Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Ein Erdstall in Aumbach im Bayerischen Wald

...so stand es bis Ende September 2016 hier, nun, richtiger: 

Der mittelalterliche Kellergang in Aumbach


"Das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dahin ist schmal, und nur wenige finden ihn." (Matthäus 7,13f, zitiert nach: Grün, Anselm, Die Weisheit des Pilgerns, S. 69)


Grabungsaktion im Erdstall 2016


Zweigt man vom Donautal in den Bayerischen Wald Richtung Falkenstein ab, dann steht nach einigen Kilometern ein Schild mit der Aufschrift "Aumbach" am Weg. Vorbei am Feuerwehrhaus außerhalb des kleinen Dorfes geht es durch Wiesen weiter den Hang hinan. Vorbei an den ersten Häusern, alle recht herausgeputzt, verzweigt sich die Straße. Biegt man nach links ab, dann kommt man gleich an einem schmucken Wirtshaus mit Biergarten vorbei, wo es sich gut rasten läßt. 100 m weiter ist man schon wieder draußen vom Dorf und es geht schon wieder über Wiesen und Wälder weiter Rettenbach, Schloß Windsor und so weiter.

Seit langem schon ist bekannt, daß es in Aumbach und Umgebung mindestens zwei Erdställe gibt. Ob es nicht noch mehr davon gibt, das weiß niemand. Einer liegt zwischen Haagthann und Eidenzell auf freiem Feld. Er wurde entdeckt, als ein Bauer mit seinem Traktor plötzlich einbrach und durch ein Loch frei wurde. Er wurde vermessen und danach passierte mit ihm das, was leider mit den meisten Erdställen passiert, wenn der Mensch draufstößt: Er wird wieder zugefüllt. Sinn macht er keinen, so mancher sieht nur eine Gefahr in ihm - also wieder weg mit ihm. Auch der zweite Erdstall erlebte dieses Schicksal. Wie das Gelände zu seiner Entstehungszeit ausgesehen hat, das weiß niemand. Über Jahrhunderte wurde hier gesiedelt, wurden Gebäude errichtet und später wieder wegrissen und so weiter. Im Keller eines Bauernhauses gab es einen Abstieg, der wurde verfüllt und verfüllt und verfüllt. Wo anders stieß man dann beim Bau eines weiteren Kellers wieder auf die unterirdischen Gänge, dann wurde verfüllt und so weiter. Mündlich wurde die Kunde von Generation zu Generation "von Gängen unter dem Haus" weitergegeben. Regine Glatthaar schrieb in ihrem Bericht aus dem Jahre 1980: "Wir waren die Vierten, die den Erdstall angruben."

Nun wurde ein fünftes Kapitel aufgeschlagen, im Mai 2016. Mit einer offiziellen Grabungsgenehmigung des Denkmalamtes wurde den alten Verfüllungen intensiv auf den Leib gerückt, was oft alles andere als angenehm war. Klebriger Schlamm und anderes grusiges Material wurde da erst unten im alten Gang in kleine schwarze Kübel geschaufelt, dann zum Elektrokran gezerrt, in den Haken eingehängt, über ein Stahlseil in die Höhe gezogen, ausgehängt, dann in den Kübeln zu den Sortiersieben gebracht und dann händisch untersucht, ob in dem oft wässrig klebrigen Zeug noch irgendwelche Überbleibsel waren. Selbst Tonscherben in Millimetergröße wurden da noch aufgesammelt, sorgfältig gewachsen, getrocknet, sortiert nach Randstück, Wandscherbe, Bodenstück, gezählt nach Sammelgebiet, eingetütet und beschrifteet und zur weiteren Bearbeitung aufbewahrt. Eine Heidenarbeit, die da ehrenamtlich geleistet wurde. 

Die Kenntnis des Erdstalls selber wurde kaum erweitert. Ein paar Meter Gang, die vorher mit Verfüllungsmaterial aus späteren Zeiten unzugänglich waren, sind nun wieder freigelegt. Eine kleine Nebenkammer wurde vollständig wieder ausgeräumt und gleicht aufs Haar der Kammer, die 5 m weiter auch schon existiert. Interessant ist, daß keinerlei "Lichtnischen" vorhanden sind. Solche Wandvertiefungen wurden ja von verschiedener Seite schon so interpretiert, daß dort die Menschen, die unterirdischen Gänge gebaut haben, dort ihre Lampen hineinstellten, um besser arbeiten zu können. Hier muß dann wohl eine andere Gruppe am Werk gewesen sein, da sie ohne Nischen ausgekommen sind und trotzdem die Gänge da sind. 

Wir haben uns schon gefragt, ob das überhaupt ein Erdstall ist. Aber was soll es denn sonst sein? Ein Suchstollen vielleicht? Aber nach was hätte man denn da gegraben? Nach Wasser vielleicht? Es gab einmal in nächster Nähe eines Brunnenschacht, der heute auch schon wieder verfüllt ist. Gab es von da eine Abzweigung zum Erdstall rüber? Spuren davon sind nirgends zu sehen, also ist die Idee reine Spekulation. 

