Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Fontaine de Vaucluse und ihre Umgebung, F
Die Fontaine de Vaucluse ist eine klassische Karstquelle, die schon immer dem Menschen bekannt gewesen ist. Der Name kommt von "Vallis Clausa", geschlossenes Tal. Sie entspringt am Fuße einer 200 m hohen Felswand die den Westrand des Plateaus de Vaucluse in der Provence darstellt. Ein Gebiet, das mehr als 1000 km² (eine Literaturquelle spricht von 3000 km²]umfaßt, und das kein Oberflächenwasser aufweist, entwässert hier. Färbeversuche haben bewiesen, daß das Wasser unterirdisch gewaltige Strecken zurücklegt. Am weitesten entfernt liegt der Beletteschacht, 46 km sind es von dort Luftlinie bis zum Wasseraustritt. Die höchste nachgewiesene Stelle liegt im Trou du Vent am Mont Ventoux in 1458 m Höhe. Wenn man bedenkt, daß die offizielle Höhe des Eingangs mit 105 Metern über dem Meeresspiegel angegeben wird und die heute bekannte Tiefe mit 315 m unter dem Wasserspiegel (-308 m unter dem Nullstand des Sorguometers, des offiziellen Wasserstandsmessers) angegeben wird, dann kann man sich ein bißchen vorstellen, was für ein gewaltiges Höhlensystem sich unter dem Plateau verbergen muß.
Petrarca (1304 - 1374), berühmt geworden durch seine Beschreibung seiner Besteigung des Mont Ventoux, war auch an der Quelle. Bemerkenswerterweise hat sich Petrarca ja auch mit dem Platonischen Höhlengleichnis auseinandergesetzt. Der Eingangsteil der Quellhöhle, der frei wird, wenn das Wasser zurückgeht, erinnert schon ein wenig an die Platonische Szene in der Höhle. Man steigt in einem großen geräumigen Tunnel hinab bis zum Wasserspiegel und wenn man sich dann umdreht, dann schaut man hinauf ans zur Eingangsöffnung, durch die das Tageslicht hereinkommt. Faszinierend ist der Blick in den steil in die Tiefe ziehenden wassergefüllten Schacht mit seinem unterschiedlichsten Blautönen, in dem zeitweise sogar Forellen schwimmen sollen. Ist das Wassers weit genug abgesunken, dann kann man nach rechts auf einem Felsband einen Seitensaal über der Quelle erreichen. Man geht dazu wieder in die Höhe und hat von dort einen besonders guten Blick auf das blaue Auge des Quelltopfs.
Die älteste Methode, die Höhe des
Wasserspiegels zu messen, das war das Abzählen von Felskanten
unterhalb des einzigen Feigenbaums, der am Eingang wächst. 1869
setzte der Geometer M. Reboul bei extrem niedrigem Wasserstand
den Sorguometer ein, mit dessen Hilfe seither gemessen wird, wie
die Wasserstandsverhältnisse sind. Nicht gering war die
Verblüffung, als Taucher im Rahmen der
"Sorgonaute"-Expedition unter Wasser eine Inschrift vom
23. März 1683 noch entdecken konnten. Sie befindet sich in 12 m
Wassertiefe und damit noch 38 cm unter dem Sorguometerniveau.
Es kommen durchschnittlich 29 m³ Wasser pro Sekunde aus der
Höhle, womit sie zu den stärksten Europas zählt (Die
Dumanliquelle in der Türkei liefert 50 m³ im Vergleich dazu).
Nach starken Regenfällen können es 200 m³ werden, die dann
dazu führen, daß das Wasser gleich aus dem Eingang fließt und
nicht erst in Quellen 50 m unterhalb zu Tage kommt.
Bereits im Jahre 1878 unternahm Ottonelli einen Tauchversuch in der Höhle, wobei er immerhin 23 Meter Tiefe in seinem schweren Tauchanzug erreichen konnte. Ein Monsiur Negri aus Marseille versuchte es später auch, kam aber nicht weiter. Nach dem Krieg unternahm Jacques Cousteau und Leute aus seinem Team einen erneuten Vorstoß, wobei sie 46 m Tauchtiefe erreichten. Cousteau hat darüber in einen aufregenden Bericht verfaßt, der noch heute sehr lesenswert wegen seiner Dramatik ist. 1967 wurde mit dem Télénaute ein ferngesteuertes Gerät eingesetzt, mit dem 104 m nach unten ging. Der Querschnitt des Gangs soll dort 10 auf 30 m betragen. 1981 unternahm Jochen Hasenmayer mit einer Ausrüstung von 170 kg am 21. September einen heimlichen Tauchgang und kam bis - 142 m, 3 Wochen später unternahm die Tauchgruppe der Fédération francaise d'études et sports sous-marins und COMEX einen erneuten Vorstoß und kam bis - 153. Zwei Jahre später kam Hasenmayer noch einmal heimlich und stellte einen Höhlentauchtiefenweltrekord mit - 205 m auf. Danach kam man nur noch mit Tauchrobotern tiefer. Mit dem MODEXA-Gerät wurde schließlich der Boden des Riesenschachts erreicht, - 315 m unter dem Wasserspiegel. Wenn man die Eingangshöhe mitbedenkt, dann ist man hier 200 m unter dem heutigen Niveau des Mittelmeers!
