Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Orakelgrotte in Palestrina
- dort, wo das Glück angeblich ein Zuhause hat
"Das Lebensgefühl, das sich im Fortunaglauben ausdrückte, oder, wenn man so will, das Mißvergnügen darüber, daß sich der Geschichte kein geschlossener und vernünftiger Text unterlegen ließ, brauchte dann nur in die Reflexion erhoben zu werden, um, wenn der christliche Gottesbegriff einmal verblaßt war, der philosophischen Verurteilung der Geschichte überhaupt Platz zu schaffen.. " Heuß, Kontingenz in der Geschichte 18
Palestrina ist eine malerische kleine Stadt mit 15.000 Einwohnern am Südabhang der Monte Penestrini gelegen, östlich von Rom. Der Blick schweift von dort nach Westen zum Flußtal des Sacco, einem Nebenfluß des Tiber. Warum taucht es hier auf in dieser Serie über Höhlen und ihre Beziehungen zum Menschen?
Im 8. Jahrhundet vor Christus war es schon zu einer ersten Blüte gelangt, im 4. und 3. Jh. v. Chr. hatte es dann große Bedeutung erlangt wegen des Fortuna-Heiligtums. Es soll einmal eine der großen Orakelstätten Italiens gewesen sein, etwas mit Delphi in Griechenland vergleichbar.
Kernpunkt war die Überlieferung, daß ein Numerius Suffucius in einer Grotte beschriftete Stäbe aus Eichenholz - die Sortes Praenestini - gefunden habe. Aus einem nahestehenden Ölbaum sei zugleich aus Honig hinzugeflossen, was für ein deutliches Zeichen für die überirdische Bedeutung der Stäbe gehalten wurde. Aus dem Ölbaum fertigte man einen Schrein, in dem man die Sortes aufbewahrte. Kam ein Ratsuchender zum Orakel, so mischte ein Knabe die Stäbe und ließ dann den Fragenden eines der Hölzer ziehen. Priester deuteten dann das Los.
Von diesem Orakel berichtet bereits Cicero im 1. Jh. v. Chr. in "De divinatione". Viele glaubten nicht daran, aber es bliebt Bestandteil des Volksglaubens. Bis 392 n. Chr. war es eine wichtige Kultstätte, dann wurde es von Kaiser Theodosius geschlossen.
Die noch heute erhaltenen Reste des Fortunatempels stammen aus dem 2. oder 1. Jahrhundert vor Chr.. Lange Zeit war das gesamte Gelände überbaut. Erst die Bombardements des 2. Weltkriegs führten zur Zerstörung des mittelalterlichen Stadtkerns und brachten das Kulturerbe wieder ans Licht. 1952-55 wurden sie dann wieder ganz freigelegt.
Aus höhlenkundlicher Sicht ist der untere Bezirk am interessantesten. In dem Area sacra genannten Bezirk ist ein Raum mit Basilika-Grundriß. Über ihn kommt man in die sog. Orakelgrotte, eine ausgebaute Höhlung im Felshang, der l'Antro delle Sorti. Der Fußboden ist mit einem teilweise erhaltenen Mosaik bedeckt, das Meerestiere darstellt. In diesem Raum wurde lange Zeit das Bild der Fortuna aufbewahrt, die ihre Kinder Jupiter und Juno säugte.
Gerne hätte ich 1992 mich dort einmal umsehen, allein die Türen waren geschlossen, nirgends jemand da, es blieben nur spärlich Blicke auf und über Mauern. Jedenfalls hat dieser Ort viel mit "Höhlen" und dem "Glück" zu tun. Und das lockt!
Hinweis darauf, daß da wohl eine Höhle ist | |
Der Zugang zum Fortunaheiligtum im Jahre 1992 - leider war er damals zu, als ich da war |
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Kleine Grotte neben der Straße in Palestrina - eine Nachbildung der Originalgrotte vielleicht? |
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Ein Blick über den Zaun in den Tempelbezirk ...da müßte die Grotte der Göttin des Glücks drinnnen liegen |
Literatur:
Hagen, Hemmie, Peter, Carmen | ROM - LATIUM, Michael-Müller-Verlag, Ebermannstadt 1985 |
Heuß, Alfred | Kontingenz in der Geschichte, in: Bubner, R., Cramer, K., Wiehl, R. (1985): neue hefte für philosophie, Vandenhoek & ruprecht/Göttingen |
Links:
http://spazioinwind.libero.it/nuovapraeneste/visitaguidata1.htm
Landschaft und Höhlen in Latium.htm
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