Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Priesterlöcher / priest holes und andere heimliche Orte


Mit der erneuten Ausstrahlung des James Bond Films "Skyfall" wurden sicherlich wieder viele Zuschauer auf ein Phänomen aufmerksam, das es zwar schon lange gibt, aber für das sich normalerweise nur wenige interessieren: das priest hole, oder auf deutsch: Priesterloch.

Mit der Hilfe von Google ist heutzutage leicht zu erschließen, um was es sich da eigentlich handelt. Und schnell ist auch der Bezug zum Thema "Künstliche Höhlen - Erdställe" hergestellt.


"A priest hole is a hiding place for a priest built into many of the principal Catholic houses of England during the period when Catholics were persecuted by law in England. When Queen Elizabeth I came to the throne in 1558, there were several Catholic plots designed to remove her and severe measures were taken against Catholic priests. Many great houses had a priest hole built so that the presence of a priest could be concealed when searches were made of the building. They were concealed in walls, under floors, behind wainscoting and other locations and were often successful in concealing their occupant...." Direkt aus WIKIPEDIA

Orte mit "priest holes":

- East Riddlesden Hall

- Ripley Castle

- Harvington Hall (Worcestershire)

- Chesterton Hall (Nähe Cambridge)

- Mosely Old Hall, Staffordshire (Versteck von Charles II)

- Oxburgh Hall, Norfolk

- Samlesbury Hall, Lancashire (Edmund und John Campion, die sich dort versteckten, wurden entdeckt und umgebracht)

Priesterlöcher kommen gerne in Krimalromanen vor, z.B. in "Poirot und der Kidnapper" (The Adventure of Johnni Waverly) von Agatha Christie, 1923. 
In dem Buch für Kinder und Jugendliche von Nina Bawden "The Secret Passage" kann man lesen, wie sich die Begegnung mit so einem "Loch" literarisch fassen läßt: "As he pulled himself up to the hole, the torch in his hand, he grinned to himself in spite of feeling so sick und clammy. If he wasn't so frightened he would be quite ready to let Ben go ahead - it would be mor sensible, really. Ben was smaller und less likely to get stuck. The hole led to a tunnel which was just high enough for John to crawl through, knees scraping on rubble. It was very short; after about two yards it opened into a much bigger place, high enough for John to kneel up. He swept the torch round and saw..." p 46

Im Filmen werden sie auch gerne verwendet, z.B. in

- James Bond 007 Skyfall
- Inspektor Barnaby: Folge 90: Du bist tot! und Folge 61: Ganz in Rot.

Über Nicholas Owen, der bedeutendste Erbauer der Priesterlöcher, gibt es einen 28minütigen Film: Saint Nicholas Owen. The Priest-Hole Maker" (Trailer im Internet)


In diesen Zusammenhang passen Erlebnisschilderungen von Personen, die sich einmal versteckt haben in solchen engen Räumen. Ein paar Beispiele:

1) Aus "Hanka" von Isaac Singer, Leidenschaften

Geschildert wird der Aufenthalt einer jungen Jüdin in Warschau, die von einem Christen in seiner Wohnung verborgen wird. "Ich war in einem Alkoven versteckt, der kein Fenster hatte, und vor die Tür hatten sie einen Schrank gerückt, um den Eingang zu verdecken. Von der Rückseite des Scchrankes hatten sie ein Brett herausgenommen und durch die Öffnung reichten sie mir das Essen, und, verzeih, namen den Nachttopf entgegen. Wenn ich meine kleine Lampe auslöschte, wurde es dunkel wie im Grab...ja, ich lag in meinem Grab.Aber wenn man lange genug in einem Grab gelegen hat, gewöhnt man sich daran und will sich nicht mehr davon trennen. Er hatte mir eine Kapsel mit Zyankali gegeben..." 

2) Berührend, ja erschütternd, ist der Bericht von Wolfgang Koeppen über einen "geheimen Bunker" im Osten Europas während des 2. Weltkriegs: "Wir wählten eine dunkle Kammer im Hausflur. Ihre Türe wurde zugemauert und verstellt. Niemand konnte hier einen Raum vermuten. Von unserer Wohnung aus wurde mit großer Mühe ein kleines Schlupfloch, das in diese Kammer führte, in die Wand gebrochen. Wir tarnten die Öffnung mit viel Geschick. ...es war qualvoll, es längere Zeit in dem engen, dunklen und kalten Raum auszuhalten. Es waren auch Kinder bei uns und ihr Husten, Räuspern und Weinen konnte uns allen den Tod bringen..." Koeppen, Erdloch 84ff.

