Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Das Erdstalltreffen 2005 in Kloster Strahlfeld bei Roding
Dorothées Erdstallkabarett - sterneverdächtig
Ganz am Schluß, in einem gemütlichen Weinkellerlokal in Röschitz in Niederösterreich, wurde darüber entschieden, wo denn das nächste alljährliche Treffen der Erdstallforscher, das 2005er, abgehalten werden solle.
Nach dem ganz der PRAXIS gewidmeten 2004er Jahr, wo die Fleißigsten mehr als 25 Erdställe in 2 Tagen besucht haben, sollte es im folgenden Jahr wieder "ruhiger" werden.
Das Kloster Strahlfeld ist einfach der ideale Rahmen für eine Erdstalltagung. Die ruhige Atmosphäre eines Nonnenklosters, der freundliche Service und das gute Essen, der sonnige Tagungsraum, und, vor allem, die Umgebung steckt voller Erdställe und anderer unterirdischer Anlagen - was wollen wir mehr?
Mein geschäftiges Leben machte es mir einfach unmöglich, pünktlich zum Beginn dieses wieder sehr gelungenen Treffens in die mir im Vergleich zur übrigen übertrieben getriebigen Welt richtig weltabgeschieden vorkommende hügelige Gegend nördlich von Roding, und damit nach Strahlfeld, zu kommen. Am Freitag abend, den 23. September 2005 um 19.30 Uhr, war es schon wieder dunkel, kein Auto war ansonsten mehr auf der Straße. Als ich abbog und mich auf den Besucherparkplatz des Klosters zubewegte, da rührte sich überhaupt nichts. Nichts und niemand war zu sehen, war ich überhaupt richtig? Hatte ich wieder einmal das Datum verwechselt? Dann noch eine Biegung nach rechts und wieder nach links. Auf einmal war da ein Parkplatz voller Fahrzeuge bis auf einen kleinen Fleck an Rande. Da ließ ich mich nieder. Ich eilte erst einmal zum Speisesaal. Eine freundliche Schwester blickte mich an, ich erzählte ihr, daß ich noch nichts gegessen hätte, sie sagte, kein Problem, und brachte bald drauf viele Salate und noch ein paar Speisen, zwei Männer aus dem Glatthaar-Clan saßen auch noch da, ein Bier war auch gleich gebracht, alles fing schon gut an.
Gleichzeitig war Vorstandssitzung des Erdstallvereins, wo man sich sehr gesorgt hat, wie überall und immer mehr in diesem Land, um die Finanzen. So wie in der Vergangenheit geht es einfach nicht mehr weiter - schad drum.
Gegen 20 Uhr begann der Vortragsreigen, der ganz anders ausfiel, als in der Ausschreibung noch angegeben war. Den Anfang machte der Zugang aus dem Sachsenlande, Roland Winkelhöfer, der Bezüge zwischen den Erdställen und seinem Heimatbundesland herzustellen versuchte. Bei einem Manne, der unter anderen Umständen wohl ein sehr erfolgreicher "öffentlicher Unterhalter" geworden wäre, fiel der Report gewürzt witzig aus. Zwischen Felsenkellern über die Balkenlöcher einer sächsischen Einsiedlerklause, die Bierkeller im tschechischen Pilsen und am Ende einem Sandsteinfelsendurchschlupf, der auch nicht in die vermutliche Entstehungszeit der "wirklichen Erdställe" fiel, hatten wir genügend Gelegenheit, uns auszulachen. Da hat der nötige "Ernst" gefehlt ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ein Witz von ihm, am Frühstückstisch erzählt (auf bayrisch): "Beschwert sich da Bua über seinen Vada, daß er eahm oiwai a Watschn gibt, wenn er liagt. Sogt der Vater: , sonst ........." Denkt Euch doch die Pointe selber aus. Ziemlich kompliziert, aber unheimlich einfach und wahr und sehr logisch.
