Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Grotta Giusti und die Grotta
Maona
- zwei Schauhöhlen im Arnotal, Toskana, I
Im Arnotal zwischen Florenz und Pisa gibt es zwei Schauhöhlen, die auch schnell durchreisende Besucher zumindest von außen wahrnehmen können. Reinzukommen ist schon was anderes.
Richtig einfach ist das bei der Grotta Maona. Man muß nach Montecatini fahren und dort einen Weg Montecatini Alto suchen. Überall sind die bekannten braunen Höhlenwegweiser mit dem Menschen in der Tropfsteinhöhle und dem Namen der Höhle zu sehen. Hat man mal die Höhen des Val di Nievole erklommen, dann ist das große Schild auf das Dancing und die Schauhöhle nicht zu übersehen. Ein großer Parkplatz ist da für Busse und andere Autos inmitten einer parkähnlichen Landschaft. Vermutlich machen die Betreiber der Schauhöhle mit ihrem "Dancing" viel mehr Kohle als mit der Höhle. Besonders der Mittwochabend sei beliebt bei Touristen und Einheimischen, wo es "Festa a Temas" (Spezials) mit Geschenken und Mitternachtsüberraschungen gäbe. Außerdem biete man toskanische Spezialitäten an: crostini misti, fettunta und tostati.
Nun zur Höhle. Sie ist zwischen 9 und 12 und 15 bis 18 Uhr geöffnet, ganzjährig. Allerdings müssen genügend Leute dasein, damit geführt wird. Bezahlen muß man 4,50 (Juni 2007). Ich war allein, deshalb fragte ich die Frau an der Kasse, ob ich nicht alleine hineinkönnte. Sie lehnte ab (Wenn ich nicht daran denke, wo wir nicht überall schon ohne Führung gewesen sind! Auch in großen Schauhöhlen! Unglaublich, was das wirkliche Leben nicht für Geschichten schreibt). Aufgeben? Weitereilen? Nein, ich beschloß, erst einmal die Umgebung zu erkunden. Zuerst einmal war nicht ersichtlich, wo sich denn der Eingang zur Höhle befinden sollte. Da führte ein Weg neben dem Kassenhäuschen in eine Schlucht hinab, aber wo sollte der Eingang sein? Auf dem Grund der Schlucht vielleicht? Ich schauter herum, die Schlucht wurde weiter oben immer mehr zu einem Graben, der an einer Stelle von einem Mauerwerk, das an ein Aquädukt erinnerte durchquert. Überall hinderten Zäune an der freien Erkundung des Geländes. Nichts Offensichtliches zeigte sich da. Das Glück meinte es gut mit mir in Form eines Atuo mit dem Länderkennzeichen F, dem ein mittelalterliches Paar entstieg, das auch in die Höhle wollte. So hatten wir offenbar die Mindestanzahl für eine Führung erreicht und wurden eingelassen.
Ungefähr 200 m ist die Höhle lang, die bei
Steinbrucharbeiten vor bald 150 Jahen angefahren worden ist. Man
hat den weiteren Abbau eingestellt und so die Höhle erhalten.
Der Tropfsteinschmuck hat besonders während des zweiten
Weltkriegs gelitten, als die deutsche Wehrmacht die Höhle als
Kühllager und Munitionsdepot verwendete. Auf gebahnten Wegen ist
so eine kleineTropfsteinhöhle zu besichtigen, deren Figuren uns
dann im alles vermenschlichenden Ton als "Steinerner
Wald", als "Krippe", "Wasserfall" und
"Turm von Pisa" vorgestellt wurde. Viel Zeit braucht
man nicht für den Besuch einzuplanen, denn alles ist sehr
übersichtlich. Immerhin haben wir eine Fledermaus aufgeschreckt,
die anschließend durch die Gänge kurvte.
Was ich nicht verstanden habe, das ist die Anmerkung im
Schauhöhlenprospekt, daß die Höhle die einzige Italiens sei,
"which you can enter, follow the traced path admiring
natural formations, and leave withour retracing your steps."
Vielleicht entfiel dieser Gang bei unserer Minigruppe. In Tony
Oldhams Beschreibung der Höhle taucht ein zweiter Eingang auf,
den wir auch nicht begangen haben. Was damit wohl gemeint ist?