und noch ein zweites Mal an anderer Stelle: "Die Angst vor einer neuen "Aktion" wächst von Tag zu Tag. Wir wagen nicht mehr, in der Nacht unsere Kleider auszuziehen. In jedem Hause wacht einer, um die Straße zu beobachten. Überall baut man Bunker, um sich verstecken zu können. Die Menschen, gehetzt und den Tod vor Augen, graben sich wie Maulwürfe in die Erde. Unser eigener Bunkerbau war sehr schwer. Unsere baufällige Hütte steht auf einer kleinen Höhe und ist nicht unterkellert. Wir stanzten nun aus dem Fußboden ein Viereck, gerade so groß, daß sich eine Person durchzwängen konnte. Das Loch wurde mit einem genau passenden Einsatzbrett versehen, so geschickt, daß bei geschlossenem Deckel niemand ahnen konnte, daß hier ein Einstieg zu einem Versteck war.
Dann ging es an das Graben. Mit primitiven Werkzeugen und Eimern machten wir uns an die Arbeit. Mühselig mußte das Erdreich und der zähe Lehm aus dem Boden herausgekratzt werden. Die Angst trieb uns zur Eile. Jede Stunde, jede Minute war kostbar. Fiederhaft arbeiteten wir Nächte hindurch bei spärlichem Kerzenschei. Wir keuchten. Große Sorge machte uns die ausgegrabene Erde. Wir trugen sie heimlich hinaus und deckten sie mit Schnee zu. Wir mußten sehr vorsichtig sein, denn die Miliz, die das Ghetto bewachte, beobachtete mit Taschenlampen die Nacht, und wehe, wenn wir ertappt worden wären. Endlich konnten sich vier Personen in das Erdloch drücken. Als Sitzgelegenheit machten wir einen Lehmsockel und legten Bretter darauf. Das Inventar des Bunkers besteht aus einem Kübel..." Koeppen, Erdloch 94ff.

 


Heimliche Orte, wo man sich eventuell verstecken konnte, gab es natürlich nicht nur in England.

Eva Menasse beschreibt in "Dunkelblum" einen solchen: "Der Dachboden verfügte über eine Besonderheit: An der Schmalseite gab es eine doppelte Wand, die vom Rest des Raumes einen Streifen abtrennte, nur etwas über einen Meter breit. Diese Wand sah genauso aus wie die anderen, gelblich gekalkt und rissig. Davor stand, fast über die Hälfte der Seitenwand, ein mächtiger, alter Holzschrank, kein schönes Stück mit Bauernmalerei und Schnitzkunst, nur ein wurmstichiger, schwerer Kasten mit drei Türen. Das aber war der Eingang. Im linken Flügel gab es ab der halben Höhe fünf Regalbretter, die blau gestrichene Rückwand dahinter war gut zu sehen. Aber darunter fehlte sie. Wer hineinstieg und sich unter das tiefste Brett bückte, fiel beinahe in den verborgenen Raum. Das Arrangement war uralt und außerhalb des spitsits-Hauses niemandem bekannt. Ein Stipsits-Urahn hatte in diesem Versteck entwederSchätze gehortet oder war dort anderen Heimlichkeiten nachgegangen, wer weiß, welchen.." S. 86ff.


Literatur:

Bawden, Nina (1963): The Secret Passage, Puffin Books

Gardner, John (1991): Der Mann von Barbarossa

Koeppen, Wolfgang (1992): Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch, Jüdischer Verlag, Frankfurt a.M., 2. Auflage

Menasse, Eva (2021): Dunkelblum, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021

Morgenstern, Dany (2020): Unnützes James Bond Wissen, Ludwigsburg 2020

Singer, Isaac (2019) Leidenschaften, Carl Hanser Verlag, München 

Links:

https://www.historic-uk.com/HistoryUK/HistoryofEngland/Priests-Holes/

https://www.ancient-origins.net/history/hiding-avoid-hanging-priest-holes-hidden-chambers-and-secret-passages-004192

https://www.nationaltrust.org.uk/lists/priest-holes

https://www.britain-magazine.com/features/top-5-priest-holes-of-england/

https://www.messynessychic.com/2021/03/24/another-reason-to-check-your-attic-priest-holes/

https://www.mysteriousbritain.co.uk/hauntings/gwydir-castle/

https://jamesbond.fandom.com/de/wiki/Skyfall_(Film)

https://blog.bookstellyouwhy.com/james-bond-and-the-recusant-catholic-connection

http://modernmedievalism.blogspot.com/2012/11/the-priest-hole-pre-modern-speakeasy.html

 

Das "Lochikon" - eine "Lochsammlung"

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