Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Höhlen bei Altamura, Apulien, I


Der Eingang, heute hermetisch verschlossen


Altamura ist eine kleine Stadt in westlichen Apulien. Dort ist die Landschaft höchstens leicht hügelig bis vollkommen flach. die Reiseführer haben sie schon immer erwähnt, nicht zuletzt wegen der größten Doline in weitem Umkreis, dem Pulo. Dieser Trichter in der Erdoberfläche ist in einer Richtung 500 m lang, in anderen 350m, was einen Umfang 1,80 km ergibt. Die Tiefe wird mit 92 Metern angegeben. Wenn man den Weg findet, dann kann man bis an den Rand der Riesengrube mit dem Auto fahren. Diesen Umstand haben Leute sich zu nutze gemacht, die das hätten besser bleiben lassen sollen. Sie haben nämlich ihr Altauto so entsorgt, daß sie den Schrottkarren einfach den schrägen Hang in die Tiefe rollen ließen, wo er nun allmählich vergeht, sprich dort unten ist jetzt eine kleine Sammlung von Rostlauben.

Einige wenige Höhlen gibt in den Hangwänden, die archäologisch ertragreich waren und einen tiefen Schacht, durch den sich der "Pulo" entwässert.

Auf dem Rückweg vom Pulo auf dem Weg nach Altamura kamen wir, Willi und Doris Adelung und ich, Anfang 2004 an einem auffälligen Portal vorüber, das auf eine Schauhöhle aufmerksam machte. Eine breite geschotterte Straße, links und rechts mit jungen Bäumchen bepflanzt, mündete bei zwei großen Parkplätzen und zwei niedrigen Gebäuden. Gar nicht so wenige Autos waren da geparkt, auch ein großer Bus. Alles strömte in einen kleinen Nebenraum, wo die Kasse war. Wir kamen gerade noch rein und erlebten diese gerade 4 Tage vorher eröffnete "virtuelle Schauhöhle". Ich habe ja schon viele Schauhöhlen erlebt, aber so etwas war sehr ungewohnt. Am ehesten läßt sie sich noch mit der "Grotte Chauvet" in Vallon-Pont-d'Arc vergleichen, an die in einem ehemaligen Supermarkt erinnert wird.

Es geht um die "Grotte di Lamalunga", die ungefähr einen Kilometer von dem Ort des Museums entfernt sind. Von der wirklichen Höhle bekommen die Besucher absolut nichts zu sehen, nicht einmal vom Höhleneingang. Man steht im Halbdunkel in einem ehemaligen Raum des Bauernhofes und sieht überall Bildschirme, auf denen Höhlenbilder erscheinen. Eine junge Italienerin leitete die Besuchergruppe mit spürbarer Begeisterung durch den Raum. Ein exakter 3-D-Plan ist da zu bewundern, Auf den Bildschirm kann man Bilderserien aus der Höhle anschauen und sich live in die Höhle beamen. An mehreren Stellen der Höhle sind ständig Kameras aktiv und ist "kaltes Licht" an, so daß online Bilder hierher geschickt werden. Und es gibt eine Fernsehshow aus der Höhle, wo man die wichtigsten Stellen dreidimensional sehen kann. Ein persönlicher Besuch der Höhle ist ohnehin nicht möglich, nur wenige Wissenschaftler dürfen ausnahmsweise mal hinein. Die Höhle würde sich auch gar nicht zum Ausbau eignen und das, was wirklich besonders ist, ist anders kaum zugänglich - nämlich der Schädel des "Neandertalers", der in einem Felseck mit dem Scheitel nach unten dort sei mehr als 200000 Jahren liegt.

