Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
"Photography is a twilight art" Susan Sontag
"..weil Jugend an sich schon Zwielicht genug war, mit seiner Grauzone des Ungefähren, dieser unendlichen Dämmerstunde aus Andeutungen und lebensverachtender Ironie." Nickel, Spitzweg
Diese Aussage aus Susan Sontags Buch wurde in der im übrigen ausgezeichneten Übersetzung von Mark W. Rien und Gertrud Baruch, erschienen erstmals 1980 im S. Fischer-Verlag, mit "Die Fotografie ist...eine von Untergangsstimmung überschattete Kunst" übersetzt. Der Fairnis halber heißt der ganze Satz "Photography is an elegiac art, a twilight art.", was da dann heißt: "Die Photographie ist eine elegische (voll Schwermut, Wehmut, wehmütig) Kunst......".
Mich hat das Wort "twilight" sofort angesprungen. Zwei Lichter....nicht nur eines. Gerne wird diese Welt als eine gedacht, in der es nur eine Lichtquelle gäbe, besonders gerne: die Sonne. Aber dem ist nicht so. Oft merkt man, daß es noch mehr Lichtquellen gibt. Wenn das große Licht "ausgeknipst" ist, in der Nacht, dann nehmen wir auch das Mondlicht wahr, das Licht der Sterne. Es noch viel viel mehr andere Leuchten!
Als "Niemandszeit" werden solche Zeitperioden von den
deutschen Dichter Eduard Mörike genannt und er gibt ihnen eine literarische
Form:
"Sage doch, wird es denn heute nicht Tag? es dämmert so lange,
Und schon zu Hunderten, horch! singen die Lerchen im Feld."
Immer ja saugt ihr lichtbegieriges Auge die ersten
Strahlen hinweg, und so wächset nur langsam der Tag."
Ausführlich hat sich Peter von Matt in seinem Artikel "Dichten in der
Niemandszeit" damit auseinandergesetzt.
Das Zwielicht ist sehr wichtig, wenn man Höhlenphotographie als einen persönlichen Schwerpunkt gefunden hat.
Im tiefen Innern der Höhlen ist das sowieso klar. Da ist es, was? Nachtschwarz? Wenn man genau hinschaut, dann ist ja die Nacht gar nicht schwarz. Da gibt es ja die Sterne und das Mondlicht. Heute auch noch die vielen menschengsmachten Lichter und so weiter. Wenn man da ein Photo zusammenbringen will, muß man Licht mitbringen. An Anfang hat man mit Blitzpulver gearbeitet, später kamen die Blitzbirnen, die Elektronenblitzgeräte, das Karbidlicht, die Elektolampen, heute kann man mit Filmscheinwerfern und Taschenlampen mit unglaublicher Lichtstärke Aufnahmen machen, die man früher für unmöglich gehalten hätte.
Sehr spannend ist der Eingangsbereich der Höhlen. Besonders wenn man zur "richtigen" Zeit hingeht. Die Idee habe ich von Hardy Schabdach bekommen, als er anläßlich einer Jahreshauptversammlung der FHKF abends eine Führung ins Gelände anbot, um im Abendlicht Felsen und Ruinen aufzusuchen und zu photographieren. Erwischt man den richtigen Zeitpunkt, der oft schon mit der "Blauen Stunde" beschrieben wurde, dann ergeben sich großartige Möglichkeiten, um noch ungewöhnliche Photos zu "schießen".
Kurz darauf war ich schon unterwegs. Es gibt ja zwei Moment am Tag: ganz früh oder halt dann, wenn die Sonne gerade untergegangen ist. Geht man dann zu den Höhlen, dann man den Kontrast innen und außen mit entsprechenden Beleuchtungen erhöhen und durch das Spiel mit dem Licht vollkommen ungewohnte Eindrücke, ja, herzaubern. Die Dinge sind nicht nur das, was sie auf die Waage bringen oder an Raum einnehmen, sie sind auch wie sie "erscheinen" - und das hängt von der Beleuchtung ab, die ja keineswegs gleich sein muß.
Dazu paßt der erste Satz aus Sontags Buch über die Photographie: "Humankind lingers unregenerately in Plato's cave, still reveling, its age-old habit, in mere imagies of the truth." "Imagies of the truth" - es gibt nicht nur ein Bild der Wahrheit, sondern unendlich viele! Z.B. je nach Beleuchtung und Standort und.....
Für mich wurde das zu einem wichtigen neuen Anstoß, auch altbekannten Höhlen wieder einen Besuch abzustatten - allerdings mit dem besonderen Aspekt, auf die Tageszeit zu achten. So wurde ich zum Frühaufsteher und zu jemandem, der auch noch draußen blieb, wenn es andere schon längst wieder in ihren guten Stuben und vor den Fernsehr gezogen hatte.
Der besondere Reiz der Photographie um diese Zeit besteht darin, die verschiedenen Licht zu mischen. Das letzte Tageslicht mit dem künstlichen Licht aus der Höhle zum Beispiel.
|
||
2021
Sirgensteinhöhle |
||
Es gibt aber noch viele weitere Aspekte....
z.B. das Gedicht "Zwielicht" von Joseph von Eichendorff oder das Musikstück von Robert Schumann...
Literatur:
Matt, Peter von | Dichten in der Niemandszeit, in: Das Wilde und die Ordnung - Zur deutschen Literatur, Hanser, München 2007 |
Nickel, Eckhardt | Spitzweg, Piper, 2. Auflage, München 2022 |
Sontag, Susan | On Photography, 1971 |
Links:
[ Index ] | [ Englisch version ] | [ Höhlen und Höhlengebiete ] | [ Kunst ] |
[ HöRePsy ] | [ Höhlenschutz ] | [ VHM ] | [ Veranstaltungen ] | [ Links ] |