Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Höhle im Wildfräuleinstein bei Hinterstein / Allgäu


In dem 1982 erschienenen Standardwerk, inzwischen längst vergriffen, über die Höhlen der Bayerischen Alpen, der MÜNCHNER HÖHLENGESCHICHTE, ist in dem "Höhlenverzeichnis - Bayerische Alpen", das den damaligen Stand der Forschung recht gut wiedergibt, mit keinem Wort die Höhle im Wildfräuleinstein bei Hinterstein erwähnt. Dabei waren dieses Objekt wohl immer schon bekannt, schließlich ranken sich nicht unbedeutende Sagen darum, aber den "richtigen Höhlenforschern" waren sie bis dahin wohl noch nicht wert erschienen, in den Höhlenkataster aufgenommen zu werden.

Am.12. Juni 1999 habe ich mich aufgemacht, zusammen mit Willi Adelung, inzwischen vom Schicksal aus Gröbenzell vertrieben und nach Kempten im Allgäu umgesiedelt, diesen Ort einmal zu erkunden. Willi hatte wichtige Vorarbeit geleistet und in der Kemptener Bücherei eifrig Literaturrecherche getrieben. Hauptquellen waren das Sagenbuch von Reiser und die vielen Jahrgänge der Zeitschrift "Das schöne Allgäu" - Zeitschrift für Heimatpflege und Fremdenwerbung". Eigentlich sollten noch mehr mitkommen, aber wie das halt heute so ist, und wie das schöne bayerische Sprichwort sagt: "Mit Schwund muast lebn!" (bitte nicht im Dictionary nachschauen!)

Östlich von Sonthofen im Ostrachtal bei Hinterstein liegt am Hang des "Bschiessers" diese "Höhle", dachten wir zumindest.

Die Literatur schien daraufhin zu deuten. Wir ließen auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz mein Gefährt zurück, einen VW Passat mit defektem Anlasserritzel, und strebten bergwärts Richtung Willers-Alm. Wohin wir genau mußten wußten wir nicht, aber dieser nur "Ungefährwissen" ist schließlich ein altes Erfolgsrezept von vielen, die "Erfolg" schon im Leben gehabt haben, zumindest von denen die "Erfolg" gehabt haben, den sie haben ihn erlebt. Wir stapften jedenfalls bergan, anfangs noch gut gebahnt, später weniger, bis wir an eine entscheidende Abzweigung kamen - nach links zum "Wildfräuleinstein", nach recht zur Alm. Nach rechts weiterzugehen, das wäre auch recht reizvoll gewesen, Essen, Trinken, aber links sollte vielleicht die Höhle sein. Wir gingen nach links. Sehr angenehm war es hier, immer ging es ziemlich horizontal dem Berghang entlang, für einen nach einer Höhle suchenden Menschen eigentlich ziemlich wenig ertragreich, eher schon für einen Orchideenfan. Dann kam endlich am Rande einer Felsrinne ein Fels, klein zwar, richtig mickrig, ein dickes Holzkreuz lehnte daran, aber mangels anderer Felsen... war das unser Wildfräuleinstein? Ich erklomm ihn, Willi schaute in das einzige winzigste Felsloch, das sich zeigte - eigentlich ein völliger Fehlschlag. Deshalb waren wir hier herauf gewandert? Frust, Frust... aber immerhin die Landschaft war schön, es regnete nicht, schöne Blumen am Wege.
Wir gingen weiter, wieder kamen wir an eine Schuttreiße, im Zickzack nach unten, da weiter, etwas nach unten versetzt, plötzlich zwischen den Fichten die Ahnung einer Felswand. Tatsächlich. Da war etwas. Eine Holzback in einer Felsnische, eine Holzleiter nach oben in eine Felsnische, unterhalb noch eine Holzbank. Wir waren wohl richtig.

Ich klettere die Holzleiter hinauf, kam in einer Felsnische an. Ein Felsspalt schien weiterzuführen. Ich schob mich hinein, wie wohl viele schon vor mir. Die Felswände waren richtig glatt geschliffen, was sicherlich nicht von wenigen bewerkstelligt werden kann.

