Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Speläologisches auf Stromboli 

Liparische Inseln, Italien


 


Stromboli hat eine Grundfläche von 12,6 km. Die Länge der Insel beträgt etwa 4 km, die Breite 3 km. Etwa 500 Einwohner hat die Inseln jetzt wieder. Die höchste Erhebung ist 924 m hoch und heißt Seera / Vancori. 

Vor rund 160.000 Jahren beginnt die oberirdische Geschichte der Insel. Da hob sich ein rund 1.000 hoher Stratovulkan über der Meeresfläche, wobei schon 2.000 m bis hinunter bis zur Grundfläche des Mittelmeers sind - im Ganzen liegt also also ein Berg von 3.000 m Höhe vor und kann es damit mit dem Ätna aufnehmen. Vor rund 13.000 Jahren brach der Nordwest-Sektor des Vulkans ein und ins Meer. An der entstandenen Flanke baute sich ein neuer Vulkan auf, der Neo-Stromboli, der ein paar tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung wieder zusammenbrach. Seither brich,t etwas unterhalb auf ca. 750 m Seehöhe, seit mindestens 300 v. Chr. dauernd ein weiterer Vulkan aus. Diese Dauertätigkeit eines Vulkans ist weltweit einzigartig und ungewöhnlich und hat ihn berühmt gemacht. Kein Wunder, daß er schon als "natürlicher Leuchtturm des Tyrrhensichen Meeres" von Alexander vom Humboldt bezeichnet wurde und den Seefahrern immer schon auch in der Nachtzeit den Weg wies.

Unterhalte ich mich mit Freunden, die schon vor 2.000 nach Stromboli gefahren sind, dann schwärmen die alle von der Übernachtung auf dem Gipfel des Vulkans und der nächstlichen Beoachtungsmöglichkeit der Lavaausbrüche. Damit ist leider momentan Schluß. Seit den Ausbrüchen 2002 und 2003 wurde ein strengeres Regime eingeführt und es ist nur ein Besuch des Gipfel in Begleitung eines Führers erlaubt. 2001 wurde eine deutsche Touristin am Kopf von Lava getroffen - und die wird nun zum Vorwand genommen, den "natürlichen" Umgang mit den Gefahren eines solchen Unternehmens massiv einzuschränken. Es ist leider wie an so vielen anderen Stellen dieser Erde, daß man immer mehr ein Geschäft macht, Arbeitsplätze zu schaffen glaubt und Geldquellen erschließen möchte. Allen einen Helm zu verpassen - was soll das? Gegen heiße Lava hilft der sicherlich nicht. Immerhin darf man bis auf 400 m Seehöhe auch ohne Guide hinauf.

Unter diesen Bedingungen fuhr ich einfach hin - und erlebte die Wirklichkeit. Im März 2018 war wenig los, sehr wenig. Die gesamte Infrastruktur war noch auf Ruhemodus. An einigen Übernachtungsstätten wurde renoviert, die Pizzerias wurden überholt, ansonsten war bis auf einen Supermarkt, der nur vormittags offen hatte, einn Souveniershop mit angeschlossener Drogerie gleich neben der Kirche, ganztägig offen, nur noch ein Restaurant offen, das La Trattoia. Restaurant ist wohl etwas übertrieben, als Hauptgericht auf der Speisekarte gab es Nudeln, drei Arten, mit Tomaten, siciliana?, stromboliana?, auch gemischten Salat, Oliven zur Vorspeise. Dafür verlangte man 2 Euro Gedeck. Alternative gab es keine, sonst hätte man auf der Elektroherdplatte in der Unterkunft sich selber etwas zubereiten können. Halt, beim Hafen gab es noch ein offenes Cafe, das bot geschmierte Brote und ähnliches an.

Der Ort ist schnell erlaufen, da gibt es eine Straße entlang des Meeres und eine parallele dazu etwas oberhalb und etliche enge Zwischenverbindungen. Zentral ist die Chiesa di San Vincenzo, dort der Platz davor. Leider hatte das Restaurant dort noch zu, trotzdem ist dort viel los. Ein kleiner Parkplatz ist dort und man kann sein kleines Dreiradfahrzeug dort abstellen. Stille sollte man dort nicht erwarten. Dauernd knatternd und scheppert es, schließlich sind alle motorisiert und sind genauso beschleunigt im Rest der Welt. Wenn man gerade keiner hörbar unterwegs ist, dann, dann kann wirklich die Stille vibrieren, die ansonsten hier herrschen würde - auf diesem Eiland inmitten des Mittelmeers. 

