Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das Geldloch am Ötscher

- wo schon der Kaiser nach Gold suchen ließ

 


Geschichten waren wohl der Grund für eine der frühesten gut dokumentierten Höhlenfahrten auf unserer Erde, Geschichten davon, daß Menschen buckelkorbweise Reichtümer vom Berg ins Tal gebracht hätten. Und die Reichtümer würden aus einer Höhle hoch oben am Berg stammen.

Als man dann 1592 tatsächlich hochstieg im Auftrag des Kaisers Rudolf II, ein Freiherr Reichart von Strein wurde damit beauftragt. Christioph von Schallenberg und einige Begleiter, darunter Hanns Gasner aus der Kartause Gaming, führten dann tatsächlich die Tour durch. Sie brachten keine Schätze mit herunter, aber zum Beispiel die Kunde, daß schon vor ihnen dort Menschen in Höhlen eingedrungen waren.

Erst etwa 150 Jahre später gibt es wieder Aufzeichnungen darüber, daß jemand die Höhle besucht hat, 1746, ein A.J. Hacker, Pfarrer von Obergrafendorf, dann 1747 J.A.Nagel, der Hofmathematiker Kaiser Franz I.. Bedeutsam an dieser Tour sind vor allem die Zeichnungen des mitgenommenen "Reißers" Sebastian Rosenstingl, der damit einen der frühesten Höhlenpläne überhaupt gezeichnet hat, bei ausgezeichneter künstlerischer Qualität!
Nun reißen die Berichte der Befahrungen und Erforschungen des Geldlochs nicht mehr ab. Sein Bekanntheitsgrad muß enorm gewesen sein. So zog im Jahre 1923 eine ganze Infanteriekompanie des österreichischen Bundesheeres zur Höhle, um bei der Großexpedition vom 1. bis 10. 8. unter der Leitung von Franz Mühlhofer dabei zu sein. Damals wurde der große Schacht bis in eine Tiefe von 410m erforscht (neue Messungen sprechen von 370 m).

Nach dem 2. Weltkrieg fand 1953 eine Expedition statt, wobei man eine Gesamthöhendifferenz von 524 m und eine Gesamtlänge von 1800 m feststellte. 20 Jahre scheint dann "Ruhe" gewesen zu sein. Erst 1974 hat dann die neue Forschung eingesetzt und die setzt sich auch heute noch fort. Heute ist das "Geldloch" nur noch einer von vielen Eingängen in das "Ötscherhöhlensystem", der schon über 25 km Gesamtganglänge hat. Wer mehr darüber erfahren will, der kann das in den ausgezeichnet gestalteten Bänden "Die Höhlen Niederösterreichs" tun, wo es inhaltsreiche Beschreibungen, exakte Pläne und Fotos davon gibt.

Im August 1984 war ich zusammen mit zwei Höhlenforscherfreunden einmal im Geldloch, aber noch heute denke ich sehr gerne daran zurück. Wir hatten eine Entscheidung zu treffen. Nach einer Tour in den Lengfeldkeller bei Salzburg wollten wir entweder zum Forschen ins Gamsbemmerllabyrinth ins Hagengebirge oder eine Lusttour machen. Zu irgendeiner schönen Höhle. Unsere Wahl fiel auf das Geldloch und das habe ich nie bereut. Das Geldloch ist überall bekannt. Da gibt es für so ein paar "Höhlentouristen", die wir damals darstellten, nichts Neues zu entdecken. Wir hatten allerdings vieles Neues zu entdecken für uns.
Vormittags wanderten wir hinauf durch die Ötschergräben, ein wunderbares Naturparadies. Niemandem begegneten wir unterwegs. Beim Geldloch legten wir unser Gepäck nieder, "verwandelten" uns in ordnungsgemäße "Höhlenforscher" mit Schlaz und Lampe und zogen los. Eine klassische alpine Höhle lag vor uns. Ein großräumiger Tunnel nahm uns auf mit Eis und großen Felsblöcken. Fotographierenderweise "schossen" wir uns voran, bis schließlich kein richtiger Weiterweg mehr auszumachen war. Wir kehrten zurück zum Geldlocheingang, kochten uns ein kleines Mahl und verzogen uns in die Schlafsäcke. Einen fürstlichen Übernachtungsplatz hatten wir. Auf einer leicht schrägen Felsplatte direkt im Portal. Erst am Morgen wurde uns so richtig klar, was für ein großes Los wir gezogen hatten. Im Osten ging die Sonne langsam auf. Die nächtliche Dunkelheit verzog sich langsam. Der Himmel verfärbte sich allen ihm zur Verfügung stehenden Farben. Wir kochten uns Tee auf dem kleinen Gaskocher, mümmelten dahin im warmen Schlafsack und genossen das Naturschauspiel. Das war auch ein Fest für die Ohren. Kein Lärm von draußen, absolut keiner, vielleicht mal eines dieser schwarzen Viecher, die schon in den Sagen vom Geldloch erwähnt werden, die Reinkarnationen verdammter Seelen....
Wir besuchten auch noch das Taubenloch, das ja einen sehr ähnlichen Charakter hat, machten schöne Fotos und verzogen uns dann wieder zu Tale.
Auf dem Rückweg kehrten wir natürlich wieder bei der "Busenlechnerin" ein....

Ein paar Bilder von unserer Tour:

Die Südflanke mit den Eingängen
von Geldloch und Taubenloch

 

Ein schönes Beispiel "alter" Höhlenfotokunst von Eugen Berr im Alpenvereinsjahrbuch von 1902 mit dem Titel "Die Eiswand oberhalb des Eisdoms" (mit einer eingefügten "Geistergestalt auf dem Bild, ein frühes Beispiel von "Bildbearbeitung")

Literatur:

Pirker, R. Die Geheimnisse des Ötscherberges (Forschungsgeschichte 1592-879), in:KARST UND HÖHLEN in Niederösterreich und Wien, verfaßt vom LV f. Höhlenkunde in Wie und Niederösterreich, Gesamtredaktion R. Pirker und Dr. H. Trimmel, Wien 1954
Berr, E., Dr. H. Hassinger Das Geldloch im Ötscher
Mrkos, Dipl. Ing. H Gedenkfeier im Geldloch am Ötscher am 11.10.1992, HKM Wien 12-1992, S. 259f.
Greilinger, R. Das Sisyphusloch - der obere Einstieg in das Geldloch, HKM Wien 10-1988
Knobloch, G., Kurzmann, E. Überraschung am Ötscher, HKM 10-1986, S. 191f.
Hartmann, W. Das Geldloch am Ötscher, HKM 4-1985, S. 88ff.
Fink, Max H. Der erste bibliographische Hinweis auf die Erforschung der Ötscherhöhlen (Niederösterreich), DIE HÖHLE 4-1977, S. 120f
Holler, Wilhelm Touristische Befahrungen des Geldlochs im Ötscher (Niederösterreich) von 1966 bis 1975, DIE HÖHLE 4-1978, S. 116ff.
Fink, Max H. Die Wetterlöcher im Ötscher (Niederösterreich), Die Höhle 4-1972, S. 160ff.

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