Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft und Höhlen im Plateau von Plan de Caussols und Umgebung, Alpes-Maritimes, F
Ich finde es immer wieder eine ganz aufregende Sache: Da habe ich ein paar Buchstaben vor mir in einem Text. Ich lese ihn, oft in einer anderen als meiner Muttersprache. Ob ich die Worte wirklich verstanden habe, das erlebe ich dann, manchmal auf grausamste Weise. Manchmal ist es auch der Text. Der stimmt nicht, läßt bewußt manches aus, führt vielleicht ja auch bewußt irre. Am Ende steht der "Erfolg" oder der "Mißerfolg". In Bezug auf das, um was es hier hauptsächlich geht: Loch gefunden oder nicht.
Das Karstgebiet von Caussols und die daran gleich angrenzenden Regionen gehören zu den herausragenden Höhlenzonen des Departements Alpes-Maritimes im Süden der Alpen. Wer sich heute (Ostern 2008') aus dem Internet eine "CDS06 Carte des Karsts" ausdrucken läßt, der wird 2500 Punkte dort finden - und die sind sehr konzentriert. Da gibt es Plätze, da ist Punkt an Punkt. Die "Plan de Caussols" ist so ein Schwerpunkt mit seinen rund 400 bekannten Höhlenobjekten. Das Plateau in rund 1100 m Seehöhe, 23 km Luftlinie vom Mittelmeer entfernt, wird überragt vom Colle des Macons (1417m) und le Haut-Montet (1335m).
Dieses Gebiet hatten wir uns, Alfred Schlagbauer
und ich, auf der Suche nach dem Frühling und auf der Flucht vor
dem schlechten Wetter, ausgesucht. Tja, Pech gehabt. Kalt war es
bis auf die Knochen, und gelegentlich hat es ja auch geregnet.
Von Saint-Vallier fuhren wir die Bergstraße hinauf bis aufs
Plateau. Keiner außer uns war um diese Zeit unterwegs. Sobald
das Plateau erreicht war, ging es Richtung Gourdon. Die
Wolkendecke war nicht weit oberhalb von uns. Flach ging es dahin.
Wir waren auf der Suche nach dem großen Wasserschlinger hier
oben, dem "Embut de Caussols". Auch wenn es keine
Schilder gibt, die direkt darauf hinweisen. Es war klar. Ein
kleiner Schotterparkplatz rechts neben der Straße. Ein
Trockenbachbett. Felsen. Wir hielten, passierten einen
länglichen Wassertrog für die Tiere, wenige Meter unterhalb
eines Schachteinstiegs war schon ein Bächlein zu hören, ohne
daß wir wirklich sehen konnten, woher das Wasser dafür stammte.
Mehrere Spits an der Wand sprachen für sich. Da würde man
runter können in die seit 1892 erforschte Höhle. Ein 15-m-Seil
braucht man für eine Befahrung und etwas Wasserschutz unter
normalen Bedingungen. Außer bei Hochwasser. Da vergißt man
besser alle Gedanken an eine Befahrung und kommt später mal
wieder. So wie wir.
Bei einer 1954 im Auftrag der EDF durchgeführten Färbung unter
Hochwasserbedingungen kam das Wasser in der Grotte du Revest
wieder zu Tage. Normalerweise erscheint es wieder in der Source
de Bramafan in 460 m Seehöhe.
Ein Blick auf den Karst in der Umgebung...
Wir hatten uns eine andere Höhle ins Visier
genommen, die, "weather provided", uns einen Zugang in
den Untergrund der "Plan de Caussols" vermitteln
würde, ohne Bäder im kalten Wasser zu nehmen, einen kleinen
Teil des "Grotte de Revest"-Systems. In der Arbeit von
Courbon wird die Höhle noch mit einer Länge von 1 km genannt,
aber es gibt sehr fleißige Höhlenforscher offenbar in dieser
Gegend. Inzwischen werden 4 km als Länge angegeben, aber, wie es
heißt, auch diese Höhle ist wohl nur ein kleines Puzzlestück
in einem noch viel größeren Gesamten. Ein französicher Text
stand mir zur Verfügung und aus dem fieselte ich heraus, daß
wir da zwischen Gourdon und Cipières mal stehenbleiben sollten.
Ein Blick in die Umgebung zeigte, daß es der richtige Ort sein
könnte, obwohl keine offensichtlichen schwarzen Öffnungen schon
von oben herab in den "falaises des Caranques"
grüßten. Immerhin gab es da einen ausgetretenen Pfad, der bald
in eine mühsame Schuttreiße überging, die es zu überwinden
galt. Eine halbe Stunde später wurde es flacher, weil es unter
einer lotrecht hochführenden Felswand einfach nur noch an deren
Fuß entlang ging. Da war er dann auch schon, der Eingang in 700
m Seehöhe. Der Boden blank gewaschen. Bei Hochwasser füllt sich
der gesamte untere Teil der Höhle und fließt hier über.
