Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Höhle von Bedeilhac, Ariège, F


http://www.ina.fr/divertissement/humour/video/CPF86609161/la-grotte-de-bedeilhac.fr.html Film über eine Befahrung der Höhle mit Norbert Casteret


Ich glaube, keiner, der jemals die Höhle von Bedeilhac besucht hat, wird sie wieder vergessen. Sie ist einfach überwältigend. Weder von der Länge des Hauptgangs her, nicht mal ein 1 km, noch vom Höhenunterschied, wenn da 50 m zusammenkommen, dann ist es viel, ist sie bedeutend. Aber der Eindruck, den ein riesiger Tunnel macht, der geradeaus hinein in ein kleines Bergmassiv führt, der ist großartig. Von den ursprüngelichen Verhältnissen ist hier nichts mehr übrig. Um 1940 kam die Höhle in den Blickwinkel der Militärplaner, zuerst der Franzosen, wo die Toulouser Flugzeugfabrik Dewoitine sichere Plätze zur Produktion ihres Jagdflugzeuges D520 suchte, später als die Deutschen auch den Süden Frankreichs besetzten, kann die SS und annektierte die Höhle. Die Wehrmacht begann die Höhle zu elektrifizieren, glättete den Boden mit Beton und errichtete ihre Anlagen. Teilelemente der Junker 88 sollen dort gefertigt oder repariert worden sein, mehr nicht, die dorthin mit dem Lastwagen gebracht und wieder weggefahren wurden.
Ein Mythos kreist aus dieser Zeit um die Höhle, nämlich daß sie als unterirdischer Startplatz für die Flugzeuge vorgesehen gewesen sei. Das ist natürlich sehr phantasieanregend. Eine Art unterirdischer Flughafen, der aus einer Art Startbahn besteht, aus der dann die kampfbereiten Flugzeuge sofort aus dem geschützten Raum hinaus zum Angriff fliegen könnten, unangreifbar für den "Feind".
Tatsächlich ist dort einmal ein Flugzeug gestartet, kein Kampfbomber, sondern ein kleines Sportflugzeug für einen Film über die Höhle für das französische Fernsehen. Einmal hat es ein Mensch geschafft, ein Flugzeug aus einer Höhle zu starten und dieses Abenteuer erfolgreich zu bewältigen (in China sind mal Flugzeuge durch eine Naturbrücke geflogen - auch eine "verrückte" Leistung). Dieses Flugzeug kehrt jetzt zurück, im Jahre 2010.

Als wir 2010 wieder einmal hier vorbeischauten, da war großes Remmidemmi. Mitten im Eingang ein Flugzeug, fast komplett. Rund herum einige Enthusiasten in Arbeitskleidung, mit verschmierten Fingern und innerlich voller Enthusiasmus. Ein Herr, nicht mehr jung, scheint das mastermind der Unternehmung zu sein. Er zeigte uns gleich das Buch über diesen einmaligen Event, das er ihm gewidmet hatte. Einige andere Leute hat er offenbar damit angesteckt. Sie waren alle eifrigst dabei, den menschlichen Vogel präsentationsfähig wieder zu machen. Er wird die Höhle nicht mehr wieder verlassen, sondern in einem Gehäuse ausgestellt, das man sich gerade anschickt in der Höhle zu errichten. Dazu ist ein Bautrupp unterwegs, der aktiv war, sehr aktiv und massivst hörbar. Von Stille konnte man hier nur träumen.

Schauhöhlenführungen konnte man zu dem Zeitpunkt, als wir dort waren, Anfangs Juni 2010, nur zwei mitmachen, am frühen Nachmittag. Ein sehr kompetenter junger Führer begleitete uns nach hinten. Glücklicherweise waren wir nur zu viert, inklusive Führer, womit ein Besuch der sensitiven Teile auch möglich war. Mit Busladungen voller Touristen in niedere Gangstrecken zu gehen, wo dann in weniger als Armlänge im Lehm Lehmfiguren zu sehen sind, die vor 15.000 Jahren dort hineingekritzelt wurden, das geht nicht. Und wenn so viele Menschen dabei sind, dann erlebt man einfach nicht den originalen Klang dieser Räume! So etwas ist wichtig. Es geht nicht nur um das Sehen!

Leider, aber auch als generelle Regel auch wieder verständlich, ist das Fotographieren verboten. Schade. An vielen Stellen ist so ein Verbot vollkommen unangebracht. Außer man sorgt sich neben der Lautverschmutzung auch noch um den optischen Eindruck, der durch die unendlich vielen Blitze, die durch die Digitalkameras normalerweise losgeschickt werden, einfach versaut wird. Und was geschieht mit all diesen Bildern? Da durfte ich vor vielen Jahren noch etwas ganz anderes erleben. Auf meine Frage, ob ich fotographieren dürfe, da antwortete mir der Führer: "Ja". In dieser Höhle hätten schon so viele Leute "unglaubliche" Dinge gemacht, da sei doch mein Blitz von einer einfach verschwindend geringen Bedeutung. Ich bin diesem Mann heute noch dankbar.

