sektion München, Oberstleutnant Baumann. In diesem Zusammenhang
war geplant, einen künstlichen Stollen aus den "Herzkammern" heraus
zu bauen, um einen neuen Gipfelweg zu erschließen
- 1883 Erster schriftlicher Bericht über die Höhle von Baumann in den Mitt. Deutsch. u. Österr. Alpenverein
- 1921 Forschungs-, Vermessung- und Phototour (4 Aufnamen) der
"Gesellschaft für Höhlenkunde" am 13. Februar, Teilnahme von Robert
Oedl und Alfred Asal. In der Höhle ist bereits das Kruzifix.
Später Zugänglichmachung der Höhle für Besucher, Anbringen
einer elektrischen Beleuchung, feierliche Eröffnung am 15. Juli.
- 1953 Erneuerung der Beleuchtung und der Steiganlagen
- 1962 Anlage eines Zugangsstollens vom Bergbahnhof schräg abwärts in die Höhle
- 1963-1966 Vermessung der Höhle durch den Verein für Höhlenkunde in München
- 1982 Rettungsübung des Vereins für Höhlenkunde im München am 27. November mit Oliver Pirner in der Trage
- 1989 Bedeutende Neuentdeckungen durch Glaser und Zagler
- 2010 Renovierung der Schauhöhlenanlagen mit Hilfe von Mitteln aus dem EU-geförderten Projekt "Inntaler Unterwelten", initiiert von Peter Hofmann, Umstellung der Beleuchtung auf LED, Aufstellung von 4 Infosäulen
- 2015 Kunstausstellung "Zeit-Moment-Ewigkeit" in der Höhle
Klaus Cramer hat eine schon klassisch zu nennende Beschreibung der "Wendelsteinhöhle im Wendelstein" in den von ihm lange Jahre hindurch betreuten Sonderdrucken zur Geologischen Karte von Bayern 1:25000 geliefert. Dort kann man sie nachlesen. Sieghardt hat sie 1924 so beschrieben: "Diese eigentliche Wendelstein-Höhle ist eine langgestreckte Spalte von wechselnder Breit und Höhe; Räume von 4 bis 5 Durchmesser und höchstens 10 m Höhe wechseln mit Spalten, durch die man auf allen Vieren kriechen muß, wie das sog. "Salamanderloch" und andere, durch die ein schlanker Körper sich mit Mühe durchzwängt, wie die sog. "Schneiderspalte". Die Wände sind mit Kalksinter bekleidet, der zu größeren Tropfsteinen sich nirgends entwickelt, wohl aber schöne nierenförmige Überzüge bildet. Ein großer Reiz der Höhle sind die Eisstalaktiten, welche im vorderen Drittel an einigen Stellen vorkommen und besonders hinter dem sog. "Gachen Aufschwung" dicke Eissäulen von der Decke zum Boden reichen lassen." (Sieghardt 13)).
Im Nachspann zur Entstehungsgeschichte der Höhle bei CRAMER stehen ein
paar bedeutungsvolle Zeilen: "Die Gangprofile zeigen z.T.
klammartiges Aussehen und typische Laugungsformen, was als ein
Hinweis auf die kombinierte korrosiv-erosive Entstehungsweise der
Höhlenräume gewertet werden kann. Die große Höhenlage der
Höhle über den heutigen Vorflutern erfordert die Annahme eines
relativ hohen Alters, d.h. während der Entstehungszeit müssen
die nördlichen Kalkalpen noch den Charakter einer
Mittelgebirgslandschaft haben."