Auf dem Weg zu meiner Schlafstätte kam ich am "Ingrid-Bergmann-Haus" vorbei. Wüßte man nicht, daß es sich um etwas Besonderes handelt, man würde glatt dran vorbeilaufen. Eine Tafel an der Wand weist auf die denkwürdigen Tage hin, wo sich um dieses Haus Außergewöhnliches im Zusammenhang mit der Produktion des Film "Stromboli - terra di Dio" von Rosselini abgespielt hat. Wer Details wissen will, der lese in der Literatur darüber nach. 
Mich hat dieser Ort besonders berüht, weil ich auf der Biennale in Venedig einmal ein Filmkunstwerk gesehen habe, das sich mit der Vorstellungsszene der Ortsbevölkerung für den Film beschäftigte. Die Idee griff ich später im Deutschunterricht an der Berufsschule öfters auf, und drehte mit den Bufsschülern eine ganz ähnliche Szene - mit überwältigendem Erfolg.

Ich war ja zwei Nächte auf Stromboli und hätte also zweimal theoretisch die Gelegenheit gehabt, den Gipfel zu erklimmen. Ich erkundigte mich an der Reception nach entsprechenden Optionen und erfuhr so, daß "heute" es nicht ginge. Der Gipfel sei gesperrt, weil es zu heftige vulkanische Aktivitäten gäbe. Am nächsten Tag wäre es anders gewesen, der Gipfel war freigegeben. Ich bat die Rezeptionistin, für ich eine entsprechende Tour zu buchen, aber gehört habe ich von ihr nichts mehr. Reception geschlossen, keine Benachrichtigung. Ich wartete um die Mittagszeit, nichts rühte sich, am Ende wanderte ich allein Richtung Vulkan, hinauf bis auf +400 m bis zur Filo del Fuoco, der Rinne, über die meistens die ausgespuckte heiße Lava hinab ins Meer fließt. Eine Dame kam hinter mir noch herauf, ging noch ein wenig höher hinauf und drehte dann auch um. Ansonsten rührte sich hier nichts. Beim Weg hinauf auf den Berg gab es immer wieder dumpfe Schläge, wohl die kleinen Ausbrüche des Vulkans. Sie erinnerten mich ein wenig an das, was sich auf den Truppenübungsplätzen bei uns im Fränkischen abspielt, in Hohenfels und Grafenwöhr. Da steht man in einer ansonsten vollkommen friedlichen Landschaft und auf einmal macht es "Wumms", wobei man die "m"s auch vermehren kann, je nach Detonationsstärke. Das ist schon ein wenig unheimlich, weiß man doch nicht, wie stark so ein nächster Schlag ausfällt. Vorsehbar ist das einfach nicht - da mögen die Vulkanologen noch so viele Datenreihen sammeln. Die wissen das natürlich auch, aber das Publikum erwartet etwas anderes und finanziert deshalb auch weiter diese Forschungen. Man möchte halt so gerne aus den Daten der Vergangenheit auf die Zukunft schließen - das ist doch das Programm sich auf die "Vernunft" berufender "Wissenschaft". Und etwa heutzutage von AMAZON, das uns zeigt, was andere, die auch das gekauft haben, was wir gerade bestellt haben, auch gekauft haben.

Ich habe eine Stunde an der "Feuerrinne" gewartet. Nichts rührte sich, nicht einmal eine kleine Explosion, kein Lavaausbruch, nichts. Friedlich ging die Sonne hinter dem Horizont unter. Das war alles. Es wurde dunkel, ich eilte wieder zurück. Da war eine Wegabzweigung nach rechts. Sie schien auf gleicher Höhe weiterzuführen, ich wurde neugierig, entschied mich zu einer Alternative für den Rückweg. Anfangs entsprach sie den Erwartungen, dann wurde sie etwas anders. Es wurde dunkel, dann finster. Ohne meine Helmlampe wäre ich nicht mehr ins Tal gekommen. Am Ende fand das kleine Abenteuer ein angenehmes Ende. Ich kam direkt in der Ortsmitte bei der Chiesa di San Vincenzo heraus.

