Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Koppenbrüllerhöhle, Österreich
2005/2013
Am 22. Januar 2005 bin ich mal zum Eingang dieser
großen Quellhöhle am Fuße des Dachsteins gewandert. Ich
wähnte mich unterwegs zur Jahreshauptversammlung des Vereins
für Höhlenkunde in Obersteier, die um 17 Uhr anfangen sollte
(tatsächlich war sie erst am 29.1.2005, aber das habe ich erst
Stunden später auch mitbekommen). Ich war um 14 Uhr beim
Bahnübergang bei Obertraun, wo es eine richtige Bahnhaltestelle
"Obertraun-Koppenbrüllerhöhle" gibt. Die kommt mir
wie ein richtiges Architekturdenkmal heutzutage vor. Nichts war
los, aber auch gar nichts. Ein starker Wintereinbruch hatte
binnen kürzester Zeit viel Schnee in die Gegend gebracht. Keiner
fuhr hier mehr. Ich stellte mein Auto an der Bushaltestelle
gegenüber dem Restaurant Koppenrast ab und folgte dem Weg durchs
Trauntal. Ein großes Schild verkündete mir, daß der Weg
"gesperrt" sei. Warum? Ich wollte es herausfinden und
stampfte durch den 10 cm hohen Neuschnee. Aus dem Weg kamen ab
und zu Quellen, die frisches Wasser aus dem Berg entließen und
an wenigen Stellen zu freien schneefreien Flächen im Gelände
führten. Eiszapfen hingen an herabhängenden Grashalmen,
Bahnverkehr scheint es hier auch nur noch selten zu geben, viele
Blicke über die Traun ergaben immer das gleiche Bild - kein
Verkehr. Auch auf der Straße, die weit oberhalb des Wanderweges
verläuft, scheint sich nichts abgespielt zu haben. Alles, was
hier hörbar war, war die Traun.
Langsam begann ich schon zu zweifeln, ob da
wirklich die Höhle sei. Eine seitliche Einbuchtung, noch eine,
aber dann kam dann endlich wirklich was Ernstzunehmendens. Der Weg
spaltet sich heutzutage. Nach rechts, der Felswand entlang,
führt offenbar der "Alte Weg", der aber, laut Schild,
heute aufgegeben ist, und nur noch auf eigene Gefahr begangen
werden kann. An ihm ist in Kopfhöhe eine Stelle besonders
präpariert worden, die mindestens zwei Blicke verdient. Das
Gestein rundum ist ja Dachsteinkalk, also uralter Meeresboden,
der hier, laut Beschreibung 200 Millionen Jahre ist. Das
Leitfossil sind die sog. "Kuhtrittmuschel", die
Megalodonten, die hier mit prachtvollen Exemplaren zu sehen sind.
Am Höhleineingang war natürlich nichts
"los". Eine Holzhütte ist da für die Höhlenführer,
eine Art Marterl mit einem gemalten Bild, das an den
"Höhlendeserteur" Franz Engl erinnert, der sich schon
1776 dorthin geflüchtet hatte, und ein echter Baumstamm, der da
zwischen Höhlendecke und -grund eingeklemmt einfach dasteht -
wie die Weltenesche Yggdrasil. Zwei kurze Wegstrecken führen
noch weiter. Horizontal geht es weniger Meter geradeaus bis zum
einem vergitterten Tor, der künstlich gesprengte Teil, um die
Einschließung durch eventuell plötzlich auftretende Hochwässer
zu vermeiden, und den natürlichen.
Ein breites Felsmaul führt über Stufen immer tiefer. Wenn das Wasser steigt, dann hat der Mensch hier nichts mehr zu suchen. Dann strömen die Wässer, die sich im Innern großer Teile des Dachsteins sammeln, hier wieder zu Tage. Und das muß zu ganz besonderen akustischen Erscheinungen führen. Deshalb kommt im Namen der Höhle eben der "Brüller" vor.
3944 m Gesamtganglänge und 107 m Gesamthöhenunterschied wurden 1988 für diesen Hohlraum im Gestein angegeben. Vermutlich ist das auch nur, wie bei so vielen anderen Höhlen, ein vollkommen vorläufiger Wert. Denn die Lage ist einfach ideal für eine riesige Höhle. Das Problem ist nur, wo, wie geht es weiter?