Grundsätzlich wäre es immer sehr spannend, eine Anlage komplett auszugraben. Ansatzpunkte dazu gäbe es noch zwei, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß da noch weitergegraben wird. Zu groß wäre der Aufwand und zu gering der mögliche Erkenntnisgewinn. Bei dem Erdstall in Freiland wäre der Eingriff ins Lebensgeschehen der Anwohner sicherlich viel geringer!

 

Hier stand schon einmal ein Text von einem Leser dieser Webseite, jetzt zusammengestückelt aus mehreren Mails, den ich dann wieder entfernt habe, der aber nun, allerdings ohne Nennung des Verfassernamens, jetzt wieder an diesem Ort steht. Hier wird eine These formuliert, die bislang wenig diskutiert wurde: Handelt es sich vielleicht um einen Wasserspeicher?

"Ziel der Exkursion war sicherlich auch, herauszufinden, ob es denn überhaupt ein Erdstall ist.

Jedenfalls spricht vieles dafür, dass es, angepasst an die geologische Situation, durchaus sinnvoll sein kann,

in erdstallähnlich angelegten Gängen Wasser zu speichern, wenn man aufgrund des zu weichen Gesteins

keine Zisternen in den Fels schlagen kann. Dafür spricht auch das Wasserentnahmeloch an der Decke über

dem tiefsten Abschnitt des schon bekannten Gangkreuzes, das zu klein für einen Schlupf oder Einstieg ist.

Der lediglich 2 Meter tiefe, zugeschüttete Brunnen 8 Meter weiter in Richtung des von oben verschlossenen

Ganges, passt ebenfalls zu der von mir obengenannten Deutung."

 

"Der Vollständigkeit halber erkläre ich auch kurz die Stufen, die in Aumbach vorkommen:

Das sind einfach Wasserstands Markierungen, unterste Stufe beim jetzigen Einstieg heißt,

das Wasser reicht noch einen Monat und ist nur fürs Vieh, weil zu viel Schlamm dabei ist,

die Stufe, etwas höher im neu ergrabenen Gang Richtung Brunnen Heißt, wir haben noch

3 Monate Wasser usw.. Exakt an der neuralgischen Stelle, um ersteres zu beurteilen findet sich

die erwähnte Lichtnische (evtl. auch groß genug für ein Talglicht).

Die Datierung ist nicht auf das Frühmittelalter festzulegen, da womöglich schon die Kelten

auf diese Weise ihr Wasser speicherten.

Später baute man möglicherweise an selber Stelle einen Brunnen - jetzt erst sind wir im Frühmittelalter.

 

Ich habe übrigens einen abgesunkenen Ast, der von sehr altem Schlamm bedeckt war (innerhalb 5 cm über festem Boden)

im linken Gang beim Wasserloch (in der Decke) ausgegraben und der wird datiert, dann wissen wir

zumindest, ab wann das Reservoir nicht mehr genutzt wurde, da man wohl während der Nutzung die

Wasseroberfläche sauber gehalten hat.

Außerdem erwähnt der Autor eine Lichtnische, die ich nicht gesehen und deshalb natürlich nicht beschrieben habe:

"Du hast wohl die einzige Lichtnische im neuen Gang (rechts kurz vor dem Seitengang) einfach übersehen. Die Lichtnische ist deshalb interessant, weil die Grundfläche trapezförmig

und exakt waagerecht ist, da fällt keine Kerze um."


Auf der 2016er Tagung des Arbeitskreises für Erdstallforschung erklärte nun Bernhard Häck, zuständig beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege für die Hohlräume in Bayern, mit plausiblen Argumenten, daß hier kein Erdstall vorliegt, sondern ziemlich eindeutig eine mittelalterliche Kelleranlage. Solche Klärungen sind wichtig, weil sie in dem ohnehin schwierigen Gelände der Erdstallforschung ein wenig mehr für Klarheit sorgen.


Literatur:

Endres, Werner Keramikfunde aus einer Erdstallverfüllung in Aumbach, Landkreis Cham, in: DER ERDSTALL, 7-1981, S. 72ff.
Glatthaar, Regine Der Erdstall in Aumbach, Gde. Rettenbach, Lkr. Cham, in: DER ERDSTALL 6-1980, S. 27ff.
Laube, Alexander Das Rätstel im Untergrund, Chamer Zeitung, 28. Mai 2016, S. 29
Laube, Alexander Den Schrazeln auf der Spur, Chamer Zeitung 28. Mai 2016, S. 1
Niklas, Peter Das Rätsel wird wohl lange bleiben, Mittelbayerische Zeitung RODING 3. Juni 2016

Links:

http://www.vorderer-bayerischer-wald.de/Aktivitäten/Wandernim
VorderenBayerischenWald/RundwanderwegeundStreckenwanderungen/
AumbacherRundwegRettenbach/tabid/14356/Default.aspx
http://www.mittelbayerische.de/region/cham/gemeinden/rettenbach/mit-der-wuenschelrute-zur-wasserader-21010-art1379666.html

http://www.hoellmuehle.eu/ferienwohnung.htm

Erdställe - wo gibt es sie?


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