Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Eberstadter Tropfsteinhöhle und ihre Umgebung, Hessen, D


Im Bauland, einer Muschelkalklandschaft östlich des Buntsandstein-Odenwaldgebiets war schon seit langem eine Höhle bekannt, der "Hohle Stein". Der Flurname ist schon auf alten Karten verzeichnet. 1953 versuchte der damals gegründete "Verein für Heimat und Höhlenforschung" die Höhle begehbar zu machen. Man schaffte den Lehm aus der Höhle und errichtete über der Höhle ein Häuschen. Zwei Gänge von rund 100 m Länge öffnete man zeitweise für Besucher. Nach Regenfällen füllte sich die Höhle wieder mit Wasser und Lehm und die mußten erst wieder herausgeschafft werden, eh wieder ein zivilisierter Zugang möglich war. Aufwand und Ertrag standen in keinem Verhältnis mehr zueinander und das Projekt wurde wieder aufgegeben.

Am 13. Dezember 1971 wurde nicht weit entfernt, in dem Muschelkalksteinbruch, bei Sprengarbeiten 8 m über der Steinbruchsohle ein Loch freigesprengt, 2 m breit und 1 m hoch. Eine Lehmschicht von 1 bis 1,5 m Dicke bedeckte den Boden, darauf stand das Wasser 10 bis 15 cm hoch über dem lehmig-weichen Grund. Schnell verbreitete sich die Nachricht und viele Besucher machten sich auf den Weg, um sich selber ein Bild zu machen. Schon am nächsten Tag berichteten Presse und das Fernsehen von der Entdeckung. Der Ansturm an Besuchern war wohl groß und sofort hatte das tragische Folgen.

Die Jagd nach "Souvenirs" führt gleich dazu, daß etliche Tropfsteine abgeschlagen wurden und drei der schönsten gleich dazu, feine Kristallbälle an der Spitze von Sinterröhrchen, die ins Wasser ragten. Heute sieht man einen davon wieder in der Höhle. Ein unbekannt gebliebener Entwender schickte ein Expemplar zurück und das hängt heute an der Spitze eines Plastikröhrchens wieder von der Decke. Um das zu schützen, was heute noch da ist, ist die Stelle heute mit einem Stacheldrahtzaum abgesichert - ein schön-gräßliches Beispiel dafür, was Mensch und Höhle für ein Verhältnis miteinander entwickeln können.

Schon 3 Tage nach der Entdeckung beschloß der Gemeinderat, die Tropfsteinhöhle zu einer Schauhöhle auszubauen. Sie wurde abgemauert und mit einer aufbruchsicheren Tür versehen. Im September 1973 wurde sie bereits als Schauhöhle eröffnet. Das Ganze wurde eine Erfolgsgeschichte. Sofern die veröffentlichten Zahlen stimmen, dann ist heute (2010) die Eberstadter Tropfsteinhöhle die drittmeist besuchte Schauhöhle Deutschlands, nach Teufelshöhle und Bärenhöhle. 3,6 Millionen Menschen sollen sie schon besucht haben.
Bemerkenswert ist, daß die behindertengerecht ausgebaut wurde, wohl auch, weil die Geologie das möglich machte. 2,3 Prozent der Besucher sind gehbehindert bzw. in einem Rollstuhl. Der Boden ist meist mit Platten belegt und steigt nur etwa 40 m von Eingang zum hintersten Punkt in etwa 600 m Entfernung an. An einer einzigen Stelle war eine Versturz- und Versinterungszone zu überwinden, beim "Vesuv", die man mit einem kurzen Stollen umging.

Die Höhle ist denkbar einfach zu begehen. Meistens kann man aufrecht in dem einzigen Gang, dessen Höhe zwischen 2 und 9 m schwankt, bei einer Breite zwischen 2 und 7 m. 20 mal knickt der Felsschlauch an den Schnittstellen der Hauptkluftrichtungen ab. Wäre nur den nackte Felsgang vorhanden, dann wäre ein Besuch schon etwas monoton, aber es ist ja nicht so. Man findet nämlich etliche Sintergebilde, die recht ansehnlich sind, die "Weiße Frau von Eberstadt", die "Große Familie", der "Vesuv", die "Hochzeitstorte", die "Höhlenorgel", der "Haifischrachen" usw.

