Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Eisgraben - zwischen Hagengebirge und Steinernem Meer


"...Sensationelles wird man vergeblich suchen.."  Kämper, Suche.. 72


Der Eisgraben liegt in der Berührungszone des Hagengebirges mit dem Steinernen Meer. Auf der Nordseite türmen sich der Wildpalfen (2.236 m) und der Jägerbrunntrog (2.230 m) auf, im Süden ist das Große Teufelshorn (2.362 m). Vom Königssee herkommend, der auf 613 m Seehöhe liegt, geht es über den Röthsteig nach oben zur Wasseralm (1.416 m) und dann in Richtung Lehlingkopf. Weglos geht es nach oben bis man an der Eisgrabenscharte angekommen ist (2.067 m). Von da geht es ostwärts nur noch die lotrechten Felswände hinunter ins Blühnbachtal.

Begeher der Großen Reibn, der 70 km langen Berg- bzw. Skitour von den Ausläufern des Hohen Gölls über das Hagengebirge, das Steinerne Meer und am Ende durch den Wimbachgraben am Fuße des Hochkalters, kommen an ihm auf dem Abschnitt zwischen Jägerbrunntrog und Lehlingkopfscharte vorbei. WIKIPEDIA weiß darüber zu berichten: "Die Einfahrt in den Eisgraben erfolgt zumeist über ein Band, das die rechtsseitigen (nördlichen) Begrenzungswände des Grabens durchzieht. Nach einem kurzen Steilhang ist dann (so gut wie) immer ein kurzer Abstieg über ein aperes Wandstück zu bewältigen. Je nach Schneelage kann diese (leichte) Kletterei über gut gestufte Fels- und Grasabsätze sehr kurz (zwei, drei Griffe) oder etwas länger sein. Dennoch sollte diese Stelle konzentriert begangen und die Skier auf jeden Fall rechtzeitig abgeschnallt werden."

Höhlenforscher waren in diesem Gebiet bis zum Jahre 1977 noch nie unterwegs gewesen. Zu entlegen, zu wenig verlockend. Dann kamen aber dann doch 4 Münchner, ermuntert durch die Forschungserfolge im Stiergraben, einmal vorbei (Klaus und Christian Deubner, Klaus Eberhardt, Franz Lindenmayr). Gab es dort vielleicht noch ein unentdecktes Höhlendorado? Nun, nach dem ersten Augenschein, nein. Wir waren den ganzen Graben von unten nach oben hochgelaufen und hatten rein gar nichts gefunden. Erst beim Abstieg stießen wir auf eine kleine Quelle, deren Wasser nach kurzem Lauf gleich wieder in einem Schluckloch verschwand. Wir unternahmen den ersten kurzen Vorstoß in das kleinräumige Teufelsschlingersystem. Sonst hatten wir nichts gefunden.
Zwei Tage später stiegen wir noch einmal hinauf, allerdings ohne Klaus Deubner, Er verweigerte, weil er der Meinung war, daß wir doch nur höchstens kleine Schächte finden würden. Er wäre nur mitgekommen, wenn es da auch eine Höhle geben würde, wo man sich aufrecht drinnen bewegen könnte, aber so etwas erwarte er dort nicht. Christian und Klaus waren noch mit der Vermessung des Teufelsschlingers beschäftigt, da begab ich mich schon wieder nach draußen. Frustriert davon, daß ich keine einzige gute Höhlenaufnahme im Kasten hatte, suchte ich noch einmal mit den Augen das Gelände ab. Da, 100 m oberhalb von mir, in einer Felswand, eine leichte Vertiefung im Fels, daneben noch eine. Ob es da vielleicht eine kleine Verbindung zwischen den beiden Dellen würde? Vielleicht konnte ich wenigstens eine Naturbrücke aufs Bild bannen. Ich mühte mich den Berg hoch, dauernd von Zweifels geplagt, ob das den Einsatz lohnen würde. Und dann der Moment: Das war so ein  Augenblick, den man als "Höhlen....", "-forscher" will ich mich gar nicht nennen,  vielleicht auch gerne einmal haben möchte: das war tatsächlich eine Naturbrücke, aber da war noch mehr. Unsichtbar von draußen, in dem kurzen Zwischenstück versteckt, eine Abzweigung, ein gerundeter Höhlengang, und zu allem Überfluß auch noch bewettert! Leichter kalter Wind strich heraus. Das war es, wonach wir alle einmal suchen....

