Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das Erdstalltreffen 2004 in Großkrut / Niederösterreich


In Röschitz, 5. September 2004


Erdställe in:

Althöflein

Neusiedl

Wilhelmsdorf/Folda

Röschitz


"Die interessantesten Fragen bleiben immer Fragen. Sie bergen ein Geheimnis. Jeder Antwort muß man ein "vielleicht" hinzufügen. Nur uninteressante Fragen haben eine endgültige Antwort."

Eric-Emanual Schmitt, Oskar und die Dame in Rosa


Nachdem 3 Jahre hintereinander die jährliche Erdstalltagung in Kloster Strahlfeld bei Roding stattgefunden hatte, sollte wieder einmal dieses höchst vortreffliche Treffen woanders auch wieder sein.

Edith Bednarik kümmerte sich sehr erfolgreich darum, und wir waren wieder einmal in diesem niederösterreichischen Mekka der Erdstallforscher. Das Treffen fand vom 3. bis 5. September 2004 in Großkrut in Niederösterreich statt.

40 Teilnehmer hatte unsere Tagung. Gegen 7 Uhr abends waren die meisten bereits da. Ein paar von uns waren schon etwas früher da und wir bekamen die Gelegenheit, in Ruhe die Erdställe von Althöflein besichtigen. Das war für uns ein großes Glück, weil am nächsten Morgen, wo da alle 40 auf einmal hier einfielen und nur 1 1/2 Stunden zur Verfügung standen, die schöne Ruhe nicht mehr da war.

Der gemeinsame Teil begann mit einem üppigen Abendessen, dann eröffnete Edith im Vortragssaal die Veranstaltung. Der Bürgermeister war auch eingeladen und hielt erwartungsgemäß auch eine kleine Rede. Edith stellte uns das Programm der nächsten 2 Tage vor - und das war üppig. Wir haben mehr als 25 Erdställe in gedrängter Form an 5 verschiedenen Örtlichkeiten besuchen können, und ein paar ganz Begeisterte haben wirklich das ganze Pensum erfüllt. Diese Erdställe stellte uns Edith an Hand von Plänen vor und gab auch noch ein paar Kommentare zu derzeit bestehenden Forschungsproblemen ab. Ein Thema ist z.B. die verblüffende Tatsache, daß es da diesen Erdstallkomplex, der von Niederösterreich bis in den Raum des Bayerischen Waldes und bis nach Südbayern reicht, dann ca. 1000 km erdstallfreie Zone und dann wieder im Centralmassiv und an anderer Stellen in Frankreich wieder welche. Woher kommt das?

Josef Weichenberger nahm noch Bezug auf das Buch von Pater Karner und schnitt ein paar Themen an, auf er uns in den kommenden Tagen zu achten anregte. Immer wieder wurde deutlich, wie doch die Wortwahl, z.B. die "Lampennischen" oder "Tastnischen", manchmal einfach nur unser Unwissen in Bezug auf diese in die Erde hineingebauten Rätsel ausdrückt. Eine Diskussion war nicht erwünscht, sie sollte am nächsten Abend erst stattfinden.

Die Versammlung löste sich langsam auf, unsere Münchner Truppe zog hinüber nach Poysdorf, wo wir unser Quartier in einem Hotel hatten. Der Abend war noch jung, wir schwärmten aus und landeten in einer sehr gemütlichen Weinwirtschaft. Es war schon nach Mitternacht, als wir zurückkehrten.

Um 6 Uhr früh sollten wir schon aufstehen, um 7 Uhr mit dem Frühstück beginnen, um 8.15 Uhr sollte die Exkursion beginnen. Alle versammelten sich in Althöflein, alle Keller standen offen, alle Erdställe waren zugänglich. Ein großes Dankeschön an die Eigentümer, die sie für uns aufgemacht haben. Gegen 9.30 Uhr gings schon wieder weiter nach Neusiedl. Überall standen Erdölpumpen in der Gegend. Man ist dort stolz darauf, daß hier die ersten Erdölförderanlangen Österreichs standen. Im Ort konnten wir 6 verschiedene Erdställe besuchen. Um zu großes Gedränge zu vermeiden, waren wir in 6 verschiedene Gruppen eingeteilt, die alle halbe Stunde wechseln sollten. Das nahm rund 3 Stunden tatsächlich in Anspruch. Auf dem Rückweg zum Gasthof Schweng in Großkruth zum Mittagessen besuchten wir noch einen ausgefallenen Felsenkeller. Er scheint in Verbindung mit einer natürlichen Karsthöhle zu stehen. Da den Architekten des Kellers wohl Zweifel an der Stabilität des natürlichen Hohlraums gekommen sind, haben sie viele Backsteinbögen hineinstellen lassen.

Nachmittags gings nach Wilhelmsdorf/Folda und Poysdorf/Gstettn. 8 Erdställe gabs da insgesamt zu sehen. Das Abendessen wurde in Gstettn in einem Wirtsgarten eingenommen, der zu einer Gaststätte gehört, die einen kleinen Erdstall auf dem Weg in den ersten Stock bzw. zu den Toilettenanlagen aufweist.

Ein Problem tat sich den ganzen Tag auf. Bei sehr vielen Erdställen, die ja alle bis auf einen im Zusammenhang mit Weinkellern stehen, gab es auch eine Gelegenheit zur Weinprobe. Klasseweine hätte es gläserweise zum Kosten gegeben und so mancher hat auch tatsächlich seine Weinvorräte aufgefüllt. Aber das mit dem Veltliner- oder Welschrieslingtrinken und dem Autofahren verträgt sich halt nicht so gut. Ein bißchen Vorsicht war schon angebracht.

