Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Orpheus

- speleo goes classics


Es gibt einen uralten berühmten griechischen Mythos, den von Orpheus - und der hat einiges mit "Höhlen" zu tun. An ein paar Stellen tauchen sie auf. Am bekanntesten ist natürlich die Szene vom Abstieg in die Unterwelt, in das Reich das Hades, um daraus mit Hilfe seiner wichtigsten Qualität, dem Klang, seine geliebte Eurydike wieder empor zu holen - und von seinem Scheitern an einer scheinbaren Kleinigkeit, seinem Zurückblicken.

Vom 3. bis 5. Februar 2006 bot das Schwäbische Tagungs- und Bildungszentrum Kloster Irsee ein Seminar zum Orpheus-Thema an. Referent war Professor emerit. Dr. Otto Betz. Sterntage waren das, die nie mehr wieder so kommen können. Ein Geistesfeuerwerk. Dem Referenten können wir alle nur dankbar dankbar sein.

Das Thema hat vielste Aspekte. Hier sollen nur ein paar knappe Hinweise und Zitate stehen, die hier alle auf die Ausführungen von Prof. Betz in Irsee zurückgehen - wiedergeben allerdings mehr mit meinen Worten.

Orpheus - eine mythische Gestalt. Damit darf man gleich seinen scharfen, logisch geschulten Verstand an der Garderobe abgeben, wenn man die Szene betreten will. Mythen sind Geschichten, am Anfang einfach nur Worte, keine Theorien, die Antworten geben auf die Grundfragen des Lebens. Und Geschichten erzählen die Menschen immer wieder anders, selten immer gleich, sie fügen was dazu, lassen was weg, spiegeln, was einem gerade wirklich wichtig erscheint.

Ein schönes Thema für ein, vielleicht, künftiges HÖREPSY-Treffen.

Man muß nur einen kurzen Blick ins heutige Internet werfen und wird gleich feststellen, daß alles nur noch verwirrend ist. Jeder der "Klarheit" sucht, der soll nur gleich wieder aufhören, hier danach zu suchen. Es gibt sie nicht, es gibt nur die Vielfalt. Ein Beispiel?

Wer ist der Vater? Apollo? Der "Flußgott Oiagros"? Was ist ein "Flußgott"? Heute ist er da, morgen nicht, heute ist er groß, morgen klein, übermorgen fließt er ganz wo anders hin.

Wer ist die Mutter? Viele Antworten geben da die Mythen. Die Muse Kalliope sei es, dann heißt sie Polyhymnia, auch Menippe und Thamyris.

Aus Thrakien käme er, wohl das heutige Bulgarien. Deshalb wird öfters von ihm als dem "Thrakischen Sänger" gesprochen.

Als wichtige Person tritt er erstmals beim Zug der Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Fließ auf. Letztlich beruht der Erfolg dieser Expedition auf seinen Fähigkeiten als Musiker! Und wer hat empfohlen, daß man ausgerechnet ihn mitnimmt? Chiron, der Kentauer war es. Und wo lebt dieser? In einer Höhle des Piliongebirges.

Der entscheidende Moment passiert, als kurz nach seiner "Hochzeit", was immer das in griechischer Zeit gewesen sein soll (man muß sich nur die Geschichte zwischen ZEUS und HERA anschauen (war die wirklich seine "Gattin"? In einer "schwachen Stunde" von ihm zu diesem unsäglichen Treueversprechen hineingelockt? ......Mythen kennen immer verschiedene Erzählstränge...). In der Übersetzung in die deutsche Sprache heißt es: "..die kürzlich Vermählte, während sie im Grünen unter der Schar der Najaden wandelte, fand den Tod, an der Ferse verletzt, vom Zahne der Schlange."

Nichts half mehr, sie zurückzugewinnen. "Er wagt den letzten Versuch bei den Schatten durch das Tänarische Tor zur Styx in die Tiefe zu steigen, und durch lustiges Volk und Gebilde bestatteter Toter" bis zu Persophone und ihrem Gatten, Hades, vorzudringen. Gut es dort nicht zu, so zumindest Vergil. Dieser Hades "waltet bei den Schatten im freundlosen Reich". Andere Angaben: "Bei diesem unendlichen Chaos, hier bei den Stätten des Grauns und der Öde des weiten Gebietes". Es fehlt auch nicht der Hinweis, das bald zu unser aller "gemeinsamen Wohnsitz" werde!

