iFranz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Caspar David Friedrich
als Maler von Höhlenmotiven
"Felsenschlucht"
"...jeder Linie die Zeit gönnen, die sie verlangte." Lea Singer, Anatomie der Wolken 27
"Was war jetzt mit dem zweiten Paradies? Vor aller Augen hatte es gelegen. Die Strecke dahin war kurz erschienen. Jetzt dehnte es sich wieder ins Endlose. Es gab nur noch ein seltsames Leuchten hinter dem Horizont, hinter sehr fernen Bergen. Daher begann der größte deutsche Maler der Zeit, Caspar David Friedrich, immer inständiger Menschen zu malen, die reglos dastehen und zu diesem Horizont schauen. Man sieht sie von hinten, oft als bloße Silhouetten, und man weiß nicht, ob sie warten oder Abschied nehmen. Das Licht hinter dem Horizont aber, auf das sie starren, ist so jenseitig glühend, wie es vordem noch nie eines gegeben hatte auf deutschen Leinwänden. Es ist der Widerschein der verlorenen Sonne." von Matt, Übeltäter 187
"Strenge, sklavische Nachahmung der Natur und übergroße Ausführung ist die verfehlte Kunst...andeuen müsse das Bild nur, vor allem aber geistig aufregen und der Phantasie Spielraum geben und lassen, denn das Bild soll nicht die Natur selbst darstellen wollen, sondern nur daran erinnern. Nicht die treue Darstellung von Luft, Wasser, Felsen und Blumen ist die Aufgabe des Bildners, sondern seine Seele, seine Empfindung soll sich darin widerspiegeln. Den Geist der Natur erkennen und mit ganzem Herzen und Gemüt durchdringen und aufnehmen und wiedergeben ist die Aufgabe eines Kunstwerks.." Friedrich, in: Sello, Auf den Spuren.. 20
Gotthilf von Schubert, Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft: "Friedrich erweckt in seinen Bildern eine Vorstellung vom Leben jenseits des Irdischen, indem er immer eine Natur zeigt, die auf wundersame Weise eine Ahnung davon in sich trägt." zitiert nach Illies 233
"Es gab nur noch ein seltsames Leuchten
hinter dem Horizont, hinter sehr fernen Bergen. Daher begann der größte
deutsche Maler der Zeit, Caspar David Friedrich, immer inständiger
Menschen zu malen, die reglos dastehen und zu diesem Horizont schauen.
Man sieht sie von hinten, oft als bloße Silhouetten, und man weiß nicht,
ob sie warten oder Abschied nehmen. Das Licht hinter dem Horizont aber,
auf das sie starren, ist so jenseitig glühend, wie es vordem noch nie
eines gegeben hatte auf deutschen Leinwänden. Es ist der Widerschein der
verlorenen Sonne." Matt, Übeltäter 187
Der Krockstein bei Rübeland, Harz
1774 Greifswald -1840
Heute gilt er als der wichtigste Maler der deutschen Romantik, zu Lebzeiten hatte er oft ein schweres Leben. Was ihn heute auszeichnet, ja zum herausragenden Vertreter neuer Ideen erscheinen läßt, machte ihm einst große Schwierigkeiten. Man darf sich halt manchmal nicht abbringen lassen vom eigenen Weg, so schwer er auch zu gehen ist zu Lebzeiten! Andern Künstern ging es ja auch so, z.B. Paul Cezanne.
Im Werk von Friedrich gibt es mindestens 10 Werke, die im weiteren Sinne etwas mit dem Höhlenphänomen zu tun haben. Zieht man die beiden Felsentordarstellungen ab, dann sind es 8. Meist sind es kleinere Arbeiten, Bleistiftzeichnungen, nur 3 große Ölgemälde sind bekannt. Die sind es vor allem, um die es geht. Im Grunde stellen sie alle das gleiche Motiv dar: eine Felswand, Bäume, eine schwarze Öffnung. Drum herum gibt es dann noch Menschen und einmal auch Sarkophage.
Wie es heißt habe Friedrich die entscheidenden Anregungen dafür auf seiner Harzreise im Juni 1811 bekommen. Zusammen mit seinem Malerfreund Christian Gottlieb Kühn wanderten sie rund 300 Kilometer von Meißen über Ballenstedt, Blankenburg, Hüttenrode nach Rübeland. Dort besuchte er wohl den entscheidenden Ort, die Marmorbrüche am Krockstein. Vom 26. und 27. Juni 1811 stammen die beiden Arbeiten, Bleistiftzeichnungen, von einer "Felsenhöhle" bzw. einer "Felsenschlucht". Dort gibt es zwar eine richtige Höhle, aber die ist wohl nicht auf den Ölgemälden zu sehen, eher sehen wir eine raffinerte Umgestaltung und suggestive Darstellung der Situation im obersten Steinbruch, die 2 Jahre später entstehen. Es kommt auch nicht auf die tatsächliche Situation an, sondern eher darauf, was wir uns beim Betrachten der Bilder denken. Besonders die hínzugefügten Sarkophage auf dem oft "Grabmale alter Helden" hat reichlich Stoff für Interpretationen geliefert, kein Wunder, tobten doch die Napoleonischen Kriege im der Mitte Europas.
