Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Höhlen rund um Tiefenbach / Allgäu


Wer im Verzeichnis der bekannten Höhlen der Höhlen im bayerischen Alpenanteil in der Münchner Höhlengeschichte nachschaut, ob die "Judenkirche" bei Oberstdorf schon aufscheint, wird sie vergeblich dort suchen. Sie ist zwar schon seit Jahrhunderten den Menschen dort bekannt, aber die Ehre einer Aufnahme in dieses renommierte Produkt höhlenkundlichen Bemühens war ihr noch nicht zu Teil geworden. Und ein richtiger Höhlenplan existiert (Sommer 2009) auch noch nicht. Ein ganz anderes Bild gewinnt, wer im Internet das Stichwort "Judenkirche" eingibt. Eine Fülle von Erwähnungen ist dort aufgezählt mit Tourenbeschreibungen, Landkartenausschnitten und Fotos, auch alten. Das zeigt wiederum die Popularität dieses Naturschaustücks und seiner anthropospeläologischen Bedeutung.

Das beginnt schon beim Namen: "Judenkirche". Da wurde schon viel herumgerätselt, philosophiert und phantasiert. Ein Autor namens Schwendinger meint, daß die Höhle ursprünglich im Volksmund "In der Kirche" geheißen habe, und daß erst durch "ungenaue Aufschreibung" daraus im Laufe der Zeit die "Judenkirche" entstanden sei. Vermutlich gibt es auch einen Zusammenhang mit der von Reiser in Oberstdorf aufgezeichneten Sage vom "Ewigen Jud". Gedacht ist wohl immer daran, daß eine religiöse Außenseitergruppe zu ihren Zusammenkünften einen heimlichen, außerhalb der bekannten und akzeptierten Kultorte, wie die Kirchen, aufsuchen mußten. So "unbekannt" und "unsichtbar" ist nur die Judenkirche wirklich nicht, weil an ihrer Schauseite ein großes Felstor ist, das früher möglicherweise sich nicht im irgendeinem Wald verborgen hat, sondern schon von weitem in der Felswand des Kapfs zu sehen war.
Manch einer mag heute noch eine Art Naturmagie wirksam spüren, wenn er dorthin geht. Davon legt ein kurzer Text aus dem Internet Zeugnis ab: "Der Aufstieg zur Judenkirche gestaltet sich wie eine Offenbarung: über grobes, wucherndes Wurzelwerk und abgeschliffene Felsen hinweg, entlang einer hunderte (?, A.d.V.) Meter hohen Felswand aus glatt gewaschenen Granit (es handelt sich um Schrattenkalk, A.d.V.). Dann gelangen wir unversehens in einen kreisrunden Kultplatz hinein, einen wahrhaft "magischen" Ort, wie er wuchtiger und wirkungsstärker gar nicht sein könnte! Die "Judenkirche" ist ein von der Natur selber errichteter Dom, eine gewaltige Arena mit gigantischer Eigenschwingung, ganz aus Naturfels. An einer Seite, nach Westen hin, formt dieser Felsen sich zum kühnen, haushohen Rundbogenportal, das majestätisch an den Ernst und die Würde dieses Platzes mahnt! In den Felsnischen der Wände dieses Naturtempels sehen wir mehrere Feuerstellen, die auf kultische Handlungen schließen lassen." Ein solcher Einbruch strenger Logik in eine völlig irrationale, ausphantasierte Platzschilderung! Vielleicht wollten einfach ein paar Leute zusammensitzen um ein romantisches Lagerfeuer - oder ein Vater hat für seinen Sohn ein Feuerchen in dieser Szenerie gemacht, um bei ihm die kindliche Imagination anzuregen (so etwas habe ich in einer Halbhöhle im Ammertal wirklich gesehen).

Da ist ein Felstor mit einer Höhe von ca. 5 m, einer Längsbreite von über 10 m und einer Querbreite von 1 bis 2 Metern Ist das nur der letzte Rest einer früheren Höhle? Gab es da früher einmal eine große Halle dahinter, die heruntergekracht ist? Ich habe da meine Zweifel.

