Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Les Grottes de La Balme, Isère, F
Die Grotte de la Balme, eigentlich ein Pleonasmus, weil ja die Bedeutung von "Balme" "Grotte" oder "Höhle" ist, gehört zu den "7 Wundern der Dauphiné in Frankreich. Sie 5,3 km (2010) lange Höhle liegt im Departement Isère, nicht weit südöstlich von Lyon. Das riesige Eingangsportal ist schon von der Rhône aus, die das Plateau in dem die Höhle liegt, weiträumig umfließt, zu sehen. In dem sehr geräumigen Eingangsraum gibt/gab es gleich 2 Kirchen: eine ist der "Notre-Dame", also Maria, und eine dem heiligen Joseph gewidmet, die heute schon wieder verschwunden ist. Schon seit dem 14. Jahrhundert gibt es Wallfahrten dorthin. Der menschliche Kontakt des Menschen mit diesem Platz reicht noch viel weiter zurück - bis in die Steinzeit.
Eine besonders dramatische und traurige Rolle spielte die Höhle während der Zeit der waldensischen Häresie. 300 Waldenser sollten dort umgebracht worden sein. Ein Pierre Valdo, ein reicher Kaufmann aus Lyon, hatte wohl ein Bekehrungserlebnis und gründete eine eigene Glaubensrichtung. Er übersetzte die Bibel aus dem Lateinischen in eine Sprache, die auch das einfache Volk verstehen konnte. Damit forderte er das kirchliche Establishment heraus, die Stimmung verschlechterte sich. Der Erzbischof von Lyon erklärte, daß die "Armen von Lyon" dem falschen Glauben anhängen würden, und verhängte einen Kirchenbann. 10 Jahre später verurteilte man sie auf dem Konzil von Latran. Die Jahre darauf wurden die Waldenser gnadenlos verfolgt. Das Massaker von la Balme fand vermutlich 1179 statt. Danach suchten die Waldenser an anderen Orten der Dauphiné Unterschlupf, wurden aber noch Jahrhunderte später blutigst verfolgt.
Ginet berichtet von einem weiteren Massaker. 1430 flücheteten sich die burgundischen Soldaten des Prinzen von Orange, nachdem sie den Truppen von Lyon und aus dem Dauphine entkommen waren, in der Höhle. Man verfolgte sie und alle wurden ermordet.
Im Gefolge der grausigen Ereignisse tauchten Gerüchte auf, daß es in der Höhle große Schätze gäbe, die aber irgendwie verzaubert seien. Schatzgräber holten Steine aus der Höhle, die sich in Silberbrocken verwandeln könnten, würde man nur die richtige magische Singstrophe dafür finden. Einem Priester, begleitet von 2 Ministranten, sei es einmal gelungen so einen Stein an sich zu nehmen. Das Glück dauerte allerdings nicht lange, berichtet A. Joanne in dem Bericht "Tour du monde" aus dem Jahre 1860. Bei Anbruch des nächsten Tages sei der Stein wieder zurückgewandert an seinen ursprünglichen Platz in der Höhle.
Andere Leute vermuten einen anderen Ursprung für den "Schatz". Das Vermögen des berüchtigten Räubers Mandrin, als dessen Aufenthaltsort viele Höhlen in der Umgebung genannt werden, soll sich hier verbergen. In einem der Räume vermuten manche sogar noch die Reste seiner Küche. Manche denken, daß er noch immer lebt und sich in der Höhle aufhält, mit Sagenfiguren sollte man vielleicht nicht so kleinlich umgehen, die leben, solange wir leben und an sie glauben.
Berühmten Besuch bekam die Höhle 1548 durch Francois I auf seinem Weg nach Italien. Zwei zum Tode Verurteilte wurden in die Höhle geschickt, um herauszufinden, was sich darin befindet. Sie kamen wieder lebend zurück und berichteten, daß alles stimme, was man so über sie erzähle. Sie wurden danach freigelassen. An dieses Ereignis erinnert noch heute ein Fresko aus dem Jahre 1882, das den Herrscher zeigt.
Diderot führt die Höhle unter dem Stichwort "grotte" in seiner berühmten Encyclopädie auf, allerdings hauptsächlich kritische Anmerkungen: Man habe früher die Dimensionen von "50 taises d'ouverture et 60 de largeur" angegeben, was wohl heißen soll der Eingang habe diese großen Dimensionen, doch "les physicien modernes", also die später die Höhle untersucht habenden Personen hätten nur viel geringere Werte feststellen können, als die, von denen Mézeray 1548 angegeben habe. Der schreckliche Schacht (gouffre affreux) sei vollkommen verschwunden und der große See sei zu einem kleinen Bächlein geworden.
