Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Höhlenphotoexperimente
- Schädelstättenbild
In einem Essay mit dem Titel "Bilder" ließ sich Halldór Laxness, der spätere Literaturnobelpreisträger aus Island, ausführlich über moderne Kunst aus. Aus der damaligen Sicht heraus kanzelt er ziemlich hoffärtig alles ab, was nicht zu seinem Kunstbegriff paßt. Ein Bild sei, "spaßeshalber" gesagt, die "die Nachahmung eines Gegenstandes". Damit kann er leicht alles niedermachen, was nur Nachahmung sein will. Offenbar schätzte er damals besonders den Photoapparat und das damit gemachte Photo. "Es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen einem manuell angefertigten und mit Hilfe eines Apparates angefertigten Bild - das heißt einem Bild, das mit einem primitiven Werkzeug wie einem Bleistift oder Pinsel angefertigt wurde, und einem Bild, das mit einem vollkommenen Werkzeug wie einem Photoapparat aufgenommen wurde, also zwischen einem gemachten und einem aufgenommenen Bild." (Laxness, S. 137) Und er schwadroniert dann weiter: "Was könnten wir denn sonst noch von einem Bild erwarten oder verlangen außer der Eigenschaft, das Aussehen der Gegenstände so nachzuahmen, wie sie dem allgemeinen Betrachter, dem nicht subjektiven Auge, erscheinen?" Den "allgemeinen Betrachter" gibt es gar nicht, er ist nur eine erfundene Abstraktionsfigur, um sich über alle anderen hinauszuheben.
In dem Essay "Japanisches Glück" erzählt Wilhelm Schmid von einem Steingarten im Ryoanji-Tempel in Kyoto. Vierzehn Steine sind in einem geharkten Kies zu sehen. Vom anderen Ende des Gartens aus wird ein 15. Stein sichtbar, der vorher verborgen war - "und beim Blick zurück sind es doch wieder nur vierzehn Steine". Alles hängt an der Perspektive. "Daß etwas unsichtbar und dennoch da sein kann: Das ist die Lektion dieses Gartens".
Das ist wohl auch der eher spürbare, denn sichtbare Kern der Höhlenphotographie. Natürlicherweise ist es finster in den tiefen Höhlen. Es gibt dort kein Licht zum Photographieren. Wir sind es, die dort Helligkeit hineintragen und anknipsen, anzünden, auch wieder auslöschen. Es gibt keine "objektive" Sichtweise. Und sind die Bilder einmal im Kasten, dann man sie auch wieder immer wieder anders ansehen, etwas mit ihnen machen, man kann sie genauso gut auf den Kopf stellen, sie verfärben, verzerren und was sonst noch.
Eine Zeitcharakterisierung von Halldór von damals scheint mir noch heute zuzutreffen: "Im Augenblick sind die Galionsfiguren der Krämerklasse diejenigen, die Völker und Heere herrschen." Und dagegen hält er die "Männer", von Frauen redet er noch nicht, "die mit allen Monstern und Ungeheuern zwischen Himmel und Erde gerungen haben (Hier spricht wohl das Isländische!), um dann den innersten Kern aller menschlichen Natur, die stärksten und empfindlichsten Geheimnisse ganzer Länder und Völker in ihren Atemzügen zum Ausdruck bringen zu können".
Die Höhlenphotographen sind wohl die, die mit der Dunkelheit zum Beispiel "kämpfen". Öfters scheitern, aber gelegentlich auch noch gute Ergebnisse aus dem Bauch der Erde wieder mitbringen. Und gelegentlich auch zeigen.
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Literatur:
Halldór Laxness | Das Volksbuch Über Island und Gott und die Welt, Göttingen 2011 |
Schmid, Wilhelm | Die Fülle des Lebens - 100 Fragmente des Glücks, Frankfurt am Main und Leipzig 2011 |
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