Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Höhlen zwischen Königsfeld und Aufseß
- auf der Suche nach den "Urwohnungen"
"Ursprung ist das Ziel". Karl Kraus
"Ich glaube, dass es etwas Befreiendes hat zu erkennen, dass das, was einem über die Menschheitsgeschichte erzählt worden ist, nur ein Mythos ist." David Wengrow in einen SZ-Gespräch 31
"..jetzt erst suchte man Obdach: die Häuser
bestanden aus Höhlen, (tum primum subiere domos: domus antra fuerunt)
auch aus dichtem Gesträuch und aus Ruten, von Rinde umkleidet; (et densi
frutices et vinctade cortice virgae.) Ovid,
Metamorphosen
Johann Engelhardt - der Erforscher der "Urwohnungen"
Über die Arbeit von Johann Engelhardt "Urwohnungen und Funde aus der Steinzeit" aus dem Jahre 1868 bin ich auch auf die kleinen Höhlen im obersten Aufsesstal (und Wiesenttal) gestoßen.
Engelhardt, damals Pfarrer in Königsfeld, hat schon vor 150 Jahren untersucht, ob die kleinen Höhlungen einstmals den Menschen als Wohnstätte gedient hatten. Die Anregung dazu hatte er u.a. von der Grabung in der Aurignac-Höhle an der Nordseite der Pyrenäen durch Lartet und Christi und der Lektüre von Lyells Buch "Geological Evidences of the Antiquity of Man" bekommen.
Mit "Höhle" sind die Felsobjekte, die damit bezeichnet wurden, nur unzureichend beschrieben. Es handelt sich meist um Felsdächer, die immer wieder nur so tief sind, daß man meist gerade noch darunter stehen kann. Wenn es regnet, dann ist die Trauflinie ganz nahe. Eine Tiefenerstreckung in den Berg ist selten. Vielleicht ist aber der heutige Zustand auch schon ein anderer, als der, den Engelhardt damals noch vorgefunden hat.
Das Objekt in Sachsendorf bezeichnet als Urwohnung, die "irgend eine Urwohnung sicher zu nennen, so ist es diese". 35' hoch über dem Talgrund ist sie, hat eine Feueresse, der Zugang war schon damals "beschwerlich", vor der Wohnung gibt es ein Fischwasser, in der Nähe eine Quelle und gleich zwei einmündende Täler".
Ich habe im August 2020 einmal geschaut, wo sie sein könnte, fand auf einer Karte ein Höhlenzeichen und dann tatsächlich eine Felsnische auf einer Plattform, die einmal Menschen geschaffen hatten, oberhalb einer weiteren Plattform und die wiederum oberhalb eines Gebäudes, das aussah, als ob da früher eine Gaststätte gewesen war/ist (Biergarten Waldhaus). Wenn das die typische Urwohnung ist, dann braucht man sich wirklich nur eine anzusehen - "if you have seen one, you have seen them all". Es sieht ein wenig so aus, als sei da einmal ein Steinbruch gewesen und wir haben nur das, was übrig geblieben ist, vor uns. Wie an so vielen anderen Stelle unserer ausgeplünderten Erde.
Tatsächlich suchte ich die Höhlen an der falschen Stelle, wobei die richtige nur wenige Meter weiter liegen. Zu sehen sind sie allerdings im Sommer heutzutage gar nicht, im Winter nur schwer und man muß schon wissen, wo man schauen muß. Am besten ist es, das Bild aus dem Engelhardt-Text zu nehmen und die Gegend damit zu vergleichen. Hat man die Lage einmal ausgekundschaftet, dann heißt es hinzugelangen, was einigermaßen mühsam ist. Der Hang ist heute, 2021, vollkommen verwildert und man muß sich erst einmal den Weg bahnen, ehe man hinkommt. Die Eingänge sieht man erst im letzten Moment, wenn man praktisch schon davor steht.
Es sind zwar bei kleine Höhlen, aber nur eine würde sich nur zur "Bewohnung" eignen. Sie hat zwei wichtige Grundvoraussetzungen: Der Boden ist flach und die Decke hoch genug, damit man stehen kann. Eine Familie könnte sich hier einige Zeit aufhalten, vielleicht für kurze Zeit, wenn gerade wieder das Dorf niedergebrannt oder beschossen wird, aber wer möchte hier wirklich für Jahre bleiben?