Für mich war diese kleine Tour zum Höhleneingang ein ganz schönes Erlebnis. Einfach mal nur überhaupt den Eingang finden. Wo nur lag er? Keine Ahnung. Je länger ich ging, desto mehr fragte ich mich, ob ich nicht "falsch" wäre. Aber auch hier hat sich Ausdauer ausgezahlt. Auf einmal war er ja tatsächlich da, der verschneite Höhleneingang. Hoch oberhalb der Eingangsregion ist die betonierte Fahrstraße zu sehen. Da fahren alle Leute über die Höhle und haben keine Ahnung davon, was sich unter ihren Füßen befindet!
Überhaupt nicht zu übersehen waren die vielen Warnungen vor "Steinschlag". Wahrscheinlich ist da wirklich mal was passiert. Aber niemand hat das im Griff. Steine können von überall kommen. Von oben - wenn sie heruntergeworfen werden, vom "Himmelvater" wurde in meiner Jugend noch gesagt (aber welcher "Vater" wirft schon mit Steinen nach seinen Kindern? - schaut mal nach bei den Griechen! Da frißt sogar ein "Gott" alle seine "Kinder"- Chronos!), von der Seite oder von "unten" - schaut Euch mal Vulkane (Vielleicht feiert da einer von den Unter/Überirdischen gerade wieder ein Neugeburtsfest) an! Und wenn die Steine fliegen, dann helfen auch die besten Schilder nichts!
Ich hatte kein eigenes Licht dabei. Das begrenzt den eigenen Radius in der Höhle ganz gewaltig, wenn man einigermaßen "Vernunft" mitbringt. Aber es ist spannend, wie weit man auch ohne Tages/Nacht(Sterne/Mond)Licht vordringen kann. In die Finsternis. Die auch ihre Stufen hat. Die intelligente Anwendung einer Digitalkamera ermöglicht z.B. einem "Abenteurer" einiges. Nicht zur Nachahmung empfohlen - insbesondere wenn man immer bei anderen die "Schuld" suchen will. Schon der Eingangsbereich ist ein akustisches Erlebnis. Permanent tropfte aus einem seitlichen Schlot und aus der Tiefe des künstlichen Stollens drangen die Geräusche fließenden Wassers, wohl des Höhlenbaches. Ich stellte mich einfach hin und lauschte. Erzählte hier der Berg eine Geschichte? War vielleicht da das zu hören, was Josef von Eichendorff in romantischer Begeisterung einmal so formuliert hat:
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
Wer das Licht zurückdreht, für den werden vor allem die Ohren und der Tastsinn wichtig. Das habe ich ausprobiert. Nicht bis ins äußerste Extrem.
Ich bin jedenfalls gut wieder zurückgekehrt, bin nach Tauplitz gefahren, besser geschlittert, hab durchgedreht mit den Reifen, hab umgedreht, einen Parkplatz unterhalb gesucht, bin steckengeblieben auf halber Straßenbreite, Feriengäste haben mich wieder freigeschoben, bin hochgelaufen, wurde am Ende von der eigenen Wronginformiertheit besiegt, 7 Tage später war erst der Event, zu dem ich heute mich schon durchgekämpft hatte. The ups and downs of life. Schneesturm auf dem Heimweg.
Die Höhle ist von April bis September für die Öffentlichkeit geöffnet und wird täglich von 10 bis 16 Uhr mit Karbidlampen geführt. Der Eintrittspreis beträgt 6,50 . Es werden auch verschieden lange Abenteuerführungen angeboten, die dann bis zu 27 für Erwachsene kosten.
2013
Literatur:
Ing Hermann Bock et al. | (1913): Höhlen im Dachstein und ihre Bedeutung für die Geologie, Karsthydrographie und die Theorien über die Entstehung des Eises, Dem Andenken weiland Prof Friedrich Simonys. |
Bouchal, Robert, Wirth, Josef | Österreichs faszinierende Höhlenwelt, Pichler-Verlag, Wien 2000 |
Hasenmayer, Jochen, Wunsch, Alexander | 100-m-Siphon der