Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Magdalenenklause bei Düdingen, CH


Wer auf der Autobahn südlich von Berg Richtung Fribourg dahinfährt, der überquert in der Nähe von Düdingen die dort zum Schiffenensee aufgestaute Saane. Genu dort liegt liegt an der Nordseite eine in den Jahren 1680 bis 1708 von einem Einsiedler geschaffene Eremitage. Er hat sich die Räume einfach in den Nagelfluh gegraben. Dabei kam auch eine große geologische Besonderheit zu Tage, die heute ziu den geschützten geologischen Räumen der Schweiz gehört. Eine 20 Milllionen Jahre alter Strandabschnitt, heute natürlich versteinert, ist da noch zu sehen!

Oder halt in Wirklichkeit dann doch nicht. Warum? Weil man die ganze Anlage gesperrt hat! Die Kirche will keine Verantwortung für die Örtlichkeit übernehmen, deshalb war sie 2005 ganzjährig gesperrt und als ich im April 2006 mal dort war, war da auch nix los. Findet man mal die richtigen Schilder, dann ist es nicht mehr schwierig, sich zurecht zu finden. Bei mir dauerte das 2 Stunden! Die Freude war allerdings nicht ungetrübt, denn überall hingen an den Wegweisern Schilder, daß sie "fermée" seien. Ich wollte trotzdem sehen, ob nicht doch was "ginge" und fuhr bis nach Räsch. Das ist ein großes Holzhaus, das scheinbar für Festivitäten dient und über einen großen Parkplatz davor verfügt. Von dort ging es nur noch zu Fuß weiter. Dies ist offenbar ein beliebter Wander- und Radweg, weil mir viele Leute begegneten.

Vorne am steilen See/Flußufeer war dann wirklich defenitiv Schluß. Nur ein Blick durch die Stäbe des Tors, das den Zugang zur großen Felsanlage versperrt, war möglich. Ein Dranvorbeikommen ist ziemlich unmöglich. Man müßte sich schon von oben abseilen, um da reinzukommen oder die Sperrmauer überklettern, aber solche unkonventionellen Methoden sind nur was für Leute in ihren Sturm-und-Drang-Jahren. Vielleicht passiert ja mal ein Wunder und das Tor wird auch ganz normal wieder aufgemacht! Wenn damit Geld zu verdienen wäre! Dann wäre das gleich was anderes heutzutage.

Zwischen dem Fotostandpunkt und der
Autobahnbrücke liegt linkerhand die
Eremitage
Blick durch die Holzstäbe auf die
Eremitage
Der Zahn der Zeit nagt auch hier!
 

Der Ort ist sehr geschichtsträchtig. In den Geschichtsbüchern ist bereits 1448 von einer Einsiedlerwohnung im Weiler Räsch die Rede, ein "Waldbruder zu Sant Marien Magdalenen" ist bereits ab 1609 "aktenkundig". Für die Ausgestaltung des Ortes waren vor allem Jean Dupré und Jean Liecht verantwortlich, die die Arbeit zwischen 1680 und 1708 vollbrachten. 1691 wurde die Kapelle geweiht. Im 19. Jahrhundert lebte zeitweise eine Familie in den Räumen, 1884 zog wieder ein Eremit ein, 1906 wurde einer dieser Männer von einem Raubmörder erschlagen. Seit ca. 1967 lebt niemand mehr dort. Um 1920, so ist überliefert, pilgerten an schönen Sonntagen 300-400 Personen dorthin, und der Klausner bot den Besuchern "eine Erfrischung" an. Das war wohl, wovon er lebte, denn von irgend etwas muß man ja sich ernähren, denn auch für Einsiedler gilt: "There is nothing like a free lunch". Es heißt auch, daß die Einsiedler früher ihre Dienste bei der Überquerung des Flusses anboten, denn wenn keine Brücke da war, wie sollte man auf die andere Seite kommen? So ist wohl die Lage der Eremitage kein Zufall, sondern paßt gut in geographische Situation.

Zur Geschichte dieser künstlichen Höhlenanlage gehört auch, daß dort Carl Spitzweg auf seiner 1. Schweizreise vorbeikam und eine "Landschaftsstudie" zeichnete, auf der ganz fein zwei dunkle Öffnungen in einer Felswand zu sehen sind. Auch auf seiner zweiten Reise 1841 schaute er hierher. Kunstgeschichtler machen diese Erfahrung, zusammen mit dem Besuch der Grotten in der Verenaschlucht bei Solothurn und dem Besuch verschiedener Eremitagen in Südtirol und weiter südlich im Etschtal als Grund für seine vielen Eremitenbilder verantwortlich. 

Der Name "Magdalenenklause" verweist auf eine Höhle im Süden Frankreichs, die Sainte-Baume. Es ist schon merkwürdig, wie scheinbar längst vergangene Geschichten wieder neu an Leben gewinnen können. Es heißt ja nach einer provencalischen Tradition, daß dort Maria Magdalena 30 Jahre zurückgezogen gelebt hätte, um für ihre "Sünden" zu büßen, eh sie in ein Kloster zog. Das war wohl ein Motiv für manchen Einsiedler, es dieser Frau nachzumachen. Aber wer war Magdalena? War das eine "verkommene Frau", eine Prostituierte, die später bereute? Wer den "Da-Vinci-Code" gelesen hat, der hat auch von einer ganz anderen Geschichte erfahren. War sie nicht in Wirklichkeit die Frau von Jesus und hatte von ihm gar ein Kind? Was haben wir nicht alle im Religionsunterricht als offizielle Lehrmeinung der Kirche gehört? Wurden wir da alle belogen? Oder stimmt gar nichts?

Literatur:

Bernasconi-Schwartz, Christine und Reno, Högl, Lukas, Perret, Danielle, Santschi, Catherine La grotte dans l'art suisse du XVII^au XX siècle, Ausstellungskatalog zur Exposition organisée dans la cadre du 12e congrès international de spéléologie 10 - 17 aout 1997, La Chaux-de-Fonds
Wichmann, S., Carl Spitzweg. Reisen und Wandern in Europa und der Glückliche Winkel. – Stuttgart (Belser Verlag)2002

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