Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Teufelshöhle bei Steinau, Hessen


Wer an einem Dienstagfrüh im Juli 2017 auf den großen Parkplatz am Zugang zur Teufelshöhle bei Steinau fährt, der sieht exakt, was er erwartet hat: Leere. Kein Mensch war da, nur im nahen Gasthaus, das früher wohl "Zur Tropfsteinhöhle" hieß und jetzt "Eulenspiegel", waren Arbeiter zu Werk. 

Jede Menge Bandenwerbung für die Höhle, eine Informationstafel, einige Wanderwegschilder. Ich folgte dem offiziellen Weg und stieg auf geschottertem Weg bergan. Eine kleine Schlucht war zu queren, wildes Gestrüpp lag drinnen, offenbar wird nun auch hier "Wildnis" wieder zugelassen. Dann war zuerst ein DIXI-Klohäuschen zu sehen, dann ein barackenartiges Haus. Offenbar wird von dort der Schauhöhlenbetrieb verwaltet. Man kann dort die Eintrittskarten erwerben, bekommt man den Wanderstempel auf Verlangen und den Helm ausgehändigt, dessen Aufsetzen an oberster Stelle der Höhlenordnung steht. An der Wand hängt gleich noch die Begründung dafür, warum das so "zwingend" ist. Offenbar gibt es viele Nachfragen. Kein Wunder. An zweiter Stelle kommt dann gleich das Photoverbot in der Höhle, womit man bei mir sofort einen Ablehnungseffekt erziehlt hat. Ich besuche keine Schauhöhle mehr mit Fotoverbot! Eine Begründung dafür hängt nicht an der Wand des Schauhöhlenhäuschens.

Geradeaus geht es in Richtung Berg bis zum verschlossenen Tor. Zwischen den freigelassenen kleinen Fugen kommt der kalte Wind einem entgegen. Ursache dafür ist wohl der höher gelegene zweite Schachteingang, durch den die Luft hereinkommt und unten wieder herauszieht.

Nur wer sehr starkes Interesse hat, der wird sich aufmachen und die Treppen aus alten Eisenbahnschwellen nach oben verfolgen und, sobald er die Hochfläche erreicht hat, nach rechts abbiegen. Ein auffälliger Maschendrahtzaum umgibt ein Areal mitten im Wald. Zuerst sieht man keinerlei Grund dafür, aber wenn man sich weit genug entlang des Zauns fortbewegt hat, dann sieht man in der Mitte ein Stahlgitter. Darunter liegt der Eingangsschacht, der bis in die Schauhöhle hinunterreicht. Viel sieht man nicht davon und der Zaun ist unbeschädigt, so daß man nirgends momentan näher hinkommt. 

Dieser Schacht war der Grund für die Entdeckung der Höhle im Unteren Muschelkalk. Die Überlieferung bezeichnet das Jahr 1584 als den Zeitpunkt, wo die "beste Kalbin des Kuhhirten Jox Mellmann" samt dem Höhlendach eingebrochen sei. Heimatforscher meinen herausgefunden zu haben, daß nur wenige Jahre später der offene Schacht zur Entsorgung der Gebeine der Jagdhunde des Grafen von Hanau, die früher an einem bestimmten Ort begraben worden waren und wegen Bauarbeiten verlegt werden sollten, dorthin gebracht wurden und in den Schacht geworfen wurden. Immerhin waren das zwischen 300-400 Individuen. In den Schacht wurden noch andere Dinge geworfen - vor allem Basaltsteine! Es soll eine zeitlang zu den Fronpflichten der Bauern gehört haben, einen solchen Stein in den Schacht zu werfen, damit der allmählich gefüllt werden sollte. Man glaubte ja noch, daß dort unten ein Zugang zur Hölle sei und daß man den verstopfen müßte. Eine 2-3 m mächtige Schicht bildete sich auf diese Weise. Unter dem Schacht war im Laufe der Jahre ein hoher Schuttkegel entstanden, so daß früher eine 12 m lange Leiter genügte, um bis zum Grunde des Schachtes zu kommen. Bei einer Grabungsaktion im Juni 1911 untersuchten Drevermann und Strunz von der Senckenbergschen Naturforschenden Gesellschaft den Haufen und entfernten dabei die 500 m³ Füllmasse. Spektakulärster "Fund" war ein "fossiler Menschenschädel", der die Aktion überhaupt angeregt hatte. War anfangs noch von einem "jugendlichen Neandertaler" die Rede oder von einem "Pygmäen", wollte ein Mineralienhändler sogar 8.000 Mark für das Stück bezahlen, stellte sich am Ende alle doch als Fälschung heraus. In Wirklichkeit war es ein Schimpansenschädel aus Afrika, dem eine Stammtischgesellschaft aus Steinau für einen Streich präparierte und dem Grabungsleiter Rappe unterjubelte.