Das Plateau de Vaucluse in 10 km Entfernung | |
Die Sorgue kurz nach der Quelle | |
Restaurant am Weg zur Quelle | |
Eine Dame am Bach | |
Noch bis kurz vor dem Eingang sieht man nur eine hohe Felswand |
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Ein Eingang: lauter Touristen | |
Video der Quelle - Lautsprecher anmachen! |
Von vielen auf dem Weg zur Quelle übersehen und
doch einen Besuch wert - das Höhlenmuseum "écomusée du
gouffre". Man muß sich schon 40 Minuten Zeit nehmen, weil
die Führung sehr ausführlich ist, aber es lohnt sich. Es
besteht im Grund aus 3 Teilen: In der Eingangsregion wird die
Vauclusequelle und das Plateau darüber vorgestellt.
Originalschaustücke (Tauchroboter, Höhlenforschermodelle,
Seilwinden usw.) und Fotos dienen der Veranschaulichung der
umfangreichen Erforschungsgeschichte. Der Mittelteil der
Ausstellung besteht aus dem Passieren einer Kunsthöhle. Das hat
man recht gut hinbekommen, insbesondere weil man auf die
Schaffung einer Art Höhlenatmosphäre Wert gelegt hat. Es ist
ziemlich dunkel drinnen, man muß sich auch mal bücken, seitlich
sieht man einen Höfo im Schluf verschwinden, an einer Stelle hat
man richtiges Biwakzelt aufgebaut, auch die Höhlenmalereien hat
man nicht vergessen. Besonders gut hat mir gefallen, daß man den
Boden ziemlich ursprünglich gelassen hat. Es ist kein
Vergnügen, da einen Kinderwagen durchzuschieben, weil da ein
richtiger Rollsplittboden ist.
Der Höhepunkt kommt zum Schluß: Wir können hier in
Glasvitrinen Dinge sehen, die diese unglaubliche Schönheit unter
der Erde in Form feinster Kristallbildungen zeigen. Sie heute
zusammenzutragen ist unmöglich. Norbert Casteret hat es noch
getan zu einer Zeit, wo man noch ein ganz anderes Bewußtsein von
den Höhlen hatte. Von Höhlenschutz war damals wohl noch gar
keine Spur. Und man darf sich wundern, wie es wohl gelungen ist,
diese filigranen Gebilde überhaupt aus einer Höhle
herauszubringen. Raffinierterweise ist ganz zum Schluß dann noch
ein Mineralienladen, wo man für ein paar Euros ein paar Klunker
erwerben kann. Hat man das dann hinter sich, dann steht man in
der modernen Trostlosigkeit eines Betonbaus, der unterhalb des
Touristenwegs zur Quelle geschaffen worden ist, um da alle
ökonomischen Interessen möglichst unauffällig unterzubringen.
Mit diesen Seilwinden wurde einmal in sehr tiefe Schächte abgeseilt |
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Höfo à la Martel | |
Ein früherer Höhlenfotoapparat | |
Ein 3-D-Modell der Landschaft mit der Quelle links unten und den mit ihr durch Färbung nach- gewiesenen Höhlen und Schächten |
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Höfos à la 50er Jahre | |
Modell der Quelle | |
Die Tauchautomaten mit denen die Tiefe der Quelle ausgeforscht worden ist - technische Kunststücke |
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Die künstliche Höhle | |
Ein Schlufmodell | |
Höhlenkunst |
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Einmalig: ein Collier aus Höhlenperlen aus der Sammlung von Norbert Casteret - auch ein Zeitdokument,
weil sich heute die Take nothing but pictures, leave nothing but footprints! |
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Das Gebiet darüber, das Plateau de Vaucluse oder auch Plateau d'Albion genannt, wurde mal so beschrieben: "c'est une vaste étendue pastorale, domaine des bergers et des moutons, où les chenes alternent avec les prairies, le blé et la lavende si belle au mois de juillet" (..eine riesige Hochfläche, das Reich der Schäfer und der Schafe, wo sich die Eichen mit den Wiesen abwechseln, die Getreidefelder mit den Lavendeläckern, die im Juli so schön sind...). Es gibt ein paar Ortschaften, Sault, heute viel von Radfahrern aufgesucht nach ihrer Tour entlang der Gorges de la Nesque, St. Christol in der Nähe einer großen Militäranlage, Banon mit seiner Käsefabrik, Gordes, heute touristenüberflutet wegen seiner phantastischen Lage....