In der Münchner Höhlengeschichte I steht die Geschichte und so manche hat sie sicherlich gelesen. Einmal waren wir schon drauf und dran, dort weiterzumachen - aber dann ließen wir es doch sein und fuhren lieber weiter nach Niederösterreich und besuchten das Geldloch im Ötscher. 

Es dauerte bis 1983, dann war eine neue Generation von Höhlenforschern herangerückt, die unsere Grenzen von damals gewaltig verschoben haben. Peter Lammerer war der Motor, Robert Spieler begleitete ihn und gemeinsam fanden sie den unscheinbaren Eingang in den Canyon1984 in einer Doline nahe des Gamsbemmerllabyrinths (ich bleibe bei "Gams" und verwende nicht das "neumodische" Gemse / "Bemmerl" sind die Verdauungsrückstände der Tiere, die wir im Eingang reichlich gefunden hatten). Die weitere Geschichte ist in dem lesenswerten Bericht von Stefan Glaser in der Münchner Höhlengeschichte II nachzulesen. Weitere Akteure tauchten im Eisgraben auf: die Forscher der Höhlenforschungsgruppe Mühlacker. Die hatten das richtige Kaliber und eine schier unerschöpfliche Begeisterung, um in den folgenden Jahren die Erforschung des nun Wildpalfensystems aufzunehmen. Irgendwann war die Luft draußen und seit vielen Jahren passiert dort oben nichts mehr. Immerhin 6 km Ganglänge sind erforscht worden bei einer Tiefe von ca. 400 m. 50 Höhlen sind nun bekannt, auch systematische zoologische Untersuchungen wurden durchgeführt. 

Irgendwann wird wohl eine neue Generation von Höhlenforschern kommen und weitermachen. Wir haben angefangen.

     
     
Gamsbemmerl-
labyrinth

(noch mit Blitzbirnchen ausgeleuchtet)

Literatur:

Glaser, Stefan Bayerns wilder Südosten: Der Eisgraben, Hagengebirge 1335, in: Münchner Höhlengeschichte II, München 2004
Kämper, Michael Suche nach Fortsetzungen im Gamsbemmerllabyrinth in der Hochalpen, Jahresbericht der Höhlenforschergruppe Rhein-Main, 9, 1987, Frankfurt a.M. 1988, 71-72
Klappacher, Walter, Knapczyk, Harald, Gesamtredaktion. Salzburger Höhlenbuch Band 3, Salzburg 1979
Klappacher, Walter Hagengebirge, in: Spötl et al., Höhlen und Karst in Österreich, Linz 2016
Lammerer, Peter Hagengebirge und Steinernes Meer - Neue Höhlen, neue Fragen, Der Schlaz 50-1986, S. 20f.
Lindenmayr, Franz Wie die Münchner das HAGENGEBIRGE wiederentdeckten, in: Münchner Höhlengeschicht, München 1982
Menne, Benjamin HAGEN 88, Beiträge zur Karst- und Höhlenkunde des Hagengebirges 6. - Mühlacker (Höhlenforschungsgruppe Mühlacker)
Menne, Benjamin Hagen 86, Der Schlaz 50-1986, S. 24f.
Menne, Benjamin Eisgraben / Wildpalfen, Der Schlaz 54-1987, S. 44ff.
Menne, Benjamin Wildpalfensystem - Die Forschungen des Jahres 1988, 58-1989, S. 46ff.

Links:

http://www.lawine.salzburg.at/tour/index2.php?id=15538

Landschaft und Höhlen im Hagengebirge, Salzburg/Bayern


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