Das Highlight des Abends war Edith Bednariks Vortrag über "Verschlüsse"! Gesehen auf der Hintergrund vieler Jahre eigener Erlebnisse und Ergebnisse von Befahrungen von Erdställen vor allem in Niederösterreich. Die "Fluchthypothese" einer "Schule" der Erdstallforscher wurde wieder einmal "zerrissen". Übrig blieben dann höchstens noch "symbolische Verschlüsse". Eifrigst hatte sie bei Nischen in den Erdstallwänden zum Beispiel nach Gegennischen auf der anderen Gangseite gesucht, aber das gibt es viele, die so etwas nicht haben. So etwas paßte nicht zum Thema "Verschluß". Besonders spannend wurde es bei Wandformen, die mich an Säbel erinnern. Als ein Erklärungsansatz bot sich an, sie als Einschubschienen für Holzprügel zu sehen. Da ging es dann um vorhandene oder nicht vorhandene Anschlußvertiefungen, in die man dann die Prügel dann wirklich festmachen hätte können, die waren aber nicht da......... Edith hatte sich alle Mühe gegeben und sogar vier Styropormodelle mit unterschiedlichen Verschlußarten hergestellt. Nun hatten wir sie alle selber in der Hand und konnten herummachen (wegen der Ernsthaftigkeit schreibe ich nicht "spielen") und erleben, ob der "Verschluß" wirklich was taugte.
Verschluß hin oder her - die Zeit verging und das Publikum wurde nicht frischer.......
Nach Ediths respektvoll beklatschtem Vortrag verzogen sich immer mehr Teilnehmer der Tagung, die wirklich gut besucht war, in ihre privaten Kemenate. Ein paar Unentwegte, die es bei so etwas immer gibt, hielten durch - bis nach Mitternacht. Dann holte auch die der Schlaf, senkte sich die oberpfälzische Ruhe auch über diese wachen Geister......
Ich denke da zurück an ein Gespräch an einem Erdstall, von dessen Existenz noch niemand vor einigen Sonnen- und Mondaufgängen was gewußt hatte. Und da saß einer und noch einer, die hatten sich mehr oder weniger schon damit auseinander gesetzt. Und da sagte derjenige, der selbst schon sehr tief in die Materie eingestiegen war und schon wunderbare Zeichnungen von ihnen gemacht hatte, daß es in zwei oder drei Jahren diesen Arbeitskreis gar nicht mehr geben wird. Er wird sich einfach auflösen, weil es einfach keinen mehr gibt, der wirklich den "Durchblick" hat. Nun, diesen Erdstallerer sieht eigentlich inzwischen keiner mehr, die anderen "Indianer" auf der Suche gibt es noch - und, die Suche geht weiter.... Das ist doch das Schöne! Stellen wir uns doch nur, bitte, den schrecklichen Moment vor, daß das "Erdstallrätsel" gelöst sei! Dann gibt/gäbe es doch keinen Grund mehr, noch weiter zusammenzukommen und mit der Stange im Nebel herumzustochern! Alles wäre klar. Wir könnten heimgehen und zuhause hocken bleiben. Wir wüßten "alles", wozu brauchten wir dann noch die "anderen"? Jeder wüßte alles selber und wir alle das Gleiche (schreibt "man" das eigentlich heute "groß" oder "klein"?) - wie langweilig! Wir bräuchten gar nicht mehr zusammenkommen, um gemeinsam auf die "Suche" zu gehen. Der eine weiß dies, der andere das. Wenn wir das alles zusammenlegen - vielleicht haben wir ja alle so viele Puzzlesteine zusammen, daß miteinander das alles zu einem "Großem Bild" zusammenlegen können, das am Ende wirklich Sinn macht.
Der nächste Morgen....neblig zuerst.
Das Frühstücksbuffet war reichlichst gedeckt und sogar von Vogelstimmen von einer CD akustisch ummalt. Um 9 Uhr begann der vormittägliche Vortragsreigen. Heinrich Kusch begann mit einem Vortrag über die Steirischen Erdställe. So viele sind das bislang noch nicht, aber immerhin. Es gibt genug Geschichten dazu, so daß auch in der Zukunft noch mit erfreulichen Überraschungen gerechnet werden darf. Ich spitzte die Ohren, als es hieß, daß es da mal im Frühmittelalter eine Wanderungsbewegung von Bayern dorthin gegeben hatte. Hatten die Leute damals die Idee des Erdstalls mit sich genommen und in ihrer neuen Heimat sie wiederbelebt? Angesichts der Fundleere der Erdställe ist das einfach Spekulation.