Cammerer beschreibt 1832 seinen Eindruck so: "Ein großer Theil jener Felsen ist überhängend und mahnt den schüchternen Beschauer, bald möglichst den Rückzug anzutreten."

1856 gibt Dr. Gross sein Erlebnis so wieder: " ..die Judenkirche,,ein freistehender großer Felsbogen, auf zwei mächtigen Pfeilern ruhend, anzusehen wie das Thor eines kolossalen Baues, als wäre es das Werk von Menschenhänden, einem vorweltlichen Geschlechte der Riesen." 50

Dez 2015

 

Auf dem Weg von Tiefenbach her kommt man noch an einer ganz kleinen Höhle vorbei, in der Vojkffy und Peters in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, neben den Grabungen an den Ochsenbergbalmen, die ganz in der Nähe sind, prähistorische Funde gemacht haben. Sie belegen, daß sich schon im "Mesolithikum" dort Menschen aufgehalten haben. Eine zeitliche genauere Festlegung findet man nicht in der alten Publikation.

Blick auf Tiefenbach von Platz 
vor der Höhle

Höhlenbeschreibungstafel

Blick in die Höhle

 

> 2020

Ausblick

> 2020

2020

Ein Blick auf die geologische Karte zeigt, daß es westlich von Tiefenbach in Richtung auf den Hirschsprung zwischen Ochsenberg und Schatthalde/Schwarzenberg größere Vorkommen des verkarstungsfähigen Schrattenkalks gibt. Existieren dort noch weitere Höhlen? Es wurde bislang noch wenig dort geforscht, vielleicht hat ja einmal jemand Glück und findet etwas.

Im Oktober 2017 war ich zum ersten Male mit Willi Adelung dort unterwegs. Wir stiegen von Lochwiesen (920 m) über den Tobelweg bis hinauf zum Sattel, wo es entweder hinauf zum Gaißberg (1.372 m) oder nordwestwärts Richtung Lochbachtal geht. Da in Höhe des Sattels schon der Schnee begann, wählten wir die leichte Route und marschierten einfach wieder talwärts - einfach, aber doch anstrengend, und waren ganz froh, als wir uns wieder auf den bequemen Autositzen in Willis "Schlitten" niederlassen konnten. Kurz gesagt hat die Tour keinerlei Hinweis auf irgendein "verdächtiges Höhlenobjekt" ergeben, was aber gar nichts heißt. Was sich unter der Erde abspielt, das kann man öfters in keinster Weise von oben her vorhersagen! Auch heute noch nicht. Viel Sachverstand, aber halt auch viel Glück ist notwendig, um vielleicht auch dort Höhlen zu finden. Was nichts nützt, das ist "Geld", "Macht", "Prestige", "Narzißmus"....


Literatur:

Buck, Josef Handbuch für Reisende im Algäu, Lechthal und Bregenzerwald, Verlag von Tobias Dannheimer, Kempten 1856
Cammerer, Anseln Andreas Caspar Naturwunder, Orts- und Länder-Merkwürdigkeiten des Königreiches Bayern für Vaterlandsfreunde, sowie für kunst- und naturliebende Reisende, Kempten 1832
Fenzl, Fritz Magische Orte der Kraft
Gross, Dr.  Die Algäuer Alpen bei Oberstdorf und Sonthofen, München 1856
Merkt, Dr. Otto Burgen, Schanzen und Galgen im Allgäu, Kempten 1951
Peters, Eduard Grabungen unter der Ochsenbergwand in Wasach bei Tiefenbach, BU. Sonthofen, Bayerische Vorgeschichtsblätter 15,1930
Reiser Sagenbuch, "Den ewigen Juden kann man nicht töten"
Schwendinger Der Graf Christoph von Vojkffy Weg und die Judenkirche in Oberstdorf/Tiefenbach, unbekannte Zeitschrift
Seibert, Dieter Wasserfälle, Tobel, Felsen - Wunderwelt aus Wasser und Stein, 48 Ausflüge im Allgäu, Franz Brack Verlag, Altusried 1992

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