Willi Adelung in der Schlupfstelle
Franz Lindenmayr in der Schlupfstelle
Foto W. Adelung

 

Drüben kam ich gleich wieder in einer Felsnische an. Ein dicker Holzbalken war hier verkeilt, um zu verhindern, daß jemand aus diesem Felsfenster fällt. An einer rückwärtigen Stelle war eine weitere Holzlatte massivst in einer Felsnische verkeilt. Es waren ansonsten keinerlei weitere Spuren von Menschen irgendwo zu bemerken. Ich suchte die Wände ab, ob irgendwo Zeichnungen oder Ritzzeichen festzustellen gewesen wären. Eigentlich nichts. Nur im ersten Raum hat sich jemand sehr viel Mühe gegeben, um zutiefst zwei Buchstaben einzugravieren. Auch zwei größere künstliche Wandlöcher waren da, in einem steckte noch etwas, vermutlich der Stielrest einer Holzfackel. Diese beiden Felsnischen, weniger Höhlen, wurden 1936 schon einmal ausgegraben. Man suchte nach menschlichen Spuren in dieser Ausgrabung, fand aber eigentlich keine.

Über den unteren Holzbank prangt eine Tafel, die einem eine der schönen Sagen von dieser Höhle nahebringt.

Die anderen sind in dem Buch von Reiser leicht nachzulesen.

Wer sich hierher begibt, der entdeckt keine "großartigen" Höhlen. Höhlen sind auch nur zu einem winzigen Teil wirklich "großartig". Meist sind sie, wie vielleicht so ziemlich alles auf dieser Welt, "normal" oder "unterdurchschnittlich". Aber auch so ein Ort wie der Wildfräuleinstein hat seinen Reiz, seinen ganz besonderen, der ihn einzigartig macht. Wie haben sie wohl ausgesehen, die "Wilden Fräulein", hatten sie vielleicht etwas, was unsere Frauen heute nicht, oder nicht mehr, haben?

Wir zwei, Willi und ich, waren jedenfalls froh, nur noch die allerersten Tropfen eines hereindräuenden Unwetters von Westen abzubekommen und rechtzeitig noch am Parkplatz einzutreffen. Der Weg hatte horizontal weitergeführt, vorbei an ein bißchen unheimlich wirkenden Wäldchen mit völlig abgestorbenen Bäumen und Bäumchen, und dann steil in die Tiefe. Irgendwie war es erstaunlich, daß wir so hoch in so kurzer Zeit aufgestiegen waren, so daß wir da soweit wieder runter mußten, aber wert war es uns letztlich doch gewesen.

Wer diese Tour nachgehen will, dem empfehle ich auch nur unsere Route. "The other way round" ist zwar kürzer, aber irgendwie erlebt man das ganze Ambiente der Gegend dann nicht ganz - und, was möchte man denn in der anderweitig eingesparten Zeit eigentlich dort noch entdecken? Unbekannte Fortsetzungen? Ja, wer weiß schon!

 

 
Foto W. Adelung
Foto W. Adelung

 

Der Höhlenplan ist aus dem Bericht "Wolfsgruben und Wildfräuleinstein bei Hindelang - Bericht über die Grabung vom 21. - 23. September 1936" aus: Das schöne Allgäu 4. Jahrgang, Kempten im Allgäu / Nr. 20 / 2936 / S. 333 ff.

Die Höhle ist lagerichtig auf der Top50-CD Bayern(Süd) enthalten, die die topographische Karte 1:50 000 enthält.

In der Allgäuer Zeitung erschien am 2. Julil 2008 ein Artikel über "Volksmusical"' mit dem Titel "Hurlahutsch", das am Mitte Juli im Kurhaus von Bad Hindelang aufgeführt wurde. Schauplatz sollte der "Wildfräuleinstein" mit seiner Höhle sein, die im Bühnenbild vor Publikum gebracht wurde.

Literatur:

Buck, Dieter Allgäu - Sagen und Mythen entdecken, Tyrolia, Innsbruck - Wien 2006
Endrös, Hermann, Weitnauer, Alfred Allgäuer Sagen, im Verlag des Heimatpflegers von Schwaben, Kempten 1954
ohne Verfasserangabe Wolfsgruben und Wildfräuleinstein bei Hindelang - Bericht über die Grabung vom 21. - 23. September 1936, aus: Das schöne Allgäu 4. Jahrgang, Kempten im Allgäu / Nr. 20 / 2936 / S. 333 ff.
Reitemann, Franziskus Die dunkelsten Allgäuer Sagenorte, Edition Allgäu, Immenstadt-Werdenstein, ohne Jahresangabe
Schmidt, Klaus Wo der Wilderer einen Rap anstimmt, Allgäuer Zeitung, Mittwoch, 2. Juli 2008 Nummer 152

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