Ein einziges richtiges Höhlenbild gibt es von Friedrich,
eine Sepiazeichnung, die einzigartig ist. Kein Künstler vor ihm und wohl
auch nach ihm hat sich als Thema gesetzt, "Skelette in einer
Tropfsteinhöhle" darzustellen. Vermutlich kam die Idee dazu nach einem
Besuch der Baumannshöhle, die damals sehr berühmt war und deren Besuch zum
Pflichtprogramm aller Durchreisenden gehörte. Tatsächlich gibt es eine
Stelle neben dem Führungsweg, gleich nachdem man durch den künstlichen
Eingangstunnel die eigentliche Höhle betritt, die verdammt gut zur
Situation auf dem Bild paßt. Man müßte nur die Beleuchtung des Raumes
verbessern, dann bekäme man das wohl ziemlich gut hin. 15 Jahre sind
inzwischen vergangen, da taucht dieses Bild Friedrichs auf. Eine
raffinierte Lichtführung läßt den Vordergrund im Dunkel, wie ein Spotlight
wird der Knochenberg hauptsächlich beleuchtet. Sind es zwei Liebende, die
auch im Tode zusammenbleiben wollen? Sind es Freunde, die sich die Treue
bis in alle Ewigkeit geschworen haben? Bleibt mehr als ein Haufen Knochen
von uns und unseren Absichten? Auch wenn man im Schutzraum der Höhle, so
denkt vielleicht mancher, die Wartezeit bis zur Ewigkeit dort
verbringt.
Eine zeitgenössische Kommentierung (siehe Ilming) lautet: "Zwischen
Stalaktitenhöhlen und Tropfsteinfelsen liegt ein verwitterndes,
bleichendes Menschengerippe. Das Skelett des Erdkolosses scheint sich
schützend über das Skelett seines armen, kleinen Bewohners zu wölben, und
in grausenvoller Öde harren beide der Verwandlung."
Es ist schon seltsam, was Menschen beim Betrachten von Bildern alles sehen - oder auch nicht. Ich besuchte einmal einen Vortrag über Friedrich im Münchner Kulturzentrum Gasteig. Dabei wurde auch das "Felsenschlucht"-Bild gezeigt. Mit keinem einzigen Wort ging die Referentin auf den "schwarzen Fleck" in der Mitte ein. Daß das eine "Höhle" oder so etwas ähnliches, dieser Gedanke war gar nicht in ihrem "Gebäude".
Titel | Entstehungszeitpunkt | Aufbewahrungsort | Abbildungen in: |
Amselfall bei Rathen (Kupferstich?) |
um 1799 | Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett | Erfindung der Romantik |
Felsmassiv mit Höhlen und Mauerwerk / Der Regenstein (Radierung) |
Januar 1800 | CDF im Harz | |
Felsentor im Uttewalder Grund | 28. August 1800 | Kunsthalle Mannheim | Erfindung |
Das Felsentor im Uttewalder Grund (Pinsel in Braun über Bleistift) |
um 1800/1801 | Museum Folkwang, Essen | Erfindung |
Felsenhöhle / auch "Marmorbruch bei Rübeland" genannt (Bleistiftzeichnung) |
26. Juni 1811 | Pommersches Landesmuseum, Greifswald | Erfindung, CDF |
Studie zur "Felsenschlucht" (Bleistiftzeichnung, aquarelliert) |
27. Juni 1811 | Albertina, Graphische Sammlung Wien | Erfindung, CDFBe |
Gräber gefallener Freiheitskrieger (Grabmale alter
Helden) (Öl auf Leinwand) |
1812 (?) | Hamburger Kunsthalle | Erfindung, CDF |
Felsental (Das Grab des Arminius) (Öl auf Leinwand) |
um 1813 | Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen | Erfindung, CDF |
Felsenschlucht (Öl auf Leinwand) |
um 1821 | Pommersches Landesmuseum, Greifswald | Erfindung, CDF |
Skelette in der Tropfsteinhöhle (Sepia) |
um 1826 | Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett | Erfindung, CDF |
"Ich arbeite an einem großen Gemälde, in dem ich "das Geheimnis des Grabes und der Zukunft darzustellen gedenke."" Friedrich in einem Brief an seinen Bruder, zitiert in Illies, Zauber der Stille 76 ...paßt einfach zu dem "Skelette"-Bild
Literatur:
Biermann, Wolf | Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik, Ausstellungskatalog Museum Schäfer, Schweinfurt, Kunst Museum Winterthur, 2023 |