Auch hier können wir Menschen ein bißchen viel mehr
Bescheidenheit lernen. Denn das, was hier hier und heute sehen,
hat wenig von "Ewigkeit" in sich. Was uns heute so fest
und dauerhaft vorkommt, die Felsen!, die schmelzen, in
geologischer Perspektive, auch nur wie Schneemänner im
Frühling. Daß wir die Wendelsteinhöhle noch sehen können, das
ist wohl nur ein großer "Zufall". Eine Höhle von
diesen Dimensionen dürfte bei dieser Höhenlage wohl gar nicht
existieren, weil das Einzugsgebiet für das Wasser, das zur
Ausbildung von einer Höhle dieser Größenordnung notwendig ist,
eben nur da ist, wenn die Gegend vollkommen anders ausgesehen
hat. "Mittelgebirgslandschaft" war das mal, so wie in
der Fränkischen Alb heute. Dann gibt es diese hohen Canyons mit
15 Metern Höhe und mehr.
Wer "unterirdische Schönheit" in jedem Felsloch, das sich auftut sucht, so wie ich, der ist von der Wendelsteinschauhöhle enttäuscht. Eine Felskammer fügt sich an die andere, mal schmal, mal so breit, so daß zwei Leute aneinander vorbei kommen. Man kann zum natürlichen Eingang gehen und staunt über das einfallende Tageslicht, man kann auch in Richtung auf "Wendelsteins Herzkammern" gehen, die normalerweise unerreichbar, weil sie jenseits des Führungswegs liegen.
Angeblich wurde die Höhle von einem Bayrischzeller Bürger, dessen wirklichen Namen nirgends erwähnt wird, im Jahre 1864 entdeckt. So ist jedenfalls in der Literatur überall zu lesen. Da der Eingang so gut erkennbar ist, ist anzunehmen, daß der auch schon früher jemand gewesen ist, aber der hat keinerlei nachvollziehbare Spur hinterlassen. M. Kleiber hat dann 1882 die Höhle tiefer durchforscht, was dann auch schnell Niederschlag in verschiedenen Publikationen gefunden hatte. Die erste Vermessung der Höhle fand dann 1920 statt, nachdem sich in München eine erste "Gesellschaft für Höhlenkunde" gegründet hatte. 1921 wurde sie dann gleich für den Schauhöhlenbetrieb eingerichtet und elektrisch beleuchtet. Im Jahre 1962 schließlich war man offenbar endlich in der Lage, die natürlichen Verhältnisse zu "verbessern" und sprengte einen künstlichen Zugangsstollen in die Höhle, der den Zugang wesentlich erleichterte. Ein ganz neues Kapitel haben zwei Münchner Höhlenforscher (Stefan Glaser, Werner Zagler) in der Höhle aufgeschlagen, als sie, wohl für sie selber überraschend, einen ganz neuen und bedeutsamen Höhlenteil, direkt am altbekannten Schauhöhlenweg ansetzend, 1989 entdeckten. Ein sehr schönes Beispiel für die "Überraschungsfähigkeit" der Höhlen. Dabei war ihre Grundüberlegung sehr einfach und einleuchtend. Bis zu einem bestimmten Punkt der Höhle gab es selbst im Juni noch viel Eis und nach keines mehr. "Das müßte doch einen Grund haben. Theoretisch mußte es hier irgendwo einen nach oben führenden Gang oder Schlot geben, der die dynamische Bewetterung des Eingangsteils bewirkt." Und sie fanden ihn darauf auch gleich. Der weitere Gang des Forschung ist in der Münchner Höhlengeschichte II schön darstellt, wo man ihn leicht nachlesen kann.
Mir kam die Höhle bei meinem ersten Besuch als vollkommen uninteressant vor. Sie erinnerte mich einfach nur an die Bergwerksstollen im Deutschen Museum in München und ich fragte mich, warum man da eigentlich überhaupt hingehe. Was war da schon zu sehen? Ein paar Felsen zwischen denen ein wenig Raum war, gerade so weit auseinander, daß man sich hindurchbewegen konnte. Aber ansonsten? Schönheit im Innern der Erde? Vielleicht für Zenschüler. Die Schönheit kommt im Winter und Frühjahr hinein, dann wenn die Höhle nicht für das Publikum geöffnet ist - durch das Eis, und das vor allem nur, wenn es "richtig" ausgeleuchtet wird.
Heute sind die speläologischen Grunddaten: 523 m Länge bei einem Gesamthöhenunterschied von 97 m.