Vor dem heutigen Höhleneingang steht ein Führerhaus, in dem man in einem Nebenraum sich die Wartezeit verkürzen kann, in dem man einen Videofilm über die Höhlen des Baulandkarstes anschaut, in den auch bereits die neuesten Entdeckungen in "Hohlen Stein" Eingang gefunden haben. Daneben steht dann auch das Gebäude des Restaurants "Seeterrasse". Im Bau ist momentan, 2010, das neue Eingangsgebäude der "Eberstadter Höhlenwelten". Zum Gesamtensemble der touristischen Erschließung gehört ein Geologischer Lehrpfad, der auf Schautafeln die Entstehung der Höhle und die wichtigsten geologischen Formationen in Baden-Württemberg erklärt.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt doch noch. Vor dem Besuch erschallt aus einem Lautsprecher die standardisierte Besuchervorinformation. Sie gipfelt dann in der Verkündung der "Goldenen Regeln für den Höhlenbesucher". Daß man nichts vom Tropfsteinschmuck mitnehmen dürfe und daß man nichts berühren solle (an einer Stelle gibt es dann doch einen Stalagmiten, den darf man berühren, der wird einfach "geopfert" dem unwiderstehlichen Berührungsbedürfnis der Besucher), das kann auch ich nachverfolgen. Warum man allerdings nicht photographieren darf? Das hat bis heute noch niemand wirklich glaubhaft begründen können, und das wurde dort auch nicht getan. Das bekommt niemand überhaupt mit, wenn man digitale Bilder macht und den Blitz ausschaltet.

 
 
 
   
 
 
 
   
   
   
   

 

 

Die Eberstadter Höhle endet in schmalen verschlammten Gängchen, aber sie setzt sich fort. 2006 wurde bei Steinbrucharbeiten in genauer Verlängerung der bisherigen Richtung die Kornäckerhöhle gefunden. Sie ist heute auf 220 m Länge erkundet mit einem weiten Saal mit über 20 m Höhe.

Zurück zum Hohlen Stein. Nach der Entdeckung der Eberstadter Tropfsteinhöhle nahm man auch die Forschungen dort wieder auf. Auf einen 70 m langen Gang folgt ein 25 cm hoher Spalt, der erst nach 100 m wieder etwas größer wird. Der Querschnitt ist ellipsenförmig, eng und liegt zeitweise unter Wasser, was eine Tour mit "hard core"-Charakter verspricht. 1977 wurde eine Engstelle überwunden und weitere 900 m vermessen. Dann versperrten massive Sinterbildungen den Weg, die erst 1985 überwunden werden konnten. Bis 2006 waren mehr als 3 km Strecken erkundet, aber auch das könnte noch nicht das Ende sein. Soll man für die Öffentlichkeit auch diese Hohlräume erschließen? Eine offene Frage.

In der Umgebung gibt es noch mehr Karsterscheinungen. Im Rehgrund bei Hettingen zeigen sich etliche Dolinen, als Karstquellen treten die Morre bei Hettingen, der Rinschbach in Rinschheim, die Nächst in Götzingen zu Tage.


Literatur:

Dobat, K., Eichler, H., Franke, H.W., Fritz, G., Binder, H. Die Eberstadter Tropfsteinhöhle, hrsg. vom Verband der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V., Abhandlungen zur Karst- und Höhlenkunde. 5. erweiterte Auflage. Reihe A, Speläologie, Heft 12, Blaubeuren 1998
Fischer, B., Hauck, W., Kammerer, G. und W., Schwab, J., Zemelka Eberstadter Höhlenwelten, in: Der Wartturm - Heimatblätter des Vereins Bezirksmuseum Buchen e.V., Buchen 2006
Kempe, Stephan, Hrsg. Welt voller Geheimnisse - Höhlen, HB Bildatlas Sonderausgabe 17. HB Verlags- und Vertriebs-Gesellschaft, Hamburg 1997
Becksmann, Ernst Geologische Beschreibung der Höhle "Hohler Stein" (Gemarkung Eberstadt), in: Abhandlungen zur Karst- und Höhlenkunde, Reihe A, Speläologie, Heft 16, Blaubeuren 1977
Henne, Peter Geologisch-physikalische Untersuchungen über der Eberstadter Tropfsteinhöhle, in: Abhandlungen zur Karst- und Höhlenkunde, Reihe A, Speläologie, Heft 16, Blaubeuren 1977
Himmler, Karl u. Wormer, Oliver Über einige Höhlen der näheren Umgebung von Buchen-Eberstadt, in: Abhandlungen zur Karst- und Höhlenkunde, Reihe A, Speläologie, Heft 16, Blaubeuren 1977
Hoydem, Andreas Das Eberstadter Höhlensystem - eine präquartär angelegte Riesenhöhle, Laichinger Höhlenfreund 2007, S. 111ff.

Links:

http://www.tropfsteinhoehle.eu/index.php?id=17/

http://www.neckar-odenwald.city-map.de/02010500/eberstaedter-tropfsteinhoehle

http://themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/10740/?path=7160;10736;

http://wandern-im-odenwald.kruemelhuepfer.de/wanderungen/fraenkischer-odenwald/wartturm-hoenehaus-dolinen/

http://limeswanderung.blogspot.com/2009/09/limes-von-reinhardsachsen-nach-bofsfeld.html

http://www.naturpark-neckartal-odenwald.de/

Eberstadter Höhlenwelten

Stadt Buchen (Odenwald)

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