Einen aktuellen Zwischenbericht gab anschließend Harald Schaller über die aktuellen Grabungen im Erdstall "Schießl-Keller" in Oberviechtach. Vor ein paar Jahren waren wir anläßlich einer Erdstalltagung schon mal drinnen und haben ihn besucht. Mit äußerster Akribie wird hier vorgegangen, und es tauchen tatsächlich erstaunliche Dinge auf. Ein Tontopf in einer Vertiefung vor dem heutigen Zugang in den Erdstall, Münzen aus dem 18. Jahrhundert, Holzkohlereste an der strategisch höchst spannenden Stelle vor einem Schlupfloch, die möglicherweise noch aus der Erbauungszeit des Erdstalls stammt usw.. Und es wird weitergegraben. Davon werden wir sicherlich noch einiges Spannendes hören.
Vor der Mittagspause hielt Monsignore Prof. Dr.Paul Mai noch über frühchristliche Strukturen im Bistum Regensburg einen Vortrag. "Fast keine schriftlichen Aufzeichnungen" aus der Zeit, die gerade durch die jüngsten Datierungen von Holzkohle in Erdställen höchst wichtig geworden ist, so das Resümée eines Zuhörers am Ende. Jetzt sind die Erdställe schon meist leer, Schriftliches gibt es auch fast nichts, wie soll denn dann je das Erdstallrätsel gelöst werden?
Die Klosterküche verwöhnte uns mit einem köstlichen Mittagessen. Dann ging es gleich los, busmäßig, Richtung Deggendorf. Regine hatte eine Schmankerltour für uns organisiert. Wir konnten den Erdstall im Schloß Egg besuchen. Zeitmäßig hätten wir wohl keinen ungünstigeren Zeitpunkt wählen können, denn zum fraglichen Zeitpunkt wurde gerade kräftig "Kohle" gemacht dort. Ein großer Kunsthandwerkermarkt fand gerade statt. Überall waren Stände aufgebaut, wo von toskanischen Köstlichkeiten bis zu Wasserbecken mit Griffen, die, wenn man mit der Hand darüber strich, Töne von sich gaben, alles angeboten wurde. Dazwischen schlenderten vier höchst phantasievoll angezogene schöne Damen und verbreiteten ein Flair von Leichtigkeit des Lebens. Immerhin legten die Leute dafür 5,50 als Eintrittsgebühr hin.
Dann kam auf einmal ein großer Bus. Heraus strömten etwa 50 Leute, bepackt mit Taschen, Beuteln, Tonnen, mußten erst mal warten, eh das ok des Schloßherrn kam, und strebten dann im Rudel gleich hinauf zum Schloßeingang. Da sortierten sich die Dinge auch schnell, und wir wurden eingelassen in den Schloßhof. Da fand sich dann auch bald ein Kundiger, der die erste 15-Personen-Gruppe die Treppen hinunter in den Keller und vor das schmiedeeiserne Türchen führte. Dort wurde sich umgezogen und standesgemäß eine Befahrung dieses Erdstallklassikers vorgenommen. Lange dauert so eine Tour normalerweise ja nicht. Und ob wir dabei wirklich das mitbekommen haben, was ja auch wesentliche Kennzeichen eines Erdstalls, normalerweise, sind, nämlich "Leere" und "Stille", das wage ich nicht nur zu bezweifeln, sondern bin mir sicher, daß das nicht der Fall war. Bei so vielen Leuten ist der Erdstall "voll" und voller Töne, incl. meines Summens! Der Erdstall hat eine herrliche Resonanz, aber besonders ein Erdstallerer hatte dafür überhaupt nichts übrig. Den trieb das fast "auf die Palme", er konnte es einfach nicht ertragen. Viele Teilnehmer erklommen noch den Burgturm und erlebten den Prachtblick auf die Gegend rundum. Es gab noch eine Burgführung.
Um 16.15 Uhr war Abreisetermin. Es ging noch zum
Erdstall in Altnußberg, dann zurück nach Roding. Abends ein
Vortrag von von Erhard Fritsch über die sehr gefährliche
Freilegung eines Erdstalls in Oberösterreich, Josef
Weichenberger berichtete von Dokumenten über Räubenbanden im
30-jährigen Krieg und der Möglichkeit, daß Erdställe in
dieser Zeit als Unterschlupf Verwendung hätten finden können,
und von Peter Forster gab einen Zwischenbericht über einen neuen
alten Erdstall bei Ebersberg. Eine Kuh war auf der Weide
eingebrochen und so neue Loch hatte sich aufgetan. Es tut sich
was.
