Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen auf der bayrischen Seite des Untersbergs


Kurz vor dem Stöhrhaus 2019 / Cannstatterschacht 2002


> Cannstatter Schacht

> Schellenberger Eishöhle

> Nixloch und Mausloch bei Hallthurm

> Riesending-Höhle

> Untersbergüberschreitung von Maria Gern aus über das Geiereck, Salzburger und Berchtesgadener Hochthron und zurück nach Maria Gern

Der Untersberg, der "Hausberg" Salzburgs, sagenumwoben und heute viel besucht, war/ist "zweigeteilt". Es gibt richtige Grenzsteine, die die beiden Seiten teilen. Hic Bayern, dort Salzburg. Es ist gar nicht so lange her, da waren das noch gewaltige Staatsgrenzen und Weltanschauungslager, Deutschland/Österreich, der "Westen"/die "Neutralen", dann gab es Zeiten, da war das Eines, als "Österreich" heimgekehrt war zu Deutschland (Stichwort BRAUNAU), dann gab es da auch religiöse Gebietsabgrenzungen: Berchtesgaden - Salzburg, irgend jemand soll auf dem Wiener Kongress nicht richtig aufgepaßt haben, schwupps, schon war das Berchtesgadener Land drüben bei Bayern. Wie spannend Geschichte doch sein kann. 

Als unsere Vorvorhöhlenforscherväter sich mit den Höhlen südlich von Salzburg erstmals beschäftigt haben, auch weil sie zu Fuß erreichbar waren, da waren sie einfach in den Bergen unterwegs, am Untersberg und anderswo. Es gibt z.B. uralte, allmählich sich schon selbst zerstörende Bilder etwa von der Schellenberger Eishöhle, die im Bildarchiv des Landesvereins für Höhlenkunde in Salzburg aufbewahrt werden. Man ging da hin, wo man von Höhlen wußte, egal, wo sie lagen, und machte auch Photos darin, ohne von Photographierverboten zum Beispiel belästigt zu werden. Und man ging hin, ohne daß ein anderer Höhlenverein einem Vorschriften machen wollte, ob man dort forschen dürfte oder nicht. Da gab es einige Jahre hindurch ziemlich unschönen Grenzziehungen, deren Legitimitätsgrundlagen zumindest zweifelhaft waren.

Tatsächlich stellt sich heute ja heraus, daß alle Grenzziehungen, die Menschen vornehmen, im Grunde nur so etwas sind, wie ein "Schoaß" der Geschichte. Momentan haben sie gelegentlich sogar ihren guten Sinn, aber, "in the long run", da zerbröselt alles, löst sich auch chemisch auf, stürzt zu Tale und was noch alles für geologische Metaphern möglich sind. Wir würden Steine auf Friedhöfen verwenden, weil sie uns Menschen immer noch am ehesten die Vorstellung von "Ewigkeit" vermitteln würden auf dieser Erde, so ein Professor für Geologie auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema "Der Klang der Steine" im Frühjahr 2002 in Salzburg. Ist es so untröstlich, daß selbst der "Stein" vergeht, und nicht nur wir mit all unseren Werken? Auch der Stein, aus dem der Untersberg gebaut ist?

Höhlenforscher "freuen" sich eher darüber. Denn da gibt es plötzlich Möglichkeiten, in den geschichteten, gehobenen, gefalteten, "aufgefressenen" Stein auch physisch einzudringen. Da öffnet sich auf einmal ein Loch im Plateau, das nur noch runter, runter, runter geht. Selbst 170 m Seil reichen nicht, und drei Forscher, die sich diesem Loch widmen. Das Seilende baumelt im Leeren, in der Schwärze, weit unten hört man das Wasser rauschen.. (Als ich diese Zeilen schrieb, 2002, war das der Stand der Dinge. Ulrich Mayer, Marcus Preissner und Johann Westhauser wußten schon viel mehr. Ich nicht. Ich stieg ins Tal ab, sie gingen ins Loch. 21.55 Uhr / 11.08.2002)

