Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Das Schafloch im Justistal, Kanton Bern
Am 15. August 1895 besucht der Amerikaner Edwin Swift Balch auf seiner Forschungsreise, die Eishöhlen betreffend, von Interlaken herkommend, diese schon länger bekannte Höhle. Er heuert einen Führer an, Emil Von Allmen, und die Beiden marschieren um "Viertel vor Sieben" in Merlingen los und erreichen und "10 nach 10". Sie marschieren den ganzen Weg hinauf, durch das "Wüste Thal", das weiter oben "Justiz Thal" von ihm genannt wurde. Über steile Gras- und Felshänge geht es hoch, auf etwas, was er nach dem Baedeker als "giddey path" bezeichnet, allerdings unter Auslassung des Pfades. Auf 1.752 m liegt der Eingang, wo sie eine niedrige Mauer vorfinden, die den Eingang ein wenig verschließt. Dort essen die Beiden erst einmal, "chicken and cheese", und lassen sich das beste Getränk für Reisende schmecken, "cold tea". Der Rauch der angezündeten Zigarre steigt senkrecht nach oben - ein Zeichen, daß es keinerlei Luftzug aus der Höhle gibt. Sie betreten die Höhle, folgen dem ständig absteigenden Gang bis sie auf weiches Eis stoßen. Mit der Eisaxt werden Stufen geschlagen, dem/r "most invaluable friend in a ice cave". Als Beleuchtung hatte man eine Fackel mit dabei, ein Stück Seil, getaucht in Pech, das immer wieder auf die Kleidung tropfte. Man erreichte einen Raum, in dem mehrere Eisfiguren zu sehen waren, ein Eisstalaktit, der vom Boden bis zur Decke reichte und 5 m hoch war, dann noch einige Eisstalagmiten, die wie Pyramiden oder Kegel ausgesehen hätten. Bei der Untersuchung der Eiskegel stellte sich heraus, daß einige innen hohl waren. Der Führer zündete innen ein bengalisches Feuer an und erleuchtete einen von ihnen in einer rosa Farbe, was den amerikanischen Gast an "Alpenglühn" erinnerte. Daß sich die Eisfiguren wieder auflösten, das führte Balch auf die sommerliche Erhöhung der Temperaturen draußen zurück, ein Gedanke, der uns heute selbstverständlich erscheint, aber damals offenbar noch nicht überall geglaubt wurde. Weiter drinnen erreichte man den "Gletscher", ein Wort, das Balch sich sehr wunderte, daß es hier angewendet wurde. "I never heard (it) applied elsewhere to subterranean ice" (23). Van Allem hackt 12 Stufen in das Eis, was Balch ziemlich überflüssig findet, "un unnecessary safeguard". Er steigt in der Randspalte nach unten. Immer wieder fällt ihm das Thema "Farbe" auf: "Black was the predominantely color; and even the ice was a dark gray, and only appeared white in the high lights" (24). Die Höhle endet an "fissure columns", die so regelmäßig geformt sind, daß er meint, sie seien von Menschenhand gemacht. Es gibt auch keinerlei Sinter, woraus er schließt, daß sie nur selten in Eishöhlen vorkommen würden. Als Balch und der Führer die Höhle verlassen, fällt ihm die "brilliant blue color" auf, die vom Eingang her stammt, von der er assoziiert, sie sei "flooded with moonlight" (24). Damit bricht der Bericht ab.
Das Schafloch war eine der Höhlen, die anläßlich von Sinterlaken 2019, der Tagung des Schweizer Höhlenforscherverbandes SSS-SGH als eine der Höhlen ausgeschrieben war, die jeder jederzeit auch ohne Führung begehen könne. Sie liegt im Sigriswiler Rothorn und unterqueret den Sigriswilgrat. Erreichbar sei sie sowohl vom Justistal aus, als auch von der Zettenalp von der anderen Seite. Heute ist sie auf eine Strecke von 800 m begehbar, wobei die ursprüngliche Höhle sehr verändert wurde und mittels eines Stollens bis zur anderen Bergseite verlängert wurde. Der Zweck war der Ausbau zu einer Militärstellung.
Ein früher Hinweis auf die Höhle stammt von General Dufour, der 1822 darüber einen Bericht veröffentlichte. 1884 vermaßen Berner Ingenieure die Höhle. Und dann kam Balch...
Ich war im Anschluß an Sinterlaken 2019 zumindest schon auf dem Parkplatz in Justistal, von wo aus man zur Höhle hätte aufsteigen können. Er ist nicht zu übersehen, denn dort lagert heute ein riesiger Felsblock. Er kam erst vor wenigen Jahren plötzlich vom Sigriswilgrat heruntergekracht. Was wird nicht alles heute aus Sicherheitsgründen gesperrt, bei Höhlen ist ja die "Steinschlaggefahr" sehr beliebt, wo wahrscheinlich eher der Mond auf die Erde kracht. Und da ist so etwas wirklich passiert. Jetzt ist wieder Ruhe. Eine Nacht verbrachte ich neben dem Riesenbrocken. Am nächten Morgen regnete es kräftig, ich hatte keine Lust nass zu werden, so fuhr ich weiter. Eine Höhle, die ich eines Tages auch einmal besuchen möchte....
Blick zum Niederhorn vom Justistal aus | ||
Literatur:
Am Acher, Paul | Das Schafloch im Justistal. Jahrbuch vom Thuner- und Brienzersee, 1994, S. 46–106 |
Balch, Edwin Swift | Glacières or Freezing Caverns, Johnson Reprint Corporations, New York and London, 1970 |
Bamberg, Elisabeth | Höhlen im Berner Oberland - Potenzial der geotouristischen Nutzung, Bachelorarbeit 2018 |
Dufour, Guillaume-Henri | Notice sur la caverne et glacière naturelle du Rothorn, dite le Schafloch, ou trou des brebis. In: Bibliothèque universelle des sciences, belles-lettres, et arts, 21, 1822, S. 113–118. |
Knapp, Charles, Maurice Borel, Victor Attinger, Heinrich Brunner, Société neuchâteloise de géographie (Herausgeber) | Geographisches Lexikon der Schweiz. Band 4: Plessur – Schweiz. Verlag Gebrüder Attinger, Neuenburg 1906, S. 550, Stichwort Schafloch |
Körber, Hans | Das Schafloch. Vermessen von A. Wyttenbach und Ph. Gosset, beschrieben von H. Körber (Section Bern). In: Jahrbuch SAC, 20, 1885, S. 316–343. |
Links:
http://www.hikr.org/tour/post121346.html
http://www.hikr.org/dir/Schafloch_14994/
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=evrozwxjtsujocys
https://www.festung-oberland.ch/sperren/reduitbrigade-21/schafloch/
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