Wer die Thermalhöhle "Grotta Giusti" einfach so besuchen will, vor dem tun sich ganz andere Hindernisse auf. Sie liegt südlich von Monsummano. Sucht man nach Wegweisern, dann kann man lange suchen. Die "Grotte" kommt nur noch im Gesamtnamen vor, von Zeichen ist das nichts mehr zu sehen. Es geht nur um diesen Badekurkomplex, der sich dort entwickelt hat. Aus dem Jahre 1770 stammen die ersten Aufzeichnungen, die von "Trattato di Bagni Montecatini" berichten. Die Höhle ist erst seit 1849 urkundlich nachweisbar, als Arbeiter in einem Steinbruch, der im Besitz der Familie Giusti, liegt, zuerst auf austretende Dämpfe und dann auf die Höhle stießen. 1854 befaßte sich Targioni Tozzetti, ein Chemieprofessor aus Pisa, mit den heilenden Wirkungen des Thermalwassers und veröffentlichte eine Arbeit darüber. Der wohl bekannteste Kurgast, den die Höhle jemals hatte, war wohl Giuseppe Garibaldi, der sich wegen seiner Artrose dorthin begeben hat. Giuseppe Verdi, dem berühmte Opernkomponist, wird der Satz zugeschrieben, daß es sich bei Grotta Giusti um das "Achte Weltwunder" handele.
Heute prägen gepflegte Parkanlagen das Bild, ein großer
Parkplatz auch hier vor dem Gebäude. Durch Arkaden trat ich ein
im Juni 2007, genauso wie Jahre vorher schon. 1969 war ich schon
mal dort. Damals war es ganz einfach. Ein paar Lire auf den Tisch
und schon waren in der einmaligen Dampfhöhle. Es war wie ein
Vorhof zur Hölle. Mit jedem Schritt wurde es heißer,
unerträglicher. Bis auf 34° steigt das Thermometer. Man hat
eindrückliche Namen für die drei Haupthöhlenteile vergeben:
"Paradiso, Purgatorio und Inferno". In den niedrigen
Räumen lagen die Menschen, eingehüllt in ihre Bademäntel auf
Liegen, am bewegtesten war die dampfende Luft. Jahre später
kamen wir noch einmal vorbei, fragten, ob wir in die Höhle noch
reinkämen, wurden abgewiesen, weil wir schon zu spät dran
seien.
Vor einer Woche habe ich es wieder probiert. Fast niemand war da.
Zwei attraktive Empfangsdamen vor ihren Bildschirmen, eine
telefonierte mit irgendjemand irgendwo, die andere konnte nicht
die Sonderwünsche des einzigen Gastes vor mir ganz erfüllen.
Als ich an die Reihe kam, sagte ich, ich möchte die Höhle
besuchen, wie viel das kosten würde. Die Antwort: Die Höhle
könne man nicht besuchen. Man könne nicht einfach in die
Grotte. Man müsse schon ein ganzes Paket nehmen, das sei wie ein
"Turkish Bath". 40 koste das, nach der Höhle
würde man massiert und so weiter. 40 EURO? Das ist Rekord!
Europaweit sicherlich.
Angeblich werden doch mit unserem Wirtschaftssystem (das
"kapitalistisch" wieder zu nennen wieder ein bißchen
aus der Mode gekommen ist) unsere "Bedürfnisse"
erfüllt. Angeblich. so erzählen wir das in den Schulen den
Kindern. Geht es nicht eher darum, daß Geld verdient/gemacht
wird? Möglichst viel, wenn es geht. Am besten geht es, wenn man
Monopolist ist. Dann kann man verlangen, was man will. Es gibt ja
keinen Wettbewerber. Und diese Thermalhöhle ist ziemlich
einmalig. Man muß schon nach Ungarn zum Beispiel gehen, um in
Miskolc-Tapolca was zu finden, was vom Badeerlebnis zwar noch
viel stärker ist, aber Miskolc-Tapolca, wo liegt das eigentlich?
So kann man sich in seinem regionalen Monopol aalen und Preise
verlangen, für die viele Menschen heute sehr lange schon
arbeiten müssen.
Ich bin nicht mehr reingegangen, denn so eine Preis- und
Leistungsgestaltung finde ich schon unverschämt. Ich muß halt
von meinen Erinnerungen ein bißchen länger alleine leben.
Ein außergewöhnliches Erlebnis kann man im warmen Endhöhlensee erleben. Dorthin können abenteurhungrige Leute mit Hilfe von Tauchführern gelangen.
Literatur:
Vittorio, Verole, Bozzello | Le Grotte d'Italia - guida al turismo sotteraneo, Bonechi Editore, Florenz 1970 |
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