Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Smoo Cave bei Durness, Schottland


Im äußersten Nordwesten Schottlands, wo die Landschaft sehr vom rauhen Atlantikklima geprägt ist und es oft nicht viel mehr als vom Gras bewachsene Hügel mehr gibt, da liegt die Smoo Cave. Sie ist ungefähr eine Meile von Durness, einem kleinen Dorf, entfernt, das an der A 838 zwischen Tongue nach Thurso liegt. Auch dem normalen Naturliebhaber wird vielleicht auffallen, daß dort ein kleines Flußbett südlich der Straße einfach aufhört. Mit einem Schlag ist da nichts mehr. Wer stehen bleibt und hinschaut, der blickt in ein tiefes Loch, wo der Bach, wenn er fließt, einfach in der Erde verschwindet. Sieht er auf die andere Seite, nordwärts, so fällt der Blick auf eine schmale, langgestreckte Meeresbucht, die Geodha Smoo. die auch auf einmal aufhört. Zwischen diesen beiden Plätzen besteht eine unterirdische Verbindung - und die stellt die Smoo Cave dar.

Bekannt ist dieser Ort seit Urzeiten und archäologische Grabungen haben schon sehr frühe Funde zu Tage gebracht. Aus dem Jahre 1583 stammt der erste überlieferte Bericht über Forschungen in der Höhle, die schon viele Namen getragen hat: The Smorr, The Smon, Smow, Smoiu, Simoo und seit 1855 "Smoo". Es gibt viele Beschreibungen und Berichte über sie, von allen später wieder zitiert, die von Sir Walter Scott aus dem Jahre 1814. Der kam nicht den heutigen Normalweg von oben, sondern von See her auf einem Boot. Kein Wunder also, daß ihm der Wasserschlinger von der Oberfläche aus scheinbar nicht bekannt war. Er erlebte von unten, was da los war, wenn ein kleiner Fluß im Berg verschwindet und beschrieb das dann so: "By climbing along a broken and dangerous cliff, you can, however, look into (the chamber), but only so far as to see a twilight space filled with dark coloured water in great agitation, and representing a subterranean lake, moved by some fearful convulsion of nature. How this pond is supplied with water you cannot see from even this point of vantage, but you are made partially sensible of the truth by a sound like the dashing of a sullen cataract within the body of the earth... The cave itself...... all united together, and affecting at once the ear, the eye, and the imagination, their effect is indescribable."

Die Höhle - ein multisensorisches Überstimulans, das Grenzen auflöst, sprengt, manchmal stimmt das wohl, besonders, wenn viel Wasser viel am Werke ist. Aber das ist doch in den meisten Wasserhöhlen bei Hochwasser der Fall! Und hier kann man sich diesem Schauspiel aussetzen, ohne viel zu riskieren. Aber ganz risikolos ist nichts. Als Jim A. Johnston, wohl ein Journalist, der einen Artikel über die Höhle für das Scots Magazine schreiben wollte, und die Höhle bei Hochwasser besuchte, stieg das Wasser innerhalb kürzester Zeit so stark an, daß er bald nicht mehr von der dritten in die zweite Kammer durch den niedrigen Felsdurchgang gekommen wäre, so jedenfalls seine Schilderung. Wer die Herausforderung sucht, der kann sie auch hier haben.

Da gibt einen See, bei dem der Wasserfall von oben herein kommt. 5 m soll er tief sein. Wer ihn "trocken" überwinden will, abgesehen vom Wasserfall, der einen einwässert, der bräuchte schon ein Boot. Genau dieses wurde von Scott und seinen Begleitern hereinbugsiert, um weiterzukommen. So mancher andere, von dem wir sonst gar nichts mehr wissen, hat wohl diesen Höhlenteich auch schon überquert und hat dafür bezahlt. Es ist wirklich so etwas wie eine "Charon-Erfahrung", ein Gang ins Jenseits und ein Wiederzurückkommen. Ein Richard Charles Weld berichtet 1859 in seinem Journal "Two Months in the Highlands, Orcadia and Skye", daß er von ortansässigen Bootsleuten für "15/-" über das kleine Gewässer befördert worden sei. Wenn man auch noch ein Licht haben wollte, dann mußte man noch extra dafür was bezahlen. Tat man das, dann fählte sich wohl mancher, genauso wie Weld, im Grunde betrogen: "The game was not worth the candle." Viel kommt ja tatsächlich nicht mehr dahinter. Ein Gang, der Johnston zufolge, die Form einer Röhre annimmt mit einem Durchmesser von 3 Metern und 10 Meter lang ist. Ein Siphon schließt sich an und ein Kamin. Weld hat einen kleinen, dünnen Aal drin gesehen und eine große Coca-Cola-Flasche. Mike Wooding hat dort 1970 getaucht und in 8 Metern Tiefe eine Engstelle gefunden, die mit viel verfaultem Holz blockiert war. Im See davor ist es auch nicht ganz sauber. Metallgestelle liegen dort, Drahtzäune (Stacheldraht?) und Haushaltsabfälle. Das Übliche unserer oberflächlich sauberen Welt halt. Alle speläologisch spannenden Punkte sind momentan ausgeforscht und haben noch nicht den Zugang zu dem wohl vorhandenen System hinter der Smoo Cave gebracht. Aber wer weiß.......