Eigentlich war ich ja wegen der Höhlen unterwegs. Von einer Höhle hatte ich Wind bekommen: der Grotta di Eolo. Sie ist ja sogar auf dem Ortsplan enthalten, den man überall im Ort bekommt. Direkt am Meer gelegen, am Ende der Via Soldato Cincotta im Ortsteil Piscita gelegen. Eigentlich sind diese Informationen nicht viel wert, denn sie werden allenfalls dazu führen, daß man in die Nähe der Höhle kommt. Ich habe es wirklich probiert und bin gescheitert. Zwei Versuche habe ich gemacht. Erst ging ich hinunter bis zum Meer, folgte diesem Cincottaweg, endete im Felsverhau am Meer. Zu sehen ist gar nichts. Steigt man die linken Felsen hoch, dann sieht man, daß sie auf der anderen Seite senkrecht abbrechen - hinunter zur Höhle. Da, ein Fixhaken. Da hat jemand eine Seilfixierung angebracht, die man wohl benutzt, um die überhängende Wand hinunter zu kommen. Dann steht man am Strand des wasserumspülten Höhleneingangs. Aber ohne Seil und entspreche Seiltechnik geht da gar nichts. Man kann hinein in die Höhle schauen, aber hinunter kommt man nur mit entsprechender Ausrüstung. Man sieht natürlich auch die andere Eingangsbegrenzung. Auch dorthin kann man einigermaßen klettern, aber hinein kommt man deshalb auch noch nicht. Man muß wohl mit dem Boot kommen oder hinschwimmen, was alles nicht unbedingt einfach sein muß. Inzwischen gibt es ja im Internet schon einen Film, der eine Begehung der Höhle zeigt - im Grund ein einfacher horizontaler Gang, der irgendwann hinten zu macht. Wie der Filmersteller dorthin gekommen ist, das wird nicht gezeigt.
Ist diese Höhle der Ort, wo man die Sage von Äolus, dem Gott der Winde, verorten kann? (Für Details: Pichler 192). Im Strombolifilm spielt sie auch eine Rolle. Karin, die Hauptfigur, schwanger, verprügelt vom Ehemann, entflieht mit dem Leuchtturmwärter vor einem plötzlichen Vulkanausbruch in eine Höhle. Viele gibt es dort nicht..
In den Berichten über den großen Ausbruch am 11. September 1930 heißt es, daß ein Bewohner, der sich in Piscita in eine vermeintlich sichere Meereshöhle geflüchtet hatte, von einer Glutlawine, die sich über den Ort ergoß, getötet habe. In so einer Situation, gibt es offenbar keinen "sicheren" Ort mehr. 

Sicherheit - das ist ein Stichwort, auf das man an vielen Stellen der Insel heute trifft. Sogar auf "Tsunami"-Schilder. Vor wenigen Jahren war dieses Phänomen überhaupt noch, allgemein, bekannt. Die "Wissenschaft" ignorierte es, heute, fast 20 Jahre nach dem großen Seebeben im Indischen Ozean, das diese Erscheinung überhaupt erst auf einen allgemeinen Bewußtseinslevel hob, sieht man zumindest den Namen auch hier - und die Hinweise, wo man hinlaufen solle, sollte sich so etwas wieder zutragen.

 


Beim Frühstück in der Hafenkneipe 2018


Blick aus dem Flugzeug auf den Stromboli, August 2021


Filmplakat für "Stromboli"-Film "TERRA DI DIO"
gezeigt auf der 2023er-Ausstellung Vulkane in Rosenheim

 


Literaturempfehlung:

Liparische Inseln (7. Auflage 2016)

Thomas Schröder, 264 Seiten, 7. Auflage 2016, farbig, 16,90 EUR (D), 17,40 EUR (A), 24,90 CHF, ISBN 978-3-95654-244-2

Hier versandkostenfrei (innerhalb Deutschland) online bestellen:

http://www.michael-mueller-verlag.de/cgi-local/mmv-partner.pl?id=alt03&title=liparische_inseln


Literatur:

Eisele-Hein, Norbert Der brennende Schleudersitz: Stromboli, alpinwelt 3/2016, S. 20
Müller, Wolfgang, Kretschmer, Klaudia Vulkane hautnah, Tecklenborg Verlag, 2012
Pichler, Hans ItalienischeVulkan-Gebiete III 2. Auflage, Sammlung geologischer Führer 69, Gebr. Borntraeger, Berlin Stuttgart, 1990
Schröder, Thomas Liparische Inseln, Erlangen, 7. Auflage, 2016

Links:

https://www.youtube.com/watch?v=85ejabNBMgI Grotta di Eolo / Stromboli

http://vulcan.fis.uniroma3.it/gnv/stromboli/escurs.html

https://video.nationalgeographic.com/video/news/161201-italy-stromboli-volcano-vin

http://www.lipari.biz/notizia.asp?idnews=27798

http://www.vulkankultour.de/reisen/italien/liparische-inseln/stromboli/

https://www.youtube.com/watch?v=85ejabNBMgI Grotta di Eolo / Stromboli

http://vulcan.fis.uniroma3.it/gnv/stromboli/escurs.html

http://www.swisseduc.ch/stromboli/

http://www.ct.ingv.it/en/webcam-aeolian-islands.html

 

Liparische Inseln - Äolische Inseln | Feuer und Meer

Liparische bzw. Äolische Inseln, Isole Eolie

https://volcanoes.usgs.gov/observatories/hvo/

Äolische Inseln / Liparische Inseln


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