Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Veledahöhle, Sauerland, D


Was ist eine Höhle? Sie ist, unbestritten, ein Geotop. Sie ist, auch längst erkannt, ein Biotop. Noch wenig akzeptiert scheint mir die Idee, daß sie auch "Psychotope" sind (Den Ausdruck habe ich vor vielen Jahren mal in einer Sendung des Österreichischen Fernsehens über die Wiener Ringstraße erstmals gehört, aber sofort war mir klar, daß auch die "Höhlen", die ja ein anthropozentrischer Begriff ohnehin sind, darunter fallen). Viele Höhlen, die etwa in entlegenen Regionen auch unserer Hochgebirge liegen und die nur dem ganz kleinen Kreis der Höhlenforscher bekannt sind, die spielen nur eine sehr geringe Rolle auch als "Psychotop". Aber Höhlen, die schon seit Jahrtausenden bekannt sind, die auffällig in der Nähe von menschlichen Siedlungen liegen und über die viele Geschichten erzählt werden, die sind auch sehr relevant als Schauplatz menschlicher Vorstellungen über die Welt im Innern unserer Erde.

Im Südhang des Ruhrtals in der Nähe von Velmede liegt die Veledahöhle. Sie ist seit Urzeiten bekannt und ein sehr gutes Beispiel für ein "Psychotop". Es fängt schon mit dem Namen an: "Veledahöhle". Woher kommt er? "Veleda" ist der Name einer "berühmten germanischen Seherin", die die Beraterin des römischen Oberkommandierenden Julius Civilis war, laut Tacitus. Im Bataveraufstand in den Jahren 69 bis 71 n. Chr. soll sie ihm Ratschläge erteilt haben, aber das hat sich, wenn es ein Körnchen Wahrheit überhaupt enthält, ganz woanders abgespielt. Es soll sich in einem Turm an der Lippe abgespielt haben. Mit der Höhle hat es absolut nichts zu tun. Trotzdem, es gibt auch ein Veleda-Mosaik von dieser Dame, das von einem Herrn Gockel angefertigt worden ist.

Die Veledahöhle sei eine "heidnische Kultstätte" gewesen in "frühgeschichtlicher Zeit", kann man im Internet lesen. Welcher Kult? 1910/11 führte Dr. Emil Carthaus in der Höhle Grabungen durch. Es wurden neben vielen Knochen eiszeitlicher Tiere, hauptsächlich Höhlenbären, auch zahlreiche Tonscherben gefunden - und - menschliche Überreste. Wenigstens 32 Individuen seien es gewesen. Spektakulär wurde das alles erst, als man anfing von "Menschenfressern" zu reden. Im Internet liest sich (2008) das so: "Die Bewohner lebten nicht nur von den Erträgen der Jagd, sie waren auch Menschenfresser. Sie brieten jedoch.... sondern sie kochten es, bevor sie es verzehrten." Das ist einfach auch psychisch anrührend - oder etwa nicht? Woher "weiß" denn das der Herr Wissenschafter? Die werden so eine Hypothese natürlich weit von sich weisen, weil der Fundbefund das kaum bestätigen kann. Aber es spiegelt die Befindlichkeiten auf dem Grund der "Seele" des Wissenschaftlers/Interpreten/Lesers. Damals die "Primitiven", heute wir, die "...was?". Hiroshima/Abu Ghraib?
Wo stehen heute Informationen zur Verfügung, die heute wirklich den "Stand der Wissenschaften" wiedergeben? Öffentlich und verfügbar für den Interessierten? Vielleicht gibt es ja tatsächlich noch Bibliotheken, in denen früher Geschriebenes auch heute noch lesbar zur Verfügung steht. Wer sich da einmal wirklich auf den Weg gemacht hat, der weiß wohl auch, wovon ich spreche. Es geht schon los mit den "Öffnungszeiten", die halt gar nicht so selten da liegen, wo man selber halt keine Zeit hat, notgedrungenerweise, weil man sein Geld halt noch mit seiner Hände und seines Kopfes Arbeit verdienen muß!

Es gibt herrliche Geschichten von dieser Höhle. Die kann jeder im Internet nachlesen, zumindest im Moment sind sie noch bei WIKIPEDIA lesbar. Mir gefallen die "Heidnischen Bräuche" am Ostertag sehr gut, denn was ist denn mit dieser "euphemistischen Bezeichnung" denn wirklich gemeint gewesen? Und die Suche nach dem "Gatten", die mit einem "Echo" aus den Steinen eine irdische Antwort bekommt.