Der weitere Verlauf meiner "Forschungen" zeigte und zeigt, wie falsch ich wohl gelegen habe, aber Umwege und Irrtümer sind eben ganz normal bei Versuchen z.B. Altes wieder zu finden. Einmal gewonnenes "Wissen" bleibt nicht für immer. Es will immer wieder errungen sein. Das ganze Schul- und Universitätswesen sollte ja eigentlich dazu da sein, um einiges von dem, was uns noch oder schon bekannt war, für die hoffentlich noch nachkommenden Generationen aufzubewahren und weiterzugeben, was mal gelingt, mal auch nicht.
Ich habe mich an den HFA-Kataster gewendet, und habe umgehend wertvolle Informationen von Brigitte Hilpert bekommen. Und auch Horst Kirchhöfer, der bei der FHKF den Kataster betreut, war sehr behilflich. Nun versuche ich, die Daten mit der "Welt" in Übereinstimmung zu bringen. Wer meint, daß das eine einfache Sache sei, der hat es wohl noch nie selber probiert. Aber das macht ja die Sache auch so spannend. Denn schnell wird deutlich, wie sehr "Vorlage" und "Abbild" in aller Regel von einander abweichen. Auf allen Ebenen.
Inzwischen weiß ich, daß die Höhlenwohnung bei Sachsendorf wohl ein wenig woanders liegt. Im Kataster scheint sie als "Buchleitengrotte" oder "Pöppelloch" auf, hat eine Eingangsbreite von 2,5 m und eine Eingangshöhe von 2,5 m und eine "Eingangsrichtung" ist noch nicht festgestellt worden. Dann gibt es auch GKs der Höhle, die ich in den BAYERNATLAS eingegeben habe. Es tauchte ein Symbol auf, irgendwo auf einer Fläche. Der Blick auf das Luftbild zeigte nur Wald. Es bedarf wirklich noch des persönlichen Augenscheins, um unter das Nadeldach zu sehen, um letztendlich das zu finden, wonach ich dauernd suche. Vielleicht beim nächsten Mal.
Am 26. März 2021 hab ich noch einen Versuch unternommen und tatsächlich von außen einen Blick draufgeworfen. Nach mühseligster Suche den Hang hinauf und hinunter war ich schon am Aufgeben. Mit geschultestem Auge sah ich dann beim Weggehen, daß die Öffnungen einfach oberhalb des kleinen Gebäudes in den Felsen liegen. Ich hatte immer auf der anderen Seite des Felsens gesucht. Beim nächsten Mal.
Im März 2021 machte ich mich einmal auf, um bei Königsfeld das "Kirchbergloch" oder die "Kirchberggrotte" zu finden. Das schien ja nur eine "Gmaade Wiesn"-Aufgabe zu sein. Ein "Kirchberg" war doch wohl zu finden, zumal es in Königsstein eine große dominante Kirche gibt (die der Arbeitsplatz von Engelhardt gewesen war). Auf dem Friedhof liegt Engelhardt im Priestergrab begraben. Allerdings waren im Kataster nur überall "k.A."-Angaben bezüglich des Zustands, der Breite, Höhe des Eingangs und der Eg-Richtung". Als alter Hase dachte ich mir, daß ich damit doch zurechtkommen sollte.
Hinter der Kirche führt eine in die Jahre gekommene Teerstraße entlang des Hanges. Immerhin ist da ein größerer Parkplatz, wo man das Fahrzeug stehen lassen kann. Dahinter geht es ein wenig noch den Hang hinauf und dann ist man wirklich "oben" angekommen. Das mußte wohl der "Kirchberg" sein. Etwas überraschend zeigen sich sogar ein paar isolierte Felsklötze. Die waren nicht zu übersehen und darin mußte sich doch wohl dieses Kirchbergloch irgendwo auftun. Zuversichtlich zog ich die Bergschuhe an und begann die Prospektion.
Nichts. Ich erreichte die Hochfläche. Jenseits ging es nur noch bergab. Ein auffälliges 2 m hohes Felsenstück ragt kess aus der Wiesenfläche, angrenzend an eine Pferdekoppel. Kleines Buschwerk, ein Querweg, jenseits davon ein frisch gepflügter Acker. Der Querweg ist auch als Wanderweg ausgewiesen, eine Kapelle, weiter nichts. Ich ging zurück zur Hangkante. Da waren vielleicht wieder Felsen. Unterwegs eine kleine Senke, aber die war gleich wieder zu. Tatsächlich, da war in der Nähe der Straße ein Felsklotz, sogar mit einem eisernen Kreuz drauf. Bei seiner Umkreisung im Jungwaldgelände war nichts außer einem winzigen schwarzen Fleck im Wandsockel zu sehen. Ob das das gesuchte Loch war? Mühsam ging es wieder hinauf und - nicht hinein. Die typische Nische mit nichts dahinter. Für den Botaniker war der Ort interessant, aber nicht für den Höhleninteressierten. Er enthält absolut kein "Geheimnis".