Börsch-Supan, Helmut | Caspar David Friedrich - Gefühl als Gesetz, Deutscher Kunstverlag, München Berlin 2008 |
Börsch-Supan, Helmut, Jähnig, Karl Wilhelm | Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen, München 1973 |
Briegleb, Till | Als die Natur Idee wurde, SZ Nr. 288, 14.12.2023, S. 9 |
Bruckmann-Verlag | Caspar David Friedrich, München 1976 |
Busch, Werner | Caspar David Friedrich. Ästhetik und Religion, München 2002 |
Busch, Werner | Caspar David Friedrich, C.H. Beck, München 2021 |
Eberlein, Kurt Kartl | Caspar David Friedrich, Velhagen & Klasing, Bielefeld 1940 |
Földenyi, Laszlo F. | Caspar David Friedrich. Die Nachtseite der Malerei, Berlin 1993 |
Gaßner, Hubertus (Hrsg.) | Caspar David Friedrich. Die Erfindung der Romantik, München 2006 |
Grave, Johannes | Caspar David Friedrich, München 2017 |
Grummt, Christina | Caspar David Friedrich. Die Zeichnungen. Das gesamte Werk, 2 Bände, München 2011 |
Gumbrecht, Hans Ulrich | Harmonie und "Abbruch" unter dem Licht von Caspar David Friedrich, in: Stimmungen lesen, Edition Akzente, Hanser, Müchen 2011 |
Heine, Florian | Mit den Augen der Maler - Schauplätze der Kunst neu entdeckt, Bucher, München 2009 |
Hinz, Sigrid (Hrsg.) | Caspar David Friedrich. Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit, München 2000 |
Hohmeyer, Boris | Geometrie im Gebirge, ART 1-2023, 92ff. |
Illies, Florian | Zauber der Stille - Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten,S. Fischer, Frankfurt a.M. 2023 |
Ilming, Heinz | Die Höhle in der bildenden Kunst, Die Höhle 3/4-1984, S. 177ff. |
Körner, Joseph Leo | Caspar David Friedrich. Landschaft und Subjekt, München 1998 |
Kunstmuseum Winterthur und Autoren | Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik, Katalog anläßlich der Ausstellung, Hirmer Verlag, München 2023 |
Lindenmayr, Franz | Caspar David Friedrich als Maler von Höhlenmotiven, in: HÖREPSY 2015, Tagungsband zum 24. Treffen, Gröbenzell, Oktober 2016 |
Lindenmayr, Franz | Das Höhlenmotiv im Werk von Carl Spitzweg, in: Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher, Jahrgang 68, Nr. 4, S. 110-117 |
Matt, Peter von | Übeltäter, trockne Schleicher, Lichtgestalten - Die Möglichkeiten der Literatur, Hanser, München, 2023 |
Meinhof, Renate | Nur gucken, nicht anfassen, SZ Nr. 44, 22.02.2024, S. 3 |
Museum Folkwang Essen, Hamburger Kunsthalle | Caspar David Friedrich, Die Erfindung der Romantik, 2006 |
Rathgeb, Eberhard | Maler Friedrich, Berenberg Verlag, Berlin 2023 |
Richter, Peter | Mehrzweck-Melancholiker, SZ Nr. 88, 16.04.2024, S. 10 |
Röder, Sabine | Höhlenfaszination in der Kunst um 1800, Druckhaus Arns, Remscheid, ohne Jahresangabe |
Scholl, Christian | Caspar David Friedrich und seine Zeit, Leipzig 2015 |
Sello, Gottfried | Auf den Spuren von Caspar David Friedrich - Der Maler der Romantik, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2016 |
Singer, Lea | Anatomie der Wolken, Hoffmann und Campe, Hamburg 2015 |
Vahland, Kia | Schau in den Abgrund, Süddeutsche Zeitung HMG, Nr. 41, 19.02.2015, S. 9 |
Vahland, Kia | Als die Schweiz in Mode kam, SZ Nr. 198, 29.08.2023, S. 9 |
Vahland, Kia | Caspar David Friedrich und der weite Horizont, Inselbücherei, Berlin 2024 |
Zschoche, Herrmann | Caspar David Friedrich im Harz, Verlag der Kunst Dresden, Husum 2008 |
Zschoche, Hermann | Caspar David Friedrich. Die Briefe, Hamburg 2006 |
Links:
https://fr.muzeo.com/reproduction-oeuvre/squelette-dans-la-grotte/caspar-david-friedrich
Der Trudenstein - Granitklippe mit Aussicht zwischen Drei Annen Hohne und Schierke im Harz
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