Da unsere Italienichkenntnisse wirklich nicht ausreichend waren, fielen wir schnell auf, und bekamen eine eigene englischsprachige Führung. Carlo Cirrottola machte die für uns, ein junger Mann, der lange in England und Amerika gelebt hatte, um dort zu arbeiten. In der Heimat war keine ausreichende Lebensgrundlage vorhaben, um sich sein Brot verdienen zu können, so wanderte er aus. Mit dem neuen Tourismusprojekt bei der Höhle sieht er seine Chance. Er betreibt jetzt das kleine Cafe gleich dabei und hat große Pläne. Ein richtiges Restaurant soll gebaut werden, auch Übernachtungsmöglichkeiten sollen entstehen, ein Haufen Mountainbikes sind bereits angeschafft und stehen im Raum der alten Bäuerin, die in ihrem hohen Alter wohl nicht mehr viel mitbekommt, was da gerade alles passiert, aber die zusammen mit der ganzen Verwandtschaft sonntags vor ihrem alten Häuserl aushielt. Als ich mich als "Speleo" zu erkennen gab, war gleich das Eis gebrochen.

Und 1 Stunde später waren wir drei mit dem Entdecker der Höhle unterwegs ins Tal von Lamalunga. Auf den ersten Blick sah es für mich nicht so aus, als würden wir uns in einem bedeutenden Höhlengebiet aufhalten, aber das Gebiet hat schon seine speläologischen Reize. Links vom Weg war auf einmal ein Container zu sehen, Schilder, Kabel, Sendemasten, dann ein Zaun, der ein Areal abgrenzte, eine Stahlkuppel. Da drunter ist der heutige Eingang in die Höhle, permanent überwacht und mit direkter Anbindung an die Polizeistation. Unser Weg führte uns ein paar Meter weiter. In der Umgebung gibt es eine weitere Höhle, die "Ziegenhöhle", die wir schnell besuchten. Der Eingang ist erst sichtbar, wenn man praktisch davor steht. Bequem geht es abwärts auf einem lehmigen Boden hinein in eine farbige Halle, die am Ende zu wieder niedriger wird. Angestachelt durch den großen Erfolg in der Nachbarhöhle forscht man auch hier weiter und erweiterte ein enges Loch. Tatsächlich konnte hier eine Fortsetzung für schlanke Leute gefunden werden, die noch etwa 50 Meter hinein in den Berg können. Uns wurde dann noch eine verdächtige Stelle am Berg gegenüber gezeigt, wo eine kleine felsige Grube in leicht geneigten Hang sich auftut. Die auszubuddeln wäre zwar verlockend, aber die Behörden haben jegliche Grabungen zur Zeit verboten, so daß hier die Forschung ruht. Angeblich soll es in der Umgebung noch viele andere Höhlen geben. Wer sich für Forschung dort interessiert, der kann sich ja an die Höhlenforscher von CARS wenden. Die Höhlenforscherfreunde waren mit dem Auto heraufgekommen zu uns, um uns abzuholen und uns den Rückweg leichter zu machen. Am Ende wurde es richtig herzlich, die "Höhlenpräsidenten" schüttelten sich die Hände, fast wäre noch ein Foto gemacht worden, wir sollten doch nächstes Jahr wiederkommen...

Was für ein Erlebnis wieder, mal nicht nur als "Tourist" durch die Lande zu reisen, sondern auch da "Brüdern im Geiste" zu begegnen, die ganz ähnlich empfinden wie wir.

 

 

 

 

 

 

Ein Blick in den "Pulo"
Ein Blick auf Altamuro von der neuen Schauhöhle aus
Ein Sonntagnachmittag 2004 bei der Höhle
Das Restaurant unterhalb des Schauhöhlengebäudes
Bevor es losgeht - ein Stärkung im Höhlenrestaurant
 
Die "virtuelle Höhle" im Schauhöhlenhaus
 
 
Der ist "schuld" an allem
Der Weg ins Lamalungatal
Das Lamalungatal
Ganz in der Nähe liegt eine weitere Höhle:

die "Ziegenhöhle"

 
 
 
 
 

 


Literatur:

Forti, Paolo Il Barbo del Neanderthal abitava in Puglia?... Speleologia 29, 1993, S. 7f.
ohne Verfasserangabe Oldet human, DESCENT (11&) Feb/Mar 1994, S. 23

Links:

http://digilander.libero.it/speleocars/01 Il cars e la grotta di lamalunga.htm

http://www.pietra-viva.it/

 

Landschaft und Höhlen in Apulien


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