Ich ging zurück zur Straße und wollte zurück zum Parkplatz. Aber da war wieder ein Felsen. Groß, nicht zu übersehen. ein Fahrweg führte hinauf und zu einem ansehnlichen Haus, das direkt an die Felswand gebaut ist. Kleinere Gebäude daneben, das war wohl wieder so eine der Ausschankstätten, die früher aufgesucht worden waren, um ein guts Leben zu führen. Und wenn man ein wenig nach links oberhalb des Hausdachs schaute, da schien die Öffnung einer Höhle zu sein. Ein Kluft schien hinein zu führen, nicht weit, weil der Felskopf nur klein war. Aber das Ende war von unten nicht auszumachen. Also galt es das Schild zu ignorieren, daß das Betreten wegen Privatbesitzes verboten sei, und ich bewegte mich entfernt davon durch den Wald hinauf zum Spalt. Keine Überraschung. Das Ende war sofort zu sehen. Er verengte sich sofort nach hinten. Ich ging trotzdem hinein. Das klassische Eingangsphoto von innen nach draußen war nicht möglich, weil ich nicht weit genug hinein konnte. Wer sich hier bei Regen länger hätte aufhalten hätte wollen, der hätte das höchstens in Hockerhaltung tun können. Wenn er sich hingelegt hätte, dann wären ihm feuchte Füße sicher gewesen.
Warum ich da so ausführlich davon berichte? Engelhardt hat die "Urwohnung Nro.4" im Aufseestal" so beschrieben: "Erst bei Königsfeld an einem grossen Felsen, vis a vis des Seufferts-Felsenkellers findet sich eine ganz rund ausgehauene kleine Wohnung und 20' daneben eine Feueresse, ja, dass früher sich an Stelle des genannten Kellers eine Wohnung befunden haben muss, lässt sich mit Gewissheit vermuthen." (S. 65).
War ich nun beim Seufferts-Felsenkeller? Ein Name steht keiner dran, aber ansonsten war ja auch nichts anderes zu sehen? Und eine "rund ausgehauene kleine Wohnung"? Um die Unklarheiten noch zu vermehren, habe ich jetzt festgestellt, daß bei Eingabe der Katasterangaben in den BAYERNATLAS das Kirchbergloch nicht im Felshang liegen soll. Es soll sich in der Wiesen-, Buschfläche oberhalb befinden. Gibt es also vielleicht mehrere Objekte? Die Jagd geht weiter.
Am 25. März 2021 unternahm ich noch einen Versuch. Vorausgegangen war ein intensives Gespräch mit Renat Illmann, die sorgsame Hüterin vieler Katasterunterlagen aus diesem Gebiet. Es gibt ja z.B. ein scharfer Schwarzweißphoto des Eingangs in die "Kirchberghöhle" von Prof. Heller aus der Zeit um 1930. Eindeutig war da nicht auszumachen, ob ich das selbe Objekt gesehen und photographiert hatte. Schließlich sind ja fast 100 Jahre seither vergangen. In den Bayernatlas eingetragene Katasterkoordinaten verwiesen auf eine Lage der Höhle, die weiter auf der Hochfläche wäre. Ich untersuchte noch einmal die Fläche und stieß dort auf einen Wasserbehälter, der aufgeschüttet, mit Sträuchern bewachsen und über eine Steintreppe erreichbar war. Wieder keine Höhle. In der Nähe ist noch ein ganz kleines Felsabri, eine härtere Gesteinsschicht liegt auf einer leichter zerfallenden, so daß eine Felsnase von nicht einmal einem Meter weiter hervorragt. Mehr konnte ich nicht finden.
März 2021
Königsfeld mit Kirchberg im Hintergrund | ||
Königsfeld/Kirchberg
2021 |
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25. März 2021 | ||
Aufsessquelle |
Die kleinen Höhlen in Sachsendorf könnten das Modell für die Urwohnungen nach Engelhardt abgeben.