Übrigens ist die Höhle nicht die einzige in der näheren Umgebung. Bei archäologischen Untersuchungen hat man auch in den 3 kleineren Höhlen und Felsdächern in der Umgebung, die heute die Bezeichnung Glassknapper's Cave, Antler Cave und Wetweather Cave tragen, aufschlußreiche Funde gemacht, die insbesondere darauf hindeuten, daß aus Norwegen immer wieder Leute hier vorbeigekommen sind und sich für einige Zeit dort aufhielten. Ob es hier auch eine Siedlung gab oder es immer nur für kurze Zeit war, das läßt sich heute noch nicht sagen.

So ein großer Höhleneingang regt einfach die menschliche Phantasie an. Und die ist angesprungen. Da gibt es natürlich die Sage von einem Hund, der in den wirklich imposanten, weil 40 auf 20 m messenden Eingang hineingegangen ist und dann ... wieder herausgekommen ist. Eine Version spricht davon, daß er in den Höhlen von Ach a' Chorrain wieder das Licht der Sonne gesehen hat.

Richtig heftig wird es bei der Geschichte des "Wizard of Reay". Johnston erzählt die Geschichte so: 1614 habe der erste Lord Reay, Donald McKay, das Land Reay geerbt, das auch Durness umfaßte.Aber im Laufe der Zeit habe er vieles davon an raffiniertere Leute verloren vor seinem Tod im Jahre1649. Alt wurde der nicht. Er wurde Soldat und verbrachte viele Jahre in den Diensten Gustav Adolphs in den Schwedenkriegen.

Während seiner Jahre auf dem Kontinent habe er bei mehreren Gelegenheiten mit dem Teufel zu tun bekommen, aber habe sich immer wieder erfolgreich gegen seine Zugriffe wehren können (Eine Geschichte spricht davon, daß er in Rom eine Art Kurs in Schwarzer Magie mitgemacht hätte. Der Kursleiter sei der verkleidete Teufel gewesen und der hätte natürlich auch seinen Belohnung haben wollen, nämlich den Letzten, der den Kurs verläßt. Wie es das Schicksal so wollte, war es eben dieser Donald McKay. Als ihm da bewußt wurde, da machte er geistesgegenwärtig die Bemerkung: "he De'il tak the hindmost". Der arme Teufel mußte sich mit dem Schatten von Donald zufriedengeben, erst einmal.

Es gibt dann auf die Fortsetzungsgeschichte. Der Teufel wollte sich rächen und lauerte ihm in der Smoo Cave auf. Donald wollte kurz vor Sonnenaufgang zur Höhle gehen und hatte seinen Hund dabei. Bevor er selber hineinging, schickte er den Hund "in die Dunkelheit" voraus. Der kam aber bald wieder zurück, heulend und haarlos (howling and hairless). Da nahm Donald als schlechter Vorzeichen und wartete ein bißchen. Die Sonne kam heraus. Der Teufel dagegen war bei der Helle des Tages wehrlos, und bevor er sich ganz aufgab, unternahmen er und seine zwei Helfershelfer einen Gewaltvorstoß und durchbrachen die Höhlendecke, um sich zu retten. So wurden mal auf mythische Weise Naturerscheinungen erklärt! Die drei "Fluchtlöcher" kann man heute noch anschauen.

Schauerliche Geschichten gibt es noch mehr. So habe ein Domhnull MacMhurchadh oder McMurdo, eine Art Straßenräuber, dessen sterbliche Überreste Menschen in die Mauer der alten Kirche von Balnakeil gebracht haben, einige von seinen 18E Opfer einfach in den Schacht neben der Straße geworfen.

Ein Steuereintreiber und ein Begleiter sollten einmal untersuchen, ob an den Gerüchten, daß in der Höhle illegal Schnaps gebrannt wurde. Sie bestachen ein Donald Mackay, der in der Nähe der Höhle lebte, sie einmal mit seinem Boot tiefer in die Höhle jenseits des Wasserfalls zu bringen. An diesem Tag führte der Bach gerade Hochwasser und Mackay habe die Angst bemerkt, als er das Boot ganz in die Nähe der herabstürzenden Wassermassen brachte. Mackay habe absichtlich dann das Boot kentern lassen, sei mit eigener Kraft wieder zurückgeschwommen, aber die beiden Steuereintreiber seien ums Leben gekommen. Einen davon habe man nie mehr gefunden, und sein Geist sei auch heute noch wahrnehmbar, wenn in der zweiten Kammer gerade wieder das Hochwasser herunterkommt.

 

Der deutsche Autor Hans Steuerwald hat in seinem Buch "Weit war sein Weg nach Ithaka" daß Odysseus auf seiner Irrfahrt nach dem Trojanischen Krieg bis herauf verschlagen worden sei. Hier sei in Wirklichkeit der Eingang zum Hades gewesen, wo er sich im "modrigen Haus des Hades" mit den Seelenn seiner gefallenen Gefährten unterhalten habe. Papier ist geduldig.

   

Ach a' Chorrain

 

Literatur:

Jeffrey, Alan L. Smoo in fact & fiction, DESCENT (116) FEB/MAR 1994, p 20f.
Johnston, Jim A. In The Great Cave of Smoo, The Scots Magazine 115/5, Aug. 1981, p 461ff
Oldham, Tony The Caves of Scotland, 1975
Steuerwald, Hans Weit war sein Weg nach Ithaka, Hoffmann und Campe, Hamburg 1978

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