Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Grotta del Vernino, Marken, I


Wie lang ist eine Höhle? Wenn sich Publikationen anschaut, wo die Grotta del Vernino in der Nähe von San Vittore di Genga beschrieben wird, so kann man Angaben zwischen 300 und 600 m Gesamtganglänge finden. Jeder dieser Werte hat wohl seine Berechtigung, weil der hohe Wert nur herauskommt, wenn man bei einem Gangsystem, das übereinander in einer Spalte liegt, alle Ebenen rechnet, in der Vernino sind es drei, dann kommt auf weit höhere Zahlen, als wenn man sich auf eine Ebene beschränkt. Und die meisten Besucher werden auch nur die 300 m sehen.

Die Höhle ist wohl schon seit Urzeiten bekannt. Von San Vittore di Genga muß man auf die Gola della Rossa zustreben. Das ist heute nicht mehr der Hauptweg, denn der verläuft heutzutage einige Meter südlicher auf einer immer autobahnähnlicher werdenden Trasse. Die alte Straße wird immer mehr ein Relikt aus alten Zeiten und ist auch tatsächlich ab den ersten Felsen für Autofahrer gesperrt. Nur noch Radlfahrer, Fußgänger und Notdienste dürfen sie benützen.
Gleich beim ersten Durchfahrtsverbotsschild wäre auch der beste Parkplatz, von dem aus man die Grotta del Vernino erreichen kann. Den richtigen Weg dorthin zu finden ist eigentlich kein Problem, denn große Holzschilder und deutlichen Hinweisen zeigen dorthin. Es geht kräftig bergauf, erst auf Schotterwegen und dann in zahlreichen Zickzackwegen immer mehr auf die rechtsseitig sich immer abweisender zeigenden Felsen. Viele Menschen scheinen den Weg nicht zu nehmen, zumindest im Augenblick, denn er begann bereits wieder unter einer wuchernden Strauchvegetation zu verschwinden im Mai 2007.

Ich war unterwegs mit einer kleinen Gruppe der Chiemgauer Höhlenbären, die die Pfingsttage in Umbrien und den Marken verbrachten. Tage zuvor war schon Günther Forstmeier hierher unterwegs gewesen und hatte den Zugang erkundet. Er kam zurück und charakterisierte alles als "Kinderhöhle". Nun, wir hatten ein paar Kinder tatsächlich dabei, aber die waren hier, die sich nicht die Strapazen der Mezzogiorno-Frasassihöhle antun wollten. Wir konnten den Hauptteil tatsächlich mit wenig Ausrüstung begehen, obwohl wir schon richtig auch mit Schlaz und Karbidlampe ausgerüstet waren. Aber schon am Eingang war es sehr bequem. Nirgends mußten wir uns auch nur bücken oder irgendwo durchzwängen. Ein kleines Lämplein, z.B. eine Tikka, reichte völlig. Erst einmal. Dann kam eine Verzweigung, rechts und links ein Loch im Boden. Gings da wirklich einfach weiter?

Otto faßte sich ein Herz und stieg auf einer fixen Eisenklammer erst hinunter und später über eine weitere wieder hinauf. Danach verschwand er für lange Zeitl. Der Rest der Truppe folgte. Mana, Weiba und Kinda. Alles ging gut. Wir kletterten runter, vermieden den Absturz nach rechts, hielten uns links. Ein paar flinke Griffe und schon waren wir alle oben. Da war Ottos Lichtlein wieder zu sehen. Er erzählte was von schönen Räumen. Wir folgten ihm. Tatsächlich, ein zwar schon sehr beschädigtes, aber irgendwie halt nie ganz vernichtbares Steinreich tat sich vor uns auf. Da ein Tropfstein, da eine Wandfigur, wilder Bodensinter und kein Ende. Nach oben zu waren die Räume manchmal kaum auszuleuchten. Auch da oben schienen sich noch Räume zu öffnen, die hätten aber heftige Kletteroperationen von uns verlangt. Wir blieben lieber im bekannten Gelände. Natürlich kam das, was in unendlich vielen anderen Höhlen auch der Fall ist - eine Art Steinpfropfen blockierte alles. Und wie in unendlich vielen anderen Höhlen hatte der Mensch diese Grenze nicht akzeptiert und hatte sich durchgehauen. Der Durchgang ist inzwischen so breit, daß man ihn sogar in Shorts und kurzem Hemd mit einer Tikka auf dem Haupt mit einer leichten Körperverdrehung machen kann. Danach wird es, natürlich, gleich wieder größer. Der subterrane Spaziergang kann weiter fortgesetzt werden, bis..... Da wurde es dann wirklich eng. Körpergroß ging es da nur noch weiter, aber wir hatten eine "Geheimwaffe" dabei, ein "Spötzlkind". Die haben einfach einen natürlichen Vorteil an sich, den wir Erwachsene schon hinter uns haben, die dem Alter angepaßte Körpergröße. Wo es mich nur gewürgt hätte....
Am Ende half natürlich alles nichts. Auch Gittis Sprößling kam zurück und sagte, daß es da nicht mehr weiterginge. War auch weiter gar nicht schlimm, denn der Ausgang und die warme Außenwelt haben einfach auch ihren Reiz.

 
 
 

Literatur:

Gobetti, Andrea L'Italia in Grotta, Roma 1991

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