Die frühesten Nachrichten über Höhlen auf der Bayerischen Seite des Untersberges gehen schon in die Zeit der Almwirtschaft auf der Zehnkaseralm zurück. Um die Höhlenbrunnen, wo das Wasser aus den Quellen bald wieder verschwand, rankten sich früher Sagen, bis dann die Höhlenforscher kamen und der Sache auf den Grund  gingen. Das im Tal liegende Mausloch, in dem zeitweise ein Bach entspringt, war immer schon bekannt, schon C.W. Gümbel hat sie in seiner "Höhlenkarte Bayerns", der ersten veröffentlichten Höhlenkarte der Welt, aufgeführt. Ähnliches gilt für das Nixloch bei Hallthurm, das schon in seinem Namen auf die Bergmilch hinweist, die man früher als Heilmittel verwendete. 
Schon ziemlich früh taucht als "Eisloch" der Eingang der Schellenberger Eishöhle in einer bayerischen Militärkarte von von 1826 auf. Die Forschungen beginnen erst viele Jahre später. Mit den Forschungen Fuggers ab 1876 werden auch das Hollerloch und das Goldloch bei der Mittagsscharte in den Wänden den Untersberg-Südwänden erstmals erkundet.
Auf dem Plateau um das 1901 errichtete Stöhrhaus scheint Czoernig 1921 der erste gewesen zu sein, der sich dort umsah, und dort das Mittagsloch und einige weitere Höhlen in den Umgebung erkundete und vermaß. 1951 wurde von der Bergwacht auf der Suche nach einem vermißten Bergsteiger von der Reichenhaller Bergwacht der Eingang zum Reichenhaller Schacht entdeckt. In den 70er Jahren wurde der Grund des 94 m tiefen Direktschachts erstmals durch Tobi Bossert und Kameraden erreicht. Sie waren Mitglieder im Schellenberger Höhlenverein, der damals sehr attraktiv auch für Leute war, die weiter weg lebten, z.B. im Münchner oder Stuttgarter Raum. Der größte Forschungserfolg gelang in der Kargrabenhöhle, deren Eingang schon 1928 entdeckt worden war, deren tiefster Punkt erst 1971 im "Tiefen Karstsee" erreicht worden ist.
Anfang der 80er Jahre begannen Höhlenforscher, die in der Arge Höhlenforschung Bad Cannstatt organisiert waren, mit der systematischen Erforschung des westlichen Plateauteils des Untersbergs. Noch 1995 schrieb Walter Klappacher im 6. Band der Salzburger Höhlenbücher darüber: "Nach unbestätigten Meldungen unternimmt die Gruppe alljährlich eine Forschungsfahrt, über die aber keine Unterlagen vorliegen" (S. 58). Dieser Zuständ ist längst beendet und es wurden inzwischen "Wissenschaftliche Beihefte" zur Vereinszeitschrift "Der Lehmpfuhl" veröffentlicht, in denen alle Beschreibungen und Pläne veröffentlicht wurden.

Die großen Hoffnungen auf ein Höhlensystem, das unter dem stark verkarsteten Plateau zwar vermutet, aber nie gefunden werden konnte, waren enttäuscht worden. Nun, wir leben ja in Zeiten des Klimawandels, was dazu führt, daß nun auch bei uns Eis und Schnee immer mehr zurückgehen, ja sogar ganz verschwinden. Wo früher einmal mit Schnee gefüllte Senken, Gruben und Schächte waren, da trifft man heute auf Schuttboden oder, wenn man Glück hat, auf ein offenes Loch im Boden. Die Cannstätter sind sicherlich schon früher am Eingang ins das heute "Riesending" genannte System vorbei gekommen, schließlich ist ja der Eingang in den Cannstatter Schacht nicht weit, aber damals war alles noch mit Eis und Schnee gefüllt. Aber sie waren halt "zu früh" dran. Im August 2002 kam dann der entscheidende Moment, aber der ist auf einer anderen Webseite beschrieben. Seither ist die Forschung in dieser Höhle nicht mehr abgerissen, es wurden riesige Forschungserfolge erzielt,  schließlich ist sie seit vielen Jahren die längste und tiefste Höhle Deutschlands, und ein dramatisches Ereignis hat sich dort abgespielt, die Rettung des verletzten Höhlenforschers Johann Westhauser in der größten jemals stattgefundenen Höhlenrettungsaktion 2014.

Mit dem Fledermauscanyon wurde in der nordwestlichsten Ecke des Plateaus unterhalb des Hirschangerkopfs von Jürgen Kühlwein und Marcel le Corre eine weitere sehr bedeutende Canyonhöhle entdeckt. Seit 1993 finden immer wieder Expeditionen statt, die höchste Ansprüche an die Forscher stellen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist man inzwischen bei einer Länge von 3.668 m und - 891 m angekommen. Der Endsee liegt in 743 m Seehöhe, was nur noch 50 m über dem nahen Talgrund am Pass Hallthurm liegt und in Bezug auf die Fürstenbrunner Quellhöhle, wo das Wasser wieder in 5 km Entfernung austritt, etwas 50 m darüber. Man sieht noch weitere Forschungsmöglichkeiten, insbesondere im Erklettern von Schloten, die zu bedeutenden Seitenteilen und Zubringern führen könnten.