Orpheus ist sehr erfolgreich mit seinem Gesang und seinem Griff in die Saiten: "Die blutlose Schar der Gestorbenen weinte. Tantalus haschte nicht nach der weichenden Flut, und es stockte das Rad des Ixion; nicht mehr ward von den Geiern die Leber zerhackt" usw.. Diese trübe "Ordnung" wurde durch ihn ganz schön durcheinander gebracht. Die Königin der Unterwelt, Persephone, bewegt schließlich Hades, den "Beherrscher der Tiefe" dazu, Orpheus seinen Willen unter einer Bedingung zu gewähren: "Wende er nicht zurück den Blick bis daß er gelangt sei aus dem avernischen Tal, sonst wär er der Gabe verlustig."

Wir erfahren dann ein paar speläologisch bemerkenswerte Details: "Aufwärts steigen sie jetzt durch schweigende Öde den Fußpfad schroff, voll düsteren Grauns und umstarrt von finsterem Dunkel." Kurz vor dem Ende passiert dann die "unvermeidliche"? Katastrophe: "Nicht mehr waren sie fern vom Rande der oberen Erde, da, sie verlangend zu sehn und besorgt, daß Kraft ihr gebreche, schaut er liebend sich um, und zurück gleich ist sie gesunken. Sehnlich die Arme gestreckt, auf daß er sie fasse und selber werde gefaßt, hascht nichts denn weichende Lüfte der Arme."

Alles umsonst. Mythen sind nicht immer gleich. Da gibt es diese Version, da eine andere. Eine Orpheusgeschichte läßt den Schockierten lange in einer Höhle am Eingang zur Unterwelt verharren, eh er sich wieder aufmacht in die Welt. Die Höhle als Ruheraum, Heilraum....

Nach der Erfahrung mit der Unterwelt wendet sich Orpheus nur dem Berg mit seinem Licht zu, nach der Enttäuschung mit den Frauen den jungen Männern. Er soll nun zum Mentor und Heiler geworden sein.

Sein Ende ist dramatisch. Es heißt, er habe die Mäanden belauscht, sie hätten ihn ausgemacht, sich gerade auf ihn gestürzt, weil er mit den Frauen nichts mehr am Hut gehabt habe. Anfangs hätten ihm die weiblichen Attacken nichts anhaben können, er sei durch seine Musik geschützt gewesen. Aber deren Zauber ließ nach, am Ende wurde er zerrissen. Nur der Schädel sei übrig geblieben, der wurde durch einen Fluß hinabgeschwemmt ins Meer, er trieb weiter und man vereherte ihn am Ende in dem Heiligtum von Leibethra auf Lesbos. Die Leier sei an den Himmel als Sternbild gekommen. Was ist nur aus seinem "besten Stück" geworden? Davon wird nix erzählt.

 

Die Orphiker waren Leute, die später sich der Gedankenwelt des Orpheusmythos sich wohl besonders stark verbunden gefühlt haben. Aus einem "Hymnos an Persephone" (da gibt es noch viele weitere) seien hier ein paar Zeilen zitiert:

"Sorgsame, Lebensspenderin!
Dein sind die Tore des Hades
Unter den Schlünden der Erde,.."

Die "Erde" in weiblicher Hand!

 

 

 


Kommentar eines Höhlenforschers dazu:

"... abgesehen davon, daß Monteverdis Orfeo meine Lieblingsoper ist,
fällt mir dazu spontan ein, die Götter hätten ihn, wenn sie ihm
wirklich gewogen gewesen wären, beim Rückweg voraus durch einen
extraschmalen Spalt schicken müssen, zu eng, daß er den Kopf wenden
und zu Eurydike zurückblicken hätte können. Dann hätte er seine
Eurydike wieder gehabt....

Jedenfalls kommt mir der Gedanke immer bei solchen Spalten, wo man
sich entscheiden muß, wohin man schaut.... vorwärts ins unbekannte
oder zurück zum sicheren, bekannten Rückweg."

Wer inhaltlich mehr erfahren will, der soll halt bei WIKIPEDIA nachschauen. Da steht vieles, aber halt auch wirklich nicht alles. Nur das, was eben Menschen hineinschreiben.

Literatur:

Choppy, Jacques cavernes et légendes, Mémoire du Spéléo-club de Paris n° 28, Paris 2004

Links:


[ Index ] [ Englisch version ] [ Höhlen und Höhlengebiete ] [ Kunst ]
[ HöRePsy ] [ Höhlenschutz ] [ VHM ] [ Veranstaltungen ] [ Links ]