Deshalb wird ja auch jeder gewarnt, bei unsicherem Wetter hier
einzusteigen. Die Fledermäuse, die 80 m tiefer in dem
geräumigen Gang hingen, die merken offenbar immer rechtzeitig,
wann es Zeit ist, abzuhauen. Winterschlaf hin oder her. Die
Naturkraft Wasser verschlingt einfach alles. Kaum waren wir ein
paar Meter in das Loch eingedrungen, da stellte sich schon das
erste und einzige Hindernis uns in den Weg. Eine Felswand. Wie
hinaufkommen? Freundlicherweise gab es da zwei Knotenstricke und
mit deren Hilfe und ein paar guten, schon ganz abgeschliffenen
Tritten war es ein Leichtes sich da hochzustemmen. Ein breiter,
mann- und fraufreundlicher Gang, von der Höhe her, tat sich vor
uns auf. Rötlicher Kalk um uns her. Nicht gerade
schlendernderweise, aber ziemlich unaufgeregt, ging es immer
tiefer. 150 m vom Eingang entfernt führt von links ein weiterer
Gang herunter. Der ist inzwischen bis an die Oberfläche erkundet
und ermöglicht einen Durchgang. Immer im gleichen Gefälle geht
es tiefer. Fledermäuse umflatterten uns, eine schlafende Kolonie
passierten wir, immer weiter runter, fast schon
"langweilig". Bei etwa - 100m eine Verflachung, ein
Siphon... Kurz vorher kehrten wir um, suchten in der
Eingangsregion noch nach den anderen Öffnungen...
In der Höhle ist schon einmal jemand ertrunken, R. Michel am
21.8.1983.
Das Wasser des Plateaus kommt in verschiedenen Quellen in der Gorge du Loup wieder zu Tage. Sie ist heutzutage auch für den Normalverbraucher ganz einfach zugänglich, in dem er nämlich von den großen Leistungen der Straßenbauer aus der Zeit nach 1900 profitiert. Die maßgeblichen Leute haben zumindest ihren Namen in einer schönen Ehrentafel am Straßenrand "verewigen" können (?)! Es lohnt sich, unterwegs mal anzuhalten, sofern das möglich ist, und die wenigen vorhandenen Parkplätze nicht schon von anderen Besuchern beansprucht worden sind.
Wer von St-Vallier-de-Thiery südwestwärts fährt, der kann nur wenige Kilometer entfernt eine inzwischen als Schauhöhle ausgebaute Höhle besuchen, die Baume Obscure. 1958 wurde sie vom club Martel aus Nizza auf 800 m Länge erforscht, nachdem es gelungen war, eine Engstelle, 22 m nach dem Eingang der grotte du Cyprès, aufzusprengen. In Minvielles 1977 erschienenem Buch "Grotte et Canyons" wird sie noch als "wilde Höhle" aufgeführt, die nur wenig schwierig sei und für deren Befahrung keinerlei besonderes Höhlenmaterial notwendig sei. Der häufige Besuch durch "Vandalen" hatte die Folge, daß schnell der Tropfsteinschmuck litt und viele Sinterfiguren zerstört oder beschädigt wurden. 1982 beschloß der Höhlenforscher Henri Chabert die Höhle zu kaufen mit dem Ziel, sie abzuschließen, sie zu erschließen und damit einen Großteil der Formationen zu retten. 4 Höhlenforscher taten sich zusammen und stürzten sich in die Sisyphusarbeit. 10 Jahre brauchten sie und steckten rund 10.000 Arbeitsstunden in das Unternehmen. Dann waren die mit Konglomeraten aufgefüllten Gänge wieder soweit ausgeräumt, daß ein bequemes Begehen durch Besucher möglich war und die Verbindung zur nahe gelegenen grotte de la Loube hergestellt war. 1996 vollzog sich ein Besitzerwechsel und mit ihm wurde das "Souterroscope" eingeführt. Der Besucher durchquert die Höhle alleine, nur geführt durch ein Licht- und Tonsystem in mehreren Sprachen. Jede Gruppe bekommt eine Elektrohandlampe mit, damit man im Falle eines Stromausfalls auf jeden Fall den Eingang wieder erreichen könnte. Akustischer Höhepunkt in der Höhle ist eine kleines Bächlein, auf das man nach einem längeren Treppenabstieg in den tiefsten Schauhöhlenteilen stößt. Es kommt aus einem niedrigen Seitengang, bildet ein paar kleine Seen und Wasserfällchen und verschwindet dann wieder seitwärts in nicht erschlossenen Spalten. Als optischer Höhepunkt sind die gefärbten Seen in mehreren Sinterbecken gedacht, die in der besonderen Fluoreszenzbeleuchtung grünlich aufleuchten.
In der Umgebung gibt es gleich noch zwei Schauhöhlen: die Grottes de Saint-Cézaire und die Grotte des Audides.
Literatur:
Minvielle, P. | Grottes et Canyons, Ed. Denoel, Paris 1977 |
Audra, Philippe | Spéléologie dans les Préalpes de Grasse, Édisud, Aix-en-Provence 2002 |
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