Wann wurde die Höhle erstmals besucht? Ein schönes kleines Beispiel, wie wenig man Gedruckten glauben sollte, findet sich schon in dem "Hessenband" von Karst und Höhle 1985. Da heißt es auf Seite 200: "Die Höhle selbst wurde 1898 zum ersten Mal befahren" und 3 Seiten weiter: "Im Anschluß an die ersten Befahrungen der Höhle im Jahre 1862..". Wann war es jetzt? (Siehe Hillesheim-Kimmel). Die "Chronik" auf der Webseite der Höhle erwähnt einen 1909 bildete sich ein "Verein zur Aufschließung der Teufelshöhle bei Steinau" um den Straßenmeister Lüders, der dann 1911 ins Vereinsregister dann eingetragen wurde. 1908 beginnt man den Erschließungs- und Grabungsarbeiten. Der 1. Weltkrieg führt zur Einstellung der Arbeiten. 1929 wird der Schauhöhlenbetrieb offiziell eröffnet, gleich mit elektrischer Beleuchtung, nachdem man vorher schon mit Karbid geführt hatte. Für das Jahr 1933 erwähnt die Chronik, daß "führende Persönlichkeiten aus Nazikreisen der Höhle einen Besuch abstatteten, neben Vereinen, Schulklassen usw... Während des 2. Weltkriegs ist wieder geschlossen, 1953 macht man weiter. 1962 und später sucht man nach neuen Hohlräumen, auch mittels Bohrungen im Gelände bei der Höhle. 1983 vermessen Karl Stein und weitere hessische Höhlenforscher die Höhle. Ihr Ergebnis: Gesamtlänge (einschließlich Zugangsstollen) 177 m, Höhenunterschied 24,9 m. Bei der Länge muß man wohl fast 70 m abziehen. 

Die Höhle liegt heute in einem Naturschutzgebiet, das auch die Region im Umkreis umfaßt, z.B. die sog. "Lochwiese", was bildhaft wiedergibt, was dort gelegentlich passiert. Ein Bach fließt in der Nähe, der unterhalb der Höhle in einem Ponor verschwindet, der allerdings unbefahrbar eng beginnt.

Man versucht, mit verschieden Maßnahmen, die Attraktivität der Höhle zu steigern. Man bietet Sonderführungen z.B. für Kindergeburtstage an, während der Walpurgisnacht am 30. April hat man lange geöffnet und bietet den Kindern ein richtiges Spektakel, in einer eigener "Sinnesführung" schaltet man das elektrische Licht aus und marschiert nur mit Taschenlampen durch die Räume, in der sog. "Klimakammer", einem speziellen Raum in der Höhle, können sich Menschen mit Lungenerkrankungen länger aufhalten.

 

 

     
     

Literatur:

Böhm, Ronald Karst und Höhlen in der hessischen Rhön, im Vogelsberg und im Spessart, KARST UND HÖHLE 1984/85, Beiträge zur Karst- und Höhlenkunde in Hessen, 1985, S. 199-200
Hillesheim-Kimmel, U. et al Die Naturschutzgebiete in Hessen. Institut für Naturschutz Darmstadt, Schriftenreihe XI, 3, 1978
Klein, E.G. Die Teufelshöhle von Steinau, Hessische Heimat  7. Jg. 1955, Nr. 23
Stein, Karl Vermessung der Teufelshöhle, Jahresberichte der Höhlenforschergruppe Rhein-Main, Heft 1984, S. 14-18
Stein, Gerhard Die Ausgrabungen in der Teufelshöhle bei Steinau, KARST UND HÖHLE 1984/85, Beiträge zur Karst- und Höhlenkunde in Hessen, 1985, S. 203-206

Links:

http://www.tropfsteinhoehle-steinau.de/

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