Ich machte nachmittags noch einen kleinen Abstecher nach Herrenbaumgarten. Auch dort gibt es ja ein paar Erdställe, die schon vor ein paar Jahren bei einer anderen Erdstalltagung schon besucht worden waren. Mich interessierte was anderes - das Nonseum. Das ist nun wirklich was Besuchenswertes. Ein "Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen" steht dahinter und die haben inzwischen einen Betrieb, der stark ans Valentinmuseum in München erinnert. Zwei Beispiele: Da steht im Garten ein "Halbleiter", eine auseinander geschnittene Holzleiter an einem Baum, und von Michael Läntzsch stammen die "Brennstäbe", eine Kiste mit maßgerecht zugeschnitten Holzstämmchen.

Abends dann noch eine Diskussion, wo aber auch nicht das Rätsel der Erdställe endgültig geklärt werden konnte. Die große Frage, ob es ein Merkmal gäbe, das für alle Erdställe zutreffen würde, und wenn das auftritt, man mit Sicherheit sagen könne, daß das ein Erdstall sei, diese Frage blieb wieder unbeantwortet. Denn den Durchschlupf dafür zu erklären, das würde bedeuten, daß viele niederösterreichische Erdställe nicht als solche bezeichnet werden dürften, was auch unsinnig ist.

Am nächsten Morgen begann die Reise wieder schon sehr früh, schließlich ging es 1 1/2 Stunden Richtung Westen nach Röschitz. Dort ist ein kleiner Weinort, der ausgerechnet an dem Tag, wo wir da waren, ein Winzerfest feierte. Wir waren da nur eine bunte Zutat zum Festgeschehen. Edith hatte ausgezeichnete Vorarbeit geleistet und den Zugang zu den 6 vorhandenen Erdställen erwirkt. Überall standen die Türen offen, die Besitzer zeigten uns den Weg und hinein ging es in die unterirdischen Kammern und niedrigen Stollen. So ähnlich sie sich doch sind, so einzigartig ist doch jeder. Keine 2 sindn wirklich gleich. In einer entdeckten wir sogar noch eine kleine Fledermaus.

Zum Mittagessen suchten wir einen dieser herrlichen zu Gaststätten ausgebauten alten Keller auf, die ein großes Vordach aus Weinreben haben, die Schatten spenden und so für Kühle sorgen. Wieder gab es sehr gutes Essen und feinen Wein. Viele brachen danach auf, um die weite Heimreise (bis zu 600 km) hinter sich zu bringen. Ein kleines Häuflein machte sich noch in den Nachbarort auf und konnte noch 2 weitere Anlagen besuchen, eine davon sogar mit einem vollständig erhaltenen Umgang. Ein feines Erdstallstück, wobei uns erzählt wurde, daß es auch nur noch ein letzter Rest sei, das übrige sei den Bauarbeiten zur neuen Maschinenhalle zum Opfer gefallen.

Mit Erhard Fritzsch von den Oberösterreichischen Höhlenforschern versuchte ich noch die Teufelslucke bei Eggenburg zu finden, aber die entzog sich hartnäckig unseren Bemühungen. Es Grund mal wiederzukommen.

Insgesamt war die Tagung höchst gelungen, diesmal dominierte die Praxis, die Theorie kann ja im nächsten Jahre wieder mehr zur Geltung kommen. Sind wir dadurch der Lösung des Erdstallrätsels näher gekommen? Ich bezweifle das und der Meinung war nicht nur ich. Ich habe die akustische Hypothese in den Ring geworfen, daß nämlich viele dieser Kammern geschaffen wurden, um besondere akustische Resonanzphänomene möglich zu machen. Tatsächlich kann man allein schon durch Summen oder Mantrasingen an bestimmten Stelle hervorragende Effekte erzielen. Macht der Mensch selbst die Töne, dann braucht er außer sich selbst ja nichts anderes. Kommt daher die Fundleere der Erdställe? Uns wurde die Geschichte von Orgelbauern erzählt, die einmal den Erdstall Tiwald in Folda besucht hätten und denen auch die hervorragende Akustik aufgefallen war. Aber wozu dort Töne erzeugen? Wollte man dort meditieren? Oder sollte dort "Heilung" bewirkt werden? Heilung von Krankheiten durch Erzeugung von Tönen? Warum gibts denn sonst so viele?

Ein großes Dankeschön noch einmal an Edith Bednarik für die erstklassige Organisation dieser Tagung.

Der Gasthof Schweng in Großkruth

- der Veranstaltungsort

Abends im Gasthof
 
In Neusiedl
 
Frische Weintrauben nach dem

Erdstallbesuch

Bei der Weinprobe vor oder nach dem
Erdstallbesuch
Mitten auf der Hauptstraße
Beim Kräuterschnapsprobieren
In Wilhelmsdorf/Folda

Invasion der Beschlazten

Nachmittägliche Tagung
Samstägliche Abendbrotzeit
In Röschitz
Nach den letzten Erdställen
Im Weinkeller
Das Nonseum in Herrenbaumgarten
Der/die "Halbleiter"
"Brennstäbe" von Michael Läntzsch

Literatur:

  Einladung zur Tagung, Der Erdstall Heft 30, 2004
Karner, Lambert Künstliche Höhlen aus alter Zeit, Wien 1903
Bednarik, Edith Erdstalltypen in Niederösterreich, Der Erdstall 27-Roding 2001, S. 4ff.
Bednarik, Edith Erdstallforschung in Niederösterreich, Der Erdstall 29-Roding 2003, S. 33ff.


http://www.erdstall.de

https://www.lochstein.de/erdstall.htm

Höhlen im Weinviertel

Nonseum


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