2006 | 2011 | 2017 | |
Die Eingangs- umgebung der Wendelstein- Schauhöhle |
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Der Eingang |
Zur Höhle > | |
2011 |
2017 |
Noch mehr zurück in die Vergangenheit:
1982 | 1991 |
2021 | |
2022 | aufgenommen mit einem APPLE-iphone |
Literatur:
Baumann, J. | Eine Höhle im Wendelstein. - Mitt. Deutsch. u. Österr. Alpenverein, 9, S. 260-262, 1883 |
Binder, Hans, Luz, Anke, Luz, Hans Martin | Schauhöhlen in Deutschland, hrsg. v. Aegis Verlag, Ulm 1993 |
Brack, Christian | Fledermaussuche in der Wendelsteinhöhle in der Winterzeit 2014/15, Der Schlaz 123-2016, S. 75 ff. |
Brack, Christian | Fledermaussuche in der Wendelsteinhöhle in der Winterzeit 2015/16, Der Schlaz 123-2016, S. 75 ff. |
Cramer, Klaus | Höhlen und Karsterscheinungen, in: Sonderdruck aus Geologische Karte von Bayern 1:25000, Erläuterungen zu Blatt Nr. 8238 Neubeuern 1973 |
Glaser, Stefan | Die Schachtzone der Wendelsteinhöhle, in: Münchner Höhlengeschichte II München 2004, S. 102-106 |
DPA | Eispalast in der Wendelsteinhöhle, Süddeutsche Zeitung Nr. 35, 12. Februar 2018, R11 |
Glaser, Stefan | Exkursion in die Wendelsteinhöhle, DER SCHLAZ 102, 2004, S. 14ff. |
Großmann, Viktoria | Unter Tage auf 1700 Metern Höhe, Süddeutsche Zeitung Nr. 186, 14./15. August 2010, R14 |
Hofmann, Peter | Mensch & Höhle - Wege im Inntal: Ein
anthropospeläologischer Exkursionsführer zu den Höhlen des unteren
Inntales zwischen Rosenheim
und Kufstein. BOD-Verlag, Norderstedt, Mai 2005 |
Hofmann, Peter (Foto) | Unterirdisch schön, Starnberger Merkur Nr. 33, 9. Februar 2018, S. 1 |
Müller, Anton | Wendelsteinhöhle: Neuland??, Der Schlaz 123-2016, S. 48ff. |
Niklasch, Gerhard | 20 Jahre Rettungsübungen des VHM, Der Schlaz 74-1994, S. 59ff. |
Ratzel, Dr. Fr. | Der Wendelstein, Zeitschrift des D.u.O.Alpenvereins Jahrgang 1886, Band XVII, München 1886 |
Reithmaier, Sabine | Zauber der Zeitlosikeit - Vier Künstler bespielen die Wendelsteinhöhle bei dem Projekt "Zeit-Moment-Ewigkeit", Süddeutsche Zeitung Nr. 126, 5. Juni 2015, S. R 5 |
Seitz, Helmut | Besuch in der Unterwelt - Das Innenleben des Wendelsteins, Süddeutsche Zeitung 4. September 1991, S. 24 |
Sieghardt, August | Wendelstein-Monographie, München 1924 |
Sieghardt, August | Geheimnisvolle Unterwelt am Wendelstein, Altbayerische Heimatpost, Nr. 14, 1960 |
Triller, Adolf | Die Berge zwischen Walchensee und Inn, in: Münchner Höhlengeschichte, München 1982 |
Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. München (Hrsg.) | Leben im Dunkel - Höhlentiere in den Alpen, Ein Projekt zur Biodiversität unterirdischer Lebensräume im Rahmen des Ökoplans Alpen 2020, Abh. Karst- u. Höhlenkunde 37, 1-64, München |
Wendel, Urs | Das Experiment - Acht Tage in der Wendelsteinhöhle, Der Schlaz 112-2008, S. 28ff. |
Zagler, Werner | Exkursion A Wendelsteinhöhle, Der Schlaz 102-2004, S. 14f |
Zahner, Elisabeth | Wendelsteinhöhle mit blinden Freunden, in: DER SCHLAZ 128-2019, S. 14ff. |
Bilddarstellungen:
WENDELSTEIN. 5 Ansichten vom Wendelsteingebiet (u.a. Wendelsteinhöhle, Bayrisch-Zell). Kol. Holzstich nach Püttner, 18,5 x 25,5 cm. |
2 Photos von Asal und Hans Birkmeyer in: Sieghardt, August, Wendelstein-Monographie, 1925 |
Links:
https://www.wendelsteinbahn.de/wendelstein-hoehle
https://www.tropfsteinhoehlen.de/index.php?id=1433
http://tropfstein.de/hwinntal/wendelstein.htm
Landschaft und Höhlen am Wendelstein
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