Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Im Gebiet von Skaftareldahraun/Island



Zwischen Vik und Kirkjubaejarklaustur auf der Südseite Islands zweigt ein erst nur schmales und schottriges, dann immer weniger befahrbares Sträßlein ab, geschaffen und ein wenig erhalten von den 4 Bauern, denen das Land gehört. Es führt eigentlich nirgends hin, oder besser nur hinauf in die Lavaflächen, die bei dem heftigsten Vulkanausbruch in den letzen 1.000 Jahren entstanden sind. Man kennt genau das Datum: den 8. Juni 1783. Durch Explosionen entstand eine Kluft mit 130 Kratern. Flüssiges Magma schoß nach 5 Tagen durch die Schlucht des Flusses Skaftar bis hinunter in die Tiefebene auf Meereshöhe. 8 Monate lang dauerten die Eruptionen und veränderten mit ihren schwefelhaltigen Gasen wie nie vorher oder hinterher das Klima und das Leben der Menschen auf Island. Auch das übrige Europa war sehr betroffen. Der Sommer 1783 ging als "Sandsommer" in die Geschichte Großbritanniens wegen des Leidens, das er für die Menschen mit sich brachte, ein. Bis 1785 dauerten die bis zu 1,4 km hohen Eruptionen, wobei geschätzte 8 Millionen Tonnen Hydrogenfluorid und 120 Millionen Tonnen Schwefeldioxid freigesetzt wurden, die den "Laki-Schleier" über Europa verursachten. Es wurde auch schon die Hypothese aufgestellt, ob nicht die Französische Revolution 1789 auch eine Fernfolge dieses beispiellosen Naturereignisses gewesen sei.

Das in dieser Zeit entstandene Lavafeld "Laki" bedeckt heute 656 Quadratkilometer Fläche. Für die Vulkanhöhlenforscher sind gerade solche Lavafelder die hot spots ihrer Leidenschaft. Auf den ersten Blick ist meist nichts zu sehen. Große homogen erscheinende Landflächen sind in unteren Teil meist mit Moospolstern überzogen, weiter oben tritt der nackte dunkle Fels dominant zum Vorschein. Höhlen hier zu suchen, das ist ein anstrengendes, meist sehr unfruchtbares Geschäft. Man kann 1 m an einem kleinen Loch vorbeilaufen, das überhaupt nicht auffällt und doch der Zugang zu einem großen Lavatunnel sein kann, der nur einen halben Meter unterhalb über Hunderte von Metern verläuft. Typischerweise ist irgendwo die Höhlendecke eines Tunnels eingebrochen, weil sie irgendwo zu dünn ist, und durch diese Öffnung kann man dann in die Unterwelt hinein.

Systematisch ist das Gebiet schon durchsucht worden, von Isländern und nicht zuletzt von englischen Geologiestudenten, und rund 200 große und kleinen Lavahöhlen hat man inzwischen gefunden. Wie viele hier noch unter der wirklich steinharten Oberfläche sich verbergen, keiner vermag es wirklich zu sagen.

Jedenfalls liegt die längste Höhle Islands, die Laufbalavatnshellar, laut dem Buch von Björn, mit ihren 5.012 m hierher. Sie liegt nordöstlich des Sees Laufbalavatn in der Nähe der östlichen Ausläufer des Lavafeldes. Auch dieser See liegt "am Ende der Welt" und es ist, wie ja schon die Metapher nahe legt, äußerst schwierig, es überhaupt so finden. Und der Weg dorthin macht es dann endgültig deutlich. Ich weiß nicht, wer sich die Sisiphosarbeit überhaupt gemacht hat, auch noch durch die weltentlegendsten Steinwüsten auch noch einen befahrbaren Pfad zu schaffen, aber am Ende, da gibt es nur noch einen Wendeplatz. Und alleine der Gedanke an die zurückgelegte Strecke auch wieder zurückfahren zu müssen, die teilweise schon unbefahrbar war, ehe die tiefsten Schlaglöcher überhaupt erst wieder mit Steinen befahrbar gemacht worden waren, der läßt einen noch zweifeln, ob man der Rückweg überhaupt packen wird.

Und dann heißt es vielleicht, so wie bei uns, loszustiefeln, hinein ein nebelgetränktes Gelände, nirgends eine Orientierung, sich voll auf die GPS-Geräte verlassend, hier eine Senke, dort eine Einbuchtung, aber keinen Ahnung habend, wo denn die vorausgesagten Höhlen denn wir wirklich wären. Wenn sich auch noch andere durch die Landschaft bewegen, dann ist das äußerst angenehm, denn wenn etwas hochragt, dann sieht man es sofort. Wehe, wenn jemand hinabfallen würde, den fände man vielleicht erst in ein paar Monaten.

   
 

Literatur:

Hróarsson, Björn Hraunhellar á íslandi, 2. Auflage 1991, Rejkjavik 1990

Links:

Landschaft und Höhlen in Island


 

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