Ein touristisches Highlight der Höhle ist heute die Fahrt mit einem Kahn auf einem unterirdischen See. Am Ende des 18. Jahrhunderts, genauer, am 27. August 1782, unternimmt der Schweizer Bourrit schwimmend den ersten Vorstoß im wassergefüllten Teil der Höhle, einen Gürtel aus Kork umgeschnallt und 4 Kerzen auf dem Kopf. Es dreht wieder um, zutiefst beeindruckt und beeinflußt von der Kälte des Wassers, der Reinheit der Luft und der Stille in den Räumen. Bevor er umkehrte brachte er noch eine kleine Namensinschrift auf einem Tropfstein an. 1958 starb der Taucher G. Galiani bei eWeitinem Tauchversuch. Jochen Hasenmayer kam 1969 ein paar hundert Meter weiter. Französische Höhlentaucher konnten in den letzten Jahren bedeutende Fortsetzungen finden, so daß die Gesamtganglänge heute mit 5,3 km und Gesamthöhenunterschied von 63 m angegeben wird.
Die Höhle liegt im größten Karstgebiet Frankreichs, das von Moränen bedeckt ist, der Île de Cremieu. Sie bildet das westliche Ende des Südjuras. Auf einem Granitsockel liegt ein bis zu 250 m dickes Kalksteinpaket. Der Rhonegletscher der Tertiärzeit reichte einst bis nach Lyon und hinterließ riesige Mengen von Schottern, die auch hier noch zu finden sind. In späteren Eiszeiten wurden diese Ablagerungen wieder zum Teil abgetragen. Ein Teil davon drang auch in die Höhle ein, wurde durch die schon vorher entstandenen Räume transportier, schliff die Höhlenwände glatt, füllte auch wieder viele Hohlräume und schuf neue.
Ich habe kein Glück bei dieser Höhle. Zweimal war ich schon dort, und immer war "geschlossen". Besonders frustrierend war es im Septembe 2015. Ich war an einem Donnerstagnachmittag dort. Der große Parkplatz war bis auf einen Camper und ein schwarzes Auto leer, was nichts Gutes verhieß. Im Höhlenportal parkte ein Handwerkerauto, die Lichter brannten im Schauhöhlenteil. An der Höhlenkasse saß ein ältere Französin, ich fragte, ob ich die Höhle besichtigen könnte. Sie sagte nein, am Donnerstag sei nun mal geschlossen. Für eine Diskussion war mein Französisch nicht gut genug. Ich verstand wenigstens, daß ich nicht rein konnte. Warum setzt man aber eine Kassenkraft an eine geschlossene Kasse? Damit sie allen sagen kann, die kommen, daß sie nicht rein können? Ehrenamtlich hat sie diese Arbeit vermutlich nicht gemacht. Also hat sie Geld verdient. Vielleicht sollte man nicht so viel nachdenken. Der Strom kommt, noch, vom Atom zum größten Teil bei unsern Nachbarn. Da muß man nur dabeisitzen und ihn verbrauchen.
Ist man so unterbeschäftigt, dann fällt einem so manches auf. Zum Beispiel, daß man das Photographieren dort erlaubt, allerdings nur aus der Hand, nicht mit dem Stativ. Was wohl der tiefere Sinn einer solchen Regelung sein soll?
Literatur:
Diderot, Denis | Encylopédie, 1755, http://encyclopédie.eu/index.php/non-classifie/1869927322-histoirenaturelle/624290500-GROTTE |
Drouin, Philippe, Audra, Philippe | PALÉOKARSTS TERTIAIRES ET GLACIOKARST DE L'ILE DE CRÉMIEU, in: Audra, Philippe, Grottes & Karsts de France, KARSTOLOGIA 19-2010 |
Ginet, René | La Grotte de la Balme, Quelques remarques scientifiques, Ambercieu - Gare 1984 |
Minvielle, Pierre | Guide de la France souterraine, Tschou, éditeur, 1970 |
Poggia, Frédéric, Tarazona, Laurent | Compte rendu des explorations 2000 Grotte de la Balme, Spelunca n° 80, S. 5f. |
Links:
http://www.grotteslabalme.com/en
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