Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Höhlen von Toirano, Li, I
So manche Höhle kommt in der Beschreibung weit unter ihrem Wert weg. In dem DUMONT-Reiseführer "Italienische Riviera" heißt es da: "Die ausgedehnten Höhlen in schöner Felslandschaft sind auf geführten Rundgängen von 70 Min. Dauer zugänglich. Neben INTERESSANTEN TROPFSTEINFORMATIONEN, kleinen Grottenseen und korallenförmigen Steingebilden finden sich als besondere Attraktionen 12 000 Jahre alte menschliche Fußspuren sowie die Knochen eines riesigen, aufgerichtet fast 3 m großen Höhlenbären."
Tatsächlich ist hier ein Blick auf Tropfsteine möglich, die
normalerweise nie jemand zu sehen bekommen würde. Im "Antro
die Cibele" wurde ein bei der Entdeckung noch vollkommen mit
Wasser gefüllter Raum angetroffen, der erst später entleert
wurde und der heute trocken zugänglich ist. Auf italienisch
heißt das, was man da dann sieht "concrezioni
mamellonari", unglaubliche gelbliche Gebilde, die an riesige
hängende Penisse erinnern, und die eben nur unter Wasser
entstehen. Ein echtes Naturwunder.
Auf der 1300 m langen Reise durch die Unterwelt, die heute
möglich ist, nachdem mehrere Tunnels die Verbindung zwischen
drei vorher voneinander getrennten Höhlen ermöglichten, sieht
der Besucher noch mehr Erstaunliches: Wohl nur ein einziges Mal
vor Tausenden vor Jahren ist eine kleine Gruppe von Menschen in
dieser Höhle schon unterwegs gewesen. Merken tun wir das heute
nur noch an deren Spuren, hier der Abdruck eines nackten Fußes,
dort griffen die Finger in den Lehm, dort drückte sich ein Knie
in den weichen Boden. Auch Höhlenbären kamen hier herein,
hinterließen Tatzenspuren, zogen Rillen mit ihren Krallen an den
Wänden, verendeten in der Höhle und sind heute im
"Cimitero degli Orsi" noch zu sehen.
Sinterformen gibt es überall in der Höhle, den gesamten
klassischen Formenschatz und noch mehr. Kulminieren tun sich die
Säulen im Pantheon, wo sie groß und frei dastehen, eine davon
abgebrochen durch die Kräfte der Natur. Besonders reizvoll sind
die Stalagmiten und -titen, die in frühere und heutige
Wasserbecken hin- oder herausragen und oft Verbreiterungen an den
Rändern bekommen haben. Höchst ungewöhnliche Gebilde sind so
entstanden. Erwähnen muß man natürlich auch die vielen
Aragonitblumen und Kristallausblühungen jenseits des Pozzo del
Ade, die ihresgleichen suchen.
Auch der Akustik sei hier ein Wort gewidmet. Auf der "Orgel", italienisch "'Organo", spielt der Führer ein richtiges Musikstück, das die kleinen Sinterfahnen, die er da anschlägt, richtig zum Klingen bringt. Im Ramo fossile der Grotta inferiore di Santa Lucia kommt man an einem Holzpodium vorbei, das den Ort markiert, wo im Sommer wegen der sehr guten Akustik dort regelmäßig Musikaufführungen in der Höhle stattfinden.
Es gibt noch zwei weitere Höhlen in dem Areal der Toiranohöhlen. Die Grotta di Santa Lucia mit ihrer alten Höhlenkirche ist sehr oft geschlossen. Ein alter Steinweg führt hinauf zum Tor durch das meist nur ein Blick auf das Kirchenportal möglich ist. Unterwegs kommt kommt man an einigen Eisenleitern vorbei. Folgt man denen aufwärts, dann gelangt man einiger Kletterei mit Leitern und Seilsicherung hinauf zum Eingang der Grotta del Colombo, der ebenfalls durch ein Gitter verschlossen ist.
Eingang Grotta della Bàsura | ||
Organo Der Boden eines Wasserbeckens |
||
Sintergebilde im Wasser | ||
Ob da die Steinzeitmenschen auch schon ihren Finger
hineingesteckt haben? Kratzspuren der Bären an den Höhlenwänden |
||
Die Sinterformen, die jede Reise dorthin lohnen | ||
Aragonitblumen | ||
Das Pantheon | ||
Im "Musikraum" der Höhle | ||
Zurückkommen aus der Erde in der Grotta inferiore di Santa Lucia |
||
Heraustreten aus der Höhle in eine kalte
Oktobernacht 2003 Die nachts beleuchtete Eingangsregion der Grotta di Santa Lucia |
||
Das Schauhöhlengebäude und das Logo | ||
Die Eingangsregion der Grotta inferiore di Santa Lucia im Tageslicht | ||
Die Höhlenkirche am Eingang der Grotta di Santa
Lucia Eine alte Darstellung |
||
Ein Blick durch das verschlossene Eingangstor zur Höhlenkirche | ||
Grotta della Colombo | ||
Was man alles nicht machen darf in der Höhle - Rauchen, Hundemitführen, Fotographieren.... |
Erstaunlich ist schon, wie lange man den Höhlen nur wenig Interesse geschenkt hat. Nach dem Intermezzo mit dem kurzen Höhlenbesuch vor 12000 Jahren scheint nicht mehr viel tief drinnen in der Höhle losgewesen zu sein. Nur in den Eingangszonen hielt sich der Mensch auf, hinterließ dort seine Spuren, beerdigte z.B auch in der Römerzeit seine Toten dort. Lediglich die Höhlenkirche wurde auch im Mittelalter viel besucht. Erst 1890 erforschte ein Nicolò Marelli wieder die Eingangszone der Grotta della Basura. Bis 1950 dauerte es, bis junge begeisterte Höhlenforscher aus Toirano eine Engstelle am Ende bezwangen und tiefer vordringen konnten. Bereits 1953 wurde dann eine Schauhöhle daraus. 1967 wurde der Tunnel zur benachbarten Grotta di San Lucia Inferiore geschlagen, so daß der heutige Führungsbetrieb möglich wurde. Die Besucherzahlen bewegen sich oberhalb der 200000er Marke.
Literatur:
Gobetti, Andrea |
L'Italia in Grotta, GREMESE EDITORE, Rom 1991 |
Societa Speleologico Italiana, a cura di Bixio, Roberto | le nostre grotte - guida speleologica ligure, sagep editrice, Genova 1987 |
Bonzano, Claudio, Calandri, Gilberto | degli aspetti religiosi nelle grotte della liguria occidentale, bollettino 22-1984, p. 17ff. |
Chiesa, Roberto, Castellino, Stefania | La Grotta Santuario di Santa Lucia, Speleologia 40-1999, S. 45ff |
Links:
http://www.toiranogrotte.it/
http://www.emmeti.it/Arte/Liguria/ProvSavona/Toirano/mus_grottad_basura.de.html
http://www.campinglino.de/ausflug.htm
Landschaft und Höhlen in Ligurien
Ein Wassertropfen
[ Index ] | [ Englisch version ] | [ Höhlen und Höhlengebiete ] | [ Kunst ] |
[ HöRePsy ] | [ Höhlenschutz ] | [ VHM ] | [ Veranstaltungen ] | [ Links ]- |