Die meisten Leute waren müde. Das letzte Licht ging schon viel
früher an diesem Abend aus.
Am Sonntagmorgen verwöhnte uns schon wieder das spätsommerliche Prachtwetter. Beim Frühstück an den großen Tischen sind ja immer neue mit immer anderen Leuten möglich, was ich inzwischen einfach genieße. Das war dann auf einmal von den "Arbeitern mit Strahlenschein" die Rede, die sich ihre Arbeitszeit damit abkürzten, daß sie Schraubenschlüssel in komplizierte Maschinen warfen und hinterher nur noch "feststellen" konnten, daß alles kaputt war, und sie nachmittags damit zu ihrem Schrebergarten konnten, bis die "Ingenieure" alles wieder gerichtet hatten.
Ursprünglich vorgesehen war da nicht viel am Sonntagmorgen, aber tatsächlich kam es dann doch knüppeldick. Eine Anfrage von Edith Bednarik mit der Frage nach dem Vorkommen von Erdställen im Zusammenhang mit Kirchen, Friedhöfen und Hausbergen in Bayern löste das aus. Erst antwortete Regine aufgrund ihrer hervorragenden Quellenkenntnis, dann Anton Haschner. Tatsächlich tun sich da Perspektiven auf, deren Tragweite erst noch zu ermessen sein werden. Das Verhältnis Erdstall-Kirche ist in der Umgebung Dachau und Fürstenfeldbruck 1 zu 1 und noch mehr. Und es gibt immer nur einen Erdstall und eine Kirche - ganz anders etwas als wie in Niederösterreich: 15 Erdställe und eine Kirche. Kompliziert, verwirrend, jenseits aller Logik und damit Herleitbarkeit ist das alles, aber so ist es halt. Das öffnet Denkbarrieren, Gedankenschleusen, macht Wissenschaftsgläubigkeit fragwürdig, weil die auch nicht wirklich was "weiß" (was in Wortbeiträgen treffendst karikiert und entsprechend, lachenderweise, beantwortet wurde). Es kam dann zu einer dramatischen Szene, wo dann gefordert wurde, "sich an die Fakten zu halten". Aber was sind denn die "Fakten"? Zahlen, Zahlenreihen, Buchstaben, Texte, Bücher, Internet..... Auch nichts wirklich zum Festhalten...
Peter Forster zeigte am Ende noch Dias vom letzten Erdstalltreffen in Niederösterreich, das ja wirklich extrem gelungen war, und wo wir, die wir dabei gewesen sein durften, alle nur noch dankbar sein dürfen. Ein Lebenshighlight. Aber warum haben die Leute früher die Erdställe gebaut? Eine Frage. Ich hatte nicht den Eindruck, inklusive mir, daß mich diese höchst erlebnisreichen Erlebnisse wirklich näher gebracht haben an eine Antwort. Das Rätsel bleibt, ganz einfach.
Wir werden uns, hoffentlich, wiedersehen. Face the challenge - so heißt das auf Englisch. Ich freu mich drauf. Schön, daß es so etwas noch gibt auf dieser Erde! (Uns könnte wohl nichts Schlimmeres passieren, als daß eines Tages eine/r auftritt und uns genau sagt, WARUM die Erdställe mal geschaffen wurden. Dann könnten wir alle anschließend daheimbleiben, WISSEN besitzen, aber wären wir dann wirklich glücklicher? Die wirkliche Antriebskraft ist ja das GEHEIMNIS, und das enthüllt sich ja definitionsgemäß nicht so einfach...... Gott(Göttin?)seidank.
Akteure und Zuschauer
Einladung zur Tagung, Der Erdstall Heft 31, 2005 | |
Karner, Lambert | Künstliche Höhlen aus alter Zeit, Wien 1903 |
pn/mz | Erdställe geben Forschern auch weiterhin Rätsel auf - Zur Erdstalltagung im Kloster Strahlfeld Gäste aus ganz Deutschland und Österreich / Vorträge und heftige Diskussionen, Bayerwald-Echo |
Kleinmann, Dorothee | Die Erdstalltagung vom 23. - 25. September 2005 in Strahlfeld, DER ERDSTALL 32 - 2006, S. 109 ff. |
https://www.lochstein.de/erdstall.htm
http://www.kloster-strahlfeld.de/
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