Der bayerische Seite vom Untersberg von allen Seiten und von oben:

> Von Vorderbrand aus

< Vom Königsee aus

Von Plainburg aus
Zwischen Mittagsscharte und Berchtesgadener Hochthron
Von der Straße Reichenhall - Berchtesgaden aus in Richtung Aufstieg zum Stöhrhaus

 

Vom Preditgtstuhl/Lattengebirge

> Untersbergplateau

Die Innenseiten des Berges, teilweise aufgeschlossen in den begehbaren Höhlen.....

Schellenberger Eishöhle
Cannstatter Schacht
Mausloch
Mittagsloch
Riesending

 


Zweimal Berchtesgadener Hochthron 2019


Literatur:

Ambromeit, Lars, Peter, Carsten An diesem geschundenen Strick seilten wir uns ab, GEO Nr. 01/10, S. 100-114
Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt e.V., Redaktion Fred Kösling Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift "Der Lehmpfuhl" Sonderheft 1, Stuttgart 1988
Christandl, Markus Abstieg ins Ungewisse, TZ 5. August 2008, Seite 9
Czoernig-Czernhausen, Ing, Walther von Die Eishöhlen des Landes Salzburg und seiner bayrischen Grenzgebirge, Sonderabdruck aus den Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, LXIV. Jahrg. 1924
Emmer, J. Führer auf den Untersberg, Salzburg 1914, 4. Auflage
Francia, Luisa Ich machte mich auf die Findung, denn Sucherin bin ich keine, Der Grüne Zweig 130, Löhrbach ohne Jahresangabe
Hell, Martin Vergebliche Höhlensuche, ATLANTIS 1-1993, S. 46ff.
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg Salzburger Höhlenbuch Band 1, Salzburg 1975
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg, Gesamtredaktion Walter Klappacher Salzburger Höhlenbuch Band 6, Salzburg 1996
Matthalm, Thomas, Meyer, Ulrich Die Riesending-Schachthöhle im Untersberg, Die Höhle 2009
May, Rolf Höhlenforscher im Untersberg - Lasst doch die Kaiser schlafen!, TZ 5. August 2008, S. 2
Meyer, Ulrich Das Elferloch im Untersberg, Der Schlaz 99-2003, S. 8ff.
Meyer, Ulrich Neue Höhlen am Untersberg 1339, Münchner Höhlengeschichte, hrsg. vom Verein für Höhlenkunde in München, 2004, S. 257ff.
Meyer, Ulrich Der Fledermauscanyon im Untersberg - die zweittiefste Höhle Deutschlands, DIE HÖHLE 2013, S. 79ff.
Meyer, Ulrich Riesending: das große Aufräumen, in: Akten des 143. Nationalen Kongresses für Höhlenforschung, hrsg. von HRH, Interlaken 2019, S. 125ff.
Meyer, U. & Oertel, A. Der Untersberg. – Karst und Höhle 2004/2005: 38–43
Müller, R. Naturfreundehöhle, ATLANTIS 1-1983, S. 14f.
ohne Verfasserangabe Ein Riesending, diese Höhle! Forschung Sie ist die längste Deutschlands, Allgäuer Zeitung 19./20. Dezember 2009, S. 4
Pohlenz, Steffen "Es ist hoffentlich klar... oder Babsi's Brainstorm", Der Schlaz 75-1995, S. 38ff.
Posselt-Czorich, A. Höhlenwanderungen im Salzburger Kalkgebirge, 2. Folge, Zeitschr. des dt. und österr. Alpenvereins (Wien) 11: 258-275
Scheerf-Deskau, Dagmar Intensivierung Deutsch 6 Gymnasium Bayern - Deutschbuch Schülerheft zum Wiederholen, 2005, S. 11 (Abbildung des Mauslochs, Foto F. Lindenmayr)
Weidner, Christopher Mystische Orte in Oberbayern, München 2013

Links:

https://www.zobodat.at/pdf/Hoehle_064_0079-0089.pdf Fledermauscanyon
https://www.rsi.ch/la1/programmi/cultura/sottosopra/Sottosopra-6.7-9386917.html
https://www.atlasobscura.com/articles/the-rapture-of-the-deep-descending-into-germanys-harrowing-underground-realm
Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt
Stöhrhaus am Untersberg, DAV-Sektion Berchtesgaden
Stöhrhaus
Tour 55: BERCHTESGADENER HOCHTHRON


Landschaft und Höhlen des Untersbergs


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