Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Residenz mit dem Grottenhof in München


Die Residenz in München war seit dem 14. Jahrhundert der Wohn- und Regierungssitz der bayerischen Herrscher, die sich mal Herzöge, Kurfürsten und am Ende sogar "König" nannten. 1385 begann man mit der "Neufeste" an der Nordostecke der Stadtbefestigung und erweiterte und erweiterte. Am Ende des 2. Weltkriegs war dann nicht mehr viel übrig von der einstigen Pracht und alles lag in Schutt und Asche. Inzwischen ist das Meiste wieder aufgebaut und restauriert, so daß wieder viel zu sehen ist, aber der Charme des Echten, der wahre Hauch der Jahrhunderte des Bauwerks, ist einfach nicht mehr da, alles ist nur noch künstliches Bühnenwerk, auch wenn es von vielen Aufsehern noch bewacht wird.

Geht man mit einem stadtspeläologischen Interesse in dieses Protzbauwerk, dann wird man auf einige Anknüpfungspunkte stoßen. Herausragend ist der Grottenhof, zwischen 1581 und 1588 unter Herzog Wilhelm V von Friedrich Sustris erbaut. "Eine ausgemalte Grottenhalle mit einem zentralen Tropfsteinbrunnen" - heißt es im Blog der Residenz. Zwischen 1569-1571 war gleich daneben das Antiquarium errichtet worden von Jacopo Strada, einem Mantuaner Gelehrten, für die fürstliche Antikensammlung. Mantua - das ist wohl das Stichwort, warum man dann 10 Jahre später in einer Erweiterung daran, gleich daneben, auch noch den "Grottenhof" dazubaute, "eine Architekturgrotte mit allen Kennzeichen eines hochmanieristischen Kunstwerkes" (Rietzsch, S. 52). In der Mitte des Hofs steht der Perseusbrunnen von Hub. Gerhard (nach Motiven von Ovid) in der "Grotte" könnten als Darstellungen dieses Zustands gedacht sein - zwischen Versteinertsein und Wiederbelebung.

Läßt sich ein stärkeres Symbol denken als Frauenbrüste, aus deren Spitzen frisches klares Wasser rinnt? In der Winterzeit sind sie abgeschaltet, heute, da sieht man allenfalls noch kleine Metallteile mit Löchern drin. Die symbolische "Milch" der 4 Nymphenfiguren ergießt sich in rote Marmorschalen. Sie stehen an deer Seite der Grottenstruktur im Mittelraum. Die Front wird von einer grottenähnlichen Struktur gebildet mit Tropfsteinen (wo die wohl herkommen und deshalb dort "fehlen"?), Tuff, Muscheln, Kristallen und Korallen. Dominant ist eine rote Marmorschale über der an der Decke darüber die stärkste Häufung an "Höhlendecke" aus Tuffgestein zu sehen ist. Die Bronzefigur von "Merkur" von Giambologna "schwebt" darüber hinaus.

Daß hier in München ein solches Bauwerk geschaffen wurde, das ist kein Zufall. Die Vorbilder sind in Italien und auch in Frankreich zu suchen. Die nach heutigem Wissensstand früheste "Grotte" in einem Grottenberg entstand im Garten von Giorgio bei Ferrara gegen Ende des 15. Jahrhunderts (Rietzsch, S. 30) durch Borso d'Este, die aber für mehr als 100 Jahre die einzige blieb. Nach 1524 entstand im Palazzo del Tè für Federigo II. Gonzago das erste "Appartamento della Grotta" durch Giulio Romano, ein Baderaum, der mit Muscheln, Tuffgestein und Mosaiksteinen ausgekleidet war. Viele andere Räumen folgten an anderen Orten: die "Grotte" in der Villa d'Este (1550-1569), die "Grotta degli Animali" in Castello im Garten einer Medici-Villa, Pratolino ab 1570 und die "Grotta Grande" in den Boboligärten in Florenz zwischen 1583-1585. Das ist ja genau der Zeitraum, wo man auch in München an so einer Grotte baute.

Das Thema "Grottenbau" verschwand danach nie mehr vollständig von der Bildfläche. Im Park von Schloß Hellbrunn bei Salzburg wurde etwa im 17. Jahrhundert für die Salzburger Bischöfe eine entsprechendes Refugium gebaut, die Kristallwelten bei Wattens in Tirol, entworfen mit André Heller, sind ein Beispiel aus dem 20. Jahrhundert.

 
     
 
     
 

In einigen Räumen sind Kleinkunstwerke aus dem Besitz der Wittelsbacher ausgestellt. Darunter sind auch viele Porzellanstücke aus China und Japan, die man gerne von dort importierte. Ein anderes Schaustück ist ein lackierter Wandschirm mit Landschaftsmotiven. Schaut man genau hin, dann entdeckt man stilisierte Höhlen in den dargestellten Karsttürmen.

 
     
   

In der "Reliquienkammer", in der besondere Schaustücke aus der herrscherlichen Reliquiensammlung gezeigt werden, gibt es auch eine Golgathadarstellung. Schau man genau hin, dann sieht man am Fuße des Kreuzes eine Höhlenöffnung mit einer Echse drinnen, ein beliebtes Motiv alter Kunst.

Ein Opfer des 2. Weltkrieges wurde auch der "Nibelungengang", eine Hinzufügung Ludwig II zur Residenz. Er war eine Materialisierung der ersten Begegnungen Ludwig II mit Richard Wagner. Er war eine "der frühesten bildkünstlerischen Auseinandersetzungen mit Wagners gewaltiger Ring-Tetralogie" (Internettext der Residenz). In einem Restaurierungsprojekt soll seit Frühjahr 2013 der alte Zustand wiederhergestellt werden.

 
     
 

 

Literatur:

Ferrari, Donatella, Russi, Alfonso La Grotta Come Arte; SPELEO 9-1983, S. 5ff
Goedl, Monika, hrsg. von Museen in München - Ein Führer durch 44 öffentliche Museen, Galerien und Sammlungen, Im Auftrag des Kulturreferats der Landeshauptstadt München, 2. aktualisierte Auflage, 1984
Ilming, Heinz Die Stellung der Antonsgrotte bei Baden in der Grottenarchitektur,
Lieb, Norbert München - Die Geschichte seiner Kunst, Verlag Georg D.W.Callwey, München 1971
Miller, Naomi Heavenly Caves - Reflections on the Garden Grotto, New York 1982
Rietzsch, Barbara Künstliche Grotten des 16. und 17. Jahrhunderts, scaneg, München 1987

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