Zur Höhle: Sie liegt im massif de Soudour. Ihre Gesamtganglänge wurde mit 2,5 km angegeben. Im Wesentlichen besteht sie aus einem großen Hauptgang und kleineren Seitengalerien, die von besonderer prähistorischer Bedeutung sind.
Die Wandkunst umfaßt alle bekannten Techniken: Es gibt Zeichnungen mit schwarzer Farbe wie in Niaux, Malereien, manchmal auch mehrfarbig, wie in Labastide und Marsoulas, Gravierungen in die Kalkwände wie in Fontanet und Trois-Frères, Gravierungen in den lehmigen Höhlenboden wie in Niaux und Lehmmodellierungen, die eine Spezialität der Höhlen in den Pyrenäen zu sein scheinen, wie in Montespan oder Tuc-d'Audoubert. Als Besucher der Schauhöhle bekommt nur ganz wenig von diesem Kulturerbe mit. Eine Figur wird nirgends in den allgemein zugänglichen Quellen überhaupt auch nur erwähnt, obwohl sie der Besucher noch zu sehen bekommt: eine Sinterfigur, die mit den damaligen Mitteln so umgestaltet wurde, daß man sie unschwierig für einen Penis halten kann! Was das wohl zu bedeuten hat?

 
   
 
 
 
     

Im September 2018 kam ich auf dem Rückweg vom Jakobsweg am Eingang der Höhle morgens um 10 Uhr vorbei. Normalerweise wäre hier nichts los gewesen. Nun stand aber ein Bus voller rüstiger Rentner da. Die hatten eine Tour in die Höhle gebucht und ich versuchte, mich noch anzuhängen. Anfangs hieß es, man sei eine geschlossene Gesellschaft und gäbe ja eine Beschränkung der Besuchergruppe, die jeweils unterwegs sein dürfte, aber dann scheint es doch Eindruck gemacht zu haben, daß da jemand war, der etwas vollbracht hatte, was außergewöhlich war, weit außerhalb der Reichweite, die sie jemals schaffen würden. Und der hatte dann noch Interesse an dieser Höhle. Reibungslos ging der Verkauf der Eintrittskarte durch die junge engagierte Führerin vonstatten und ich wurde als Teil der Gruppe einfach assimiliert. 2 Stunden später kamen wir wieder ans Tageslicht. So mancher war wohl froh, daß er es wiedererblickte, denn bei aller Einfachheit der Befahrung, es gab einige Stürze, so mancher kam nur noch an der Hand seiner Begleiterin wieder heraus - und freute sich auf das Nachmittagsprogramm, den Besuch des Prähistorischen Parks in der Nähe von Tarascon. 

Für mich war nicht der erste Besuch der Höhle. Schon vor über 50 Jahren war ich das erste Mal dort. Man konnte einfach in die Höhle hineinlaufen, niemand war da, der sich einem in den Weg gestellt hätte. Meiner Mutter drückte ich das Blitzgerät mit der PF100-Birne in die Hand, die sie tatsächlich erfolgreich zündete. Und das Ergebnis war prima. Nie vergessen werde ich den Moment, als ich den damaligen Führer fragte, ob ich ein Photo von der Höhlenmalerei an der Wand machen dürfte. Er sagte sofort ja, weil er meinte, daß sich in der Höhle schon soviel zugetragen hätte, daß da irgendwelche Verbote inzwischen vollkommen daneben seien. Gerne, er fand es gut, daß da jemand ein Bild von diesen Bildern machen wollte. Es ist schier unglaublich, wie sich Denksstrukturen innerhalb weniger Jahre ändern können - und manchmal auch sollten! Nichts ist zu Ende gedacht, immer geht es weiter. Ein wenig habe ich im Hintergrund das Gespräch zwischen einem offenbar sehr an dieser Höhle interessierten Besucher und der Führerin gehört, wenigstens teilweise, wo es um das Photographierverbot ging. Wenn ich es richtig verstanden habe, denn da wurde Französisch gesprochen, dann hieß es, daß der zuständige Fachmann schließlich ein "Experte" sei, der es ja wissen müsse. daß man das nicht tun dürfe, weil..... Im Zeitalter der Digitalphotographie noch so zu denken...da wird es Zeit, daß der Vertreter der "Alten Schule" endlich abtritt, aber es ist nicht sicher, daß da etwas Besseres nachkommt. Geist ist eine rare Ressource. 

Mit der Photographie kann man Bilder erzeugen, die dort, wo man gerade ist, nie sehen kann. Man kann eine ganz neue Welt des Visuellen erzeugen, die man noch nie vorher gesehen hat. Es geht da um ganz andere Dimensionen, die nichts mehr mit dem Gemessenen, Bestimmten, Eingrenzten zu tun hat. Wo führt das hin? Niemand weiß das. Es ist ein Abenteuer.


Literatur:

Eppel, Franz Stationen der ältesten Kunst, Verlag Anton Schroll & Co, Wien München 1963
Beltrún, Antonio La cueva de Bédeilhac, Zaragoza 1967
Minvielle, P. Grottes et Canyons, Ed. Denoel, Paris 1977
Chabert, Claude LES GRANDES CAVITÉS FRANCAISES; 1981
Gauchon, Christophe Des cavernes & des hommes, Karstologia mémoire, n°7-1997

Links:

- http://www.grotte-de-bedeilhac.org/

- http://www.donsmaps.com/bedeilhac.html

- http://en.wikipedia.org/wiki/File:Bison_on_plaque_Bedeilhac_grottoe_Ariege.jpg

- http://www.frankreich-sued.de/hoehlen-server/bedeilhac/bedeilhac.htm

- http://www.showcaves.com/english/fr/showcaves/Bedeilhac.html

- http://prehistoart.canalblog.com/archives/2009/12/20/16220469.html

- http://www.pyrenees-decouverte.com/sommaire/visites/prehist/bedeilhac/index.php

- http://w3.utah.univ-tlse2.fr/bedeilhac/

- Landschaft und Höhlen in den Pyrenäen

 


[ Index ] [ Englisch version ] [ Höhlen und Höhlengebiete ] [ Kunst ]
[ HöRePsy ] [ Höhlenschutz ] [ VHM ] [ Veranstaltungen ] [ Links ]