Die Landschaft über der Quelle |
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Auf dem Weg in die gorges de la Nesque | |
Unterwegs ein altes Haus ganz an die Wand gebaut
und die |
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In Sault ein großer Radlertreff |
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In St. Christol das Höhlenforscherzentrum |
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Landschaft in der Nähe von St. Christol |
Ein Kornblumenfeld |
Gordes |
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Das Bories-Museum in der Nähe von Gordes | |
Für den Höhlenforscher interessant sind
natürlich die vielen Schachthöhlen. Es sind schon mehr 500
davon bekannt. Schon früh wurde der Aven de Jean-Nouveau
erkundet. Martel war bereits 1892 dort, und da wurde erstmals der
immerhin 168 m tiefe, fast direkt hinunterführende
Eingangsschacht von Martel und Armand erstmals befahren. Die
Forschungen haben inzwischen tiefer geführt, so daß seine Tiefe
jetzt mit - 573 m angegeben wird. Auf dem Plateau, aber schon im
Departement Haute-Provence liegt der Gouffre du Caladaire, der
1942 erstmals von einer Gruppe der EDF d'Apt angegangen wurde
(-668m). Schon längere Zeit war er bekannt, aber erst 1978 nach
einem Durchbruch erst richtig in seiner Bedeutung deutlich
werdend, der Aven Autrans. Dort gelang es dann erstmals auf einen
unterirdischen Fluß zu kommen, der der Vauclusequelle sein
Wasser zuführt.
Höhlen gibt es dort kaum. In dem "Speleo
sportive"-Buch über die Vaucluse sind es nur 2: der Trou du
Vent und die Grotte des Brieux. Letztere habe ich im Juni 2006
mal besucht oder wollte das zumindest. 1842 wurde sie von Boule
und Rémond erstmals erkundet, 1892 war sie auch auf dem Programm
von Martel.
Ich versuchte die Höhle nach der Beschreibung im Fagebuch zu
finden, was mir erst nach einigen Anläufen gelang. Entscheidend
war dann, daß mir der Besitzer der weltentrückten Ferme des
Brieux einen Tip gegeben hatte. Vorher hatte ich die ganze
Umgebung untersucht und nichts, aber auch gar nichts gefunden.
Ich hatte an der völlig falschen Stelle gesucht. Ein schmaler,
nur sehr wenig benützter Pfad führt in eine menschenverlassene
Welt. Eine verfallene Mühle steht da, die früher vom Wasser der
Höhle wohl angetrieben worden ist. Heute gibt es da kein Wasser
mehr. Es wird nämlich in der Höhle abgezweigt und dient heute
der Wasserversorgung von Banon. Jenseits der Mühle ging es nur
noch völlig weglos weiter. Wild zugewuchert ist alles, kreuz und
quer liegen die Baumreste umeinander. Es ist wie im Urwald. Eine
Felswand tat sich auf vor mir über die ein klein wenig Wasser
herabrieselte. Es galt, sie seitlich zu umgehen, was in meinen
Bergsandalen ein bißchen wüst war. Oben kam eine kleine
Einebnung mit Mauerwerk, wohl mal von den Hirten gebaut, um ihre
Schafe unterzubringen. Auf einmal ein Eisendeckel. Ich hob ihn an
und sah eine Art Eisenventil. Rauschendes Wasser war zu hören.
Die Höhle konnte nicht mehr weit sein. Den Eingang sieht man
erst, wenn man unmittelbar davor steht. Klein ist er, ein
Eisentor mit 3 Schlössern verschließt ihn. Nur große
Inschriften in roter Farbe, die jetzt schon wohl 100 Jahre alt
sind, waren noch zu sehen. Man hat die Höhle verschlossen, weil
sie eben zur Wasserversorgung genutzt wird. Der Rückweg durch
die Wildnis war leichter, weil ich ein Steiglein in den steilen
Talflanken ausmachen konnte, das von unten überhaupt nicht
wahrnehmbar war.
Alte Inschriften am Eingang | |
Der mit einer Tür verschlossene Eingang |
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Versteinerung auf einem Block am Eingang |
Literatur:
Courbon, Paul | Siphons d'Europe descendant sous le niveau de la mer, Spelunca 165-2022, p 42f. |
Fage, Luc-Henri | L'Aven Autran (-655),. Spéléo n 10, 1992, p 3f. |
Fage, L. | Spéléo Sportive dans les Monts de Vaucluse, Aix 1981 |
Garnier, Jean-Jacques | Aven de Jean-Nouveau, Spelunca 2-1973, pages 50-53 |
Jordan, Didier | Fontaine de Vaucluse: Enfin de fond? Spelunca n 19, p 12 |
Knebel, W. von (1908) | Höhlenkunde mit Berücksichtigung der Karstphänomene,
Braunschweig: |
Lefalher, Benoit, Sanna, Jacques | Le Trou Souffleur, Spelunca n 37 / 1990 / pages 35-40 |
Le Pennec, Robert | Une gravure de 1683 dans la Fontaine de Vaucluse, Spelunca n 52 / 1993, pages 21 à 22 |
ohne Verfasserangabe | Beneath the Valley of Sighs, Caving International Magazine Nr. 4, July, 1979, p 38ff. |
ohne Verfasserangabe | Die Fontaine de Vaucluse, Der Lehmpfuhl 12-1988, S. 37f. |
Parein, René | Guide Spéléo des Monts de Vaucluse, 1990 |
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