Sachsendorf | ||
25. März 2021 | ||
Juni 2021 | ||
Weiter aufseßaufwärts kommt man in die Dörfer Drosendorf und
Voitmannsdorf. Dort gibt es, zugewachsen mit Gestrüpp, einen Felsüberhang, von
dem Engelhardt besonders geschwärmt hat. Wegen seiner Größe hielt er ihn gar
geeignet für einen Versammlungsplatz oder eine Art "Tempelurwohnung".
Auf dem beigefügten Bild sind sogar zwei zu sehen. Die Details kann man ja in seiner Arbeit im Internet nachlesen.
Im Fränkischen Höhlenkataster sind die Objekte als C 191 a, b und c als
"Unteres Schmiedstein-Abri", "Oberes Schmiedstein-Abri" und
als "Schmiedstein-Nische" aufgeführt. Sogar ein Aluplättchen mit der
Nummer 191 hat man an der Wand angebracht. Dahinter ist die Wandfläche rot
angestrichen. Was waren wohl andere.
Auf der anderen Seite des Tales ist eine Felsgruppe zu sehen. Mit ihr hat eine
besondere Bewandtnis, denn auf dem Gelände darüber haben lange Zeit im
Spätneolithikum in einer Siedlung gelebt. Sie wurde um 2.000 herum von den
Archäologen ausgegraben und die Ergebnisse publiziert.
Eine "Esse"? | ||
März 2021 |
Bei Kotzendorf liegen im bewaldeten Aufsesstalhang einige kleinere Felsgruppen. In ihnen liegen mehrere sehr kleine Höhlen, die alle inzwischen im Kataster als Bühlgrotten erfaßt sind. Für irgendwelche Wohnzwecke sind sie viel zu klein.
25. März 2021 | ||
Das ansehnlichste "Höhlenobjekt" in der Umgebung von Königsfeld, das es dort gibt, scheint das "Hörnersteinabri" zu sein. Kurz nach Königstein durchquert die Straße nach Treunitz ein Trockental. Folgt man diesem nach rechts, dann ist schon von weitem eine große Kalkfelswand zu sehen. In ihm liegt das ansehnliche Objekt. "Höhle" dazu zu sagen, wäre vermessen. Es ist viel breiter als tief, aber trotzdem ansehnlich. In die Wand dahinter hat irgend jemand einmal eine Felsnische geschlagen und eine Marienstatue hineingestellt. Da Boden ist bedeckt von Schafscheiße. Offenbar wird das Abri genutzt, um den Tieren Wetterschutz zukommen zu lassen. Und was Schafe hinpassen, da könnten auch Menschen einige Zeit zubringen. Außerdem öffnet sich das Abri nach Süden, so daß es bei Sonnenschein ein sehr angenehmer Aufenthaltsort ist.
Literatur:
Dürr, A., Müller, J., Riedmüller, A., Schulz, W., Seregely, T., Tillmann, A. | Die endneolithische Siedlung Voitmannsdorf (Lkr. Bamberg), Ergebnisse der Lehr- und Forschungsgrabung 2001, www.jungsteinSITE.de, 2004 |
Engelhardt, Joh. (1868) | Urwohnungen und Funde aus der Steinzeit, Bericht
der naturforschenden Gesellschaft Bamberg – S: 55 - 91 https://www.zobodat.at/pdf/Bericht-Naturforsch-Ges-Bamberg_8_0055-0091.pdf |
Ovid | Metamorphoses / Verwandlungen, dtv, München, 10. Auflage 2003 |
Vollrath, Friedrich | Höhlen der mittleren Frankenalb als Wohnplätze in den vorgeschichtlichen Metallzeiten, in: Jahreshefte für Karst- und Höhlenkunde - Die nördliche Frankenalb, hrgs. vom Verband der Deutschen Höhlen- und Karstforscher, München 1966 |
Wengrow, David - im Gespräch mit Marlene Weiß und Jakob Wetzel | Geschichte als Mutmacher - Könnte die Menschheit auch viel freier, kreativeer und gerechter zusammenleben, als sie es tut? Ein Grundsatzgespräch mit dem britischen Archäologen David Wengrow, SZ Nr. 185, 12./13.08.2023, S. 31 |
Links:
https://web2.cylex.de/firma-home/biergarten-waldhaus-gaststaette-12328613.html
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