Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Covolo di Campo Silvano, Monti Lessini, Veneto, I


 

Ein klassisches Ziel für Besucher der Monti Lessini ist Camposilvano mit seinem Valle delle Sfingi, dem Tal der Sphinxe. Ich kam mit großen Erwartungen hin und war, ehrlich gesagt, erst einmal enttäuscht. Das lagen sie rum, die Felsblöcke. War das wirklich dieser überall abgebildete und beschriebene Ort? Oder war es nicht in Wirklichkeit doch wo anders? Man muß schon wirklich hier herumwandern zwischen den großen Blöcken, hier eine Steinbastion sehen, die eine kleine Öffnung mitten durch hat, dort eine senkrecht gestellte Steinplatte, die ein Loch hat, da einfach mal auf einen dieser Felstürmchen klettern, um von oben einen besseren Blick zu haben. Doch, so etwas findet man wirklich nicht alle Tage, eine Laune der Natur. Bei der Kirche im Ort kann man eine richtige Natursteinskulptur bewundern. Hier hat man einen solchen Steinturm von seiner Unterlage abgesäbelt, seitlich quergestellt und eine Erinnerungstafel drangehängt - an die vielen Auswanderer, die ihr Heimatland verlassen haben.

Nicht weit vom Ort ist heute ein Museum zu besichtigen, das sich der naturhistorischen Geschichte des gesamten Gebietes annimmt. Daß es gerade dort ist, ist bestimmt kein Zufall. Denn mit dem Kauf der Eintrittskarte, darf man auch legalerweise die Covolo die Camposilvano besuchen, die über einen kurzen Fußweg hinter dem Gebäude erreichbar ist - ein Steilwanddoline, die nach unten zu in eine Riesenhöhlenhalle übergeht. 80 m wird als Gesamttiefe angegeben, eine Gesamtganglänge ist schwer anzugeben, denn so ein Gebilde ist zwar zu vermessen, aber die Zahlen sagen wenig aus. Jedenfalls ist es ein gewaltiger Hohlraum, der einen umgibt. Leider erreicht der Normalbesucher heute die eigentliche Höhle gar nicht mehr.

Sobald ein Blick nach unten möglich ist, verwehrt ein Verkehrszeichen den Weiterweg, aus "Sicherheitsgründen". Man könnte ja ausrutschen und ein wenig runterfallen. Wenn man diese Logik weiterdenkt, gehört diese ganze Welt sofort gesperrt! Alles gefährlich, meist noch viel gefährlicher als hier! Wie sollen die Menchen jemals den Umgang mit "Gefahren" lernen, wenn man sie schon von den kleinsten "Anforderungen" fernhält? Solche kleinen Erfahrungen sind einfach notwendig! Der Boden trägt uns, meistens, aber nicht immer. Wenn ich nicht vorsichtig bin, dann könnte ja was passieren! Die "abgesicherten" Besucher der Höhle fahren dann vielleicht hinterher wie die Wilden auf den Straßen und verunglücken da. Da sind aber die Verwalter dieses Ortes ja nicht mehr verantwortlich dafür, auch wenn sie die Leute vorher kräftig "frustriert" haben.

Da steckt ein unseliges Denken dahinter. Die ungesicherte "Natur" ist "gefährlich". Aber was ist "Natur"? Im Herbst 2009 gab es im "Haus zur Wildnis" im Nationalpark Bayerischer Wald eine Vortragsreihe zum Thema "Wildnis und Nachhaltigkeit". Von dort habe ich die folgenden Ideen mitgenommen: Aristoteles hat die "Natur" als das definiert, was nicht der Mensch geschaffen hat. Da sind die "Natur" und der "Mensch" auseinandergetreten. Das ist genau dieser Geist. Dann gibt es auch die Sicht eines Galileo Galilei: Der Mensch ist ein Teil der Natur, genauso wie alles andere auch. Natur und Mensch lassen sich vielleicht für Denkzwecke voneinander trennen, aber im Grunde sind und bleiben wir eins (was im übrigen auch die großen Relionen sagen: Om, All is One. Allah...). Ein Teil der Natur kann einen anderen nicht wirklich ausschließen, theoretisch. Praktisch stellt er noch Schilder auf "VIETATO L'ACCESSO", im Namen von was, eigentlich? Gibt es da "höhere" und "niedrigere" Teile der Natur? Was für ein Verhalten ist "nachhaltiger"? Das, das uns heute direkte Erfahrungen mit allen Sinnen in der Natur ermöglicht, auch wenn man Risiken damit eingeht - oder das, das "Risiken" vermeidet. "Handle stets so, daß du auch noch sieben Generationen später gerne leben würdest." So wurde bei einigen Indianerstämmer überlegt, ob ein Verhalten "richtig" oder "falsch" ist.

 
   
   

Ein kleines Steinpilznaturwunder


Literatur:

Federazione Speleologica Veneta
a cura di Mietto, Paolo, Sauro, Ugo
Grotte del Veneto - Paesaggi carsici e grotte del Veneto, 1989
Gobetti, Andrea L'Italia in Grotta, Gremesse Editore, Roma 1991
Busellato, Leonardo und Gruppo Grotte Schio Dimensione Buio, Schio 1991

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