Eine kleine Zusatzbemerkung für alle "Höhlenabschließer". Das ist weltweit en Vogue. Das ist wunderbar in dem Falle, daß Menschen eine vollkommen vom Menschen vorher noch unberührt gebliebene Höhle finden. In den meisten Fällen, wo kein Verschluß passiert ist, da gab/gibt es verhehrende Folgen. Und das ist weltweit so, selbst in Neuseeland war das schon so. Ein wichtiges Thema, das sich danach stellt, ist, wie geht man mit der "verschlossenen Höhle" danach um? Da gab/gibt es mehr oder weniger "gelungene" Lösungen. Menschen widmen ihr gesamtes "restliches" Leben dieser Höhle, siehe Katerloch, aber was ist, wenn auch sie einmal sterben?
Das "Abschließen" einer Höhle hat auch tiefe psychologische Folgen. Öffentlich "verkauft" wird diese Maßnahme mit "Sicherheitsgründen". Aber was heißt "Sicherheit"? Welche "Sicherheit"? Vor was wollen, müssen, sollen wer (ich/die Menschen/die Natur) sich "schützen"? Vor der Zukunft? Vor der "Verantwortung" (vor wem? - meinen Paragraphen, meiner Karriere, meiner Verfassung, meinem momentanen "Vorgesetzten"? "The pact between the dead, the living and the unborn"?, dem nächsten Wahltermin?). Vor wem müssen/sollen/wollen denn wer "geschützt" werden? Die Reichen vor den Armen? Die Risikoscheuen vor den Risikowilligen, das Oben vor dem Unten, das Unten vor dem Oben? Das Drinnen vor dem Draußen oder das Draußen vor dem Drinnen?
Im Hintergrund steht eine Grundfrage: Wie vorhersehbar ist unsere Welt? Ist sie "berechenbar" oder nicht? Wir wollen was - und was kommt heraus? Die berühmte "Schmetterlingsfrage"!
"Verantwortung übernehmen" - das ist ein Ausdruck, der heute kaum mehr verstanden wird. Kein Wunder. Die Raben klagen....

Höhlen abzuschließen, das bedeutet auch, Aggression zu erzeugen. Das kann mindestens zweifache Folge zeugen. Einmal kann es einfach eine Welle an Energie erzeugen, die dazu führt, daß das Hindernis "weggeblastet" wird. Das ist schon hundertfach passiert. Das baut großen Energiestau ab, führt manchmal zu viel erträglicheren Lösungen, aber halt auch zu schrecklichen Zerstörungen. Aber die andere Variante ist auch spannend. Der Verschluß wird noch verstärkt! Das Scheißen wirklich Leute auf die Höhlenverschlüsse und es wird zum Problem für die Verschlußverwalter, überhaupt noch an ihr Teil zu kommen. Oder, so haben wir das bei der Veledahöhle erlebt, jemand macht noch sein eigenes Schloß um den Verschluß! Da wird der Schlüsselverwalter ausgeschlossen! So eine Frechheit! Der muß sich dann selber um technische Versiertheit bemühen, um in "seine Höhle" überhaupt noch kommen.

Ein paar Daten für den "Geotopen": Sie hat eine Gesamtganglänge von 243 Metern und ihr tiefster Punkt führt bis auf 48 m unter Eingangsniveau hinab. Sie hat 3 Teile: die "Obere Halle", erhellt vom Tageslicht, das tagsüber in die 3 Eingangsöffnungen hereinkommt. Früher gab es da Treppenstufen, um weiterzukommen, heute ist das alles der Geschicklichkeit des Hereinkommenden überlassen. Ein rund 100 m langer Horizontalgang mit einem typischen Laugprofil ist über eine leichte Querung nach links einfach zu erreichen. Es endet im "Schusterstübchen", das fast schon wieder an der Erdoberflächer herauskommt.
Zum Gang in die Tiefe, zur "Unteren Halle", muß man sich im Hauptraum vorsichtig bis zum erneuten Abbruch vorbewegen. Reste einer alten Betonplattform sind noch da und kurze Eisenstumpen. Vor über 100 Jahren wurden dort eiserne Leitern aufgestellt, die damals einen leichten und wenig risikoreichen Abstieg ermöglichten. Die haben heute ihre Jahre auf dem Buckel und können jederzeit auseinanderbrechen. Noch stehen die Reste davon.
Unten ist die "Untere Halle", die dann den Zugang zum "Brausekessel" und dem Wasserstollen ermöglicht, der einstmals gesprengt wurde, um möglicherweise eine Versorgung mit Trinkwasser für den Ort sicherstellen zu können, was aber nicht realisiert wurde, warum auch immer.

 

Blick ins Ruhrtal
unterhalb der Höhle
 
Das Gelände bei und über der Höhle

Die Eingänge - alle vergittert
 
  Ritzzeichnung am Eingang
  Das Tor - offen
Hinunter ins Dunkle
  Der zweite Abbruch

Der tiefste Punkt
Spuren menschlicher Aktivitäten an der
Höhlenwand
Eine verrostete Leitersprosse
Im Horizontalgang
  Ein Meßpunkt oder Wandschmiererei?
 

Literatur:

Weber, Heinz-Werner Die Veledahöhle, Speläologisches Jahrbuch - Verein für Höhlenkunde in Westfalen 1994, S. 70-71, Iserlohn 1995
Kohle, Franz-Josef Der Sagenkreis um die sauerländischen Höhlen,
Scheller, Klaus, Stoffels, Dieter Ritzzeichnungen und Rötelfärbungen in der Veleda-Höhle, Speläologisches Jahrbuch Verein für Höhlenkunde in Westfalen Tagungsband 2007, S. 34f.
Kohle, Franz-Josef Die Gemeinde Velmede. Aus ihrer Vor- und Heimatgeschichte, Bigge 1958
Carthaus, E. Über die Ausgrabungen in der Veledahöhle unweit Velmede im oberen Ruhrtale, Prähistorische Zeitschrift. Berlin 1911, S. 132-144
Lindenmayr, Franz Die Veledahöhle, in Tagungsband HÖREPSY 2008, Gröbenzell 2008, hrsg. von Franz Lindenmayr
Kohle, F.J. Die Veledahöhle, in: Der Sauerländer, Heimatkalender 1939, Verl. Westf. Heimatbund, Olpe 1939, S. 102-105
Carthaus, Emil Die Höhlen Westfalens und die Ausgrabungen in der Veledahöhle, in: Globus, Bd. XCVIII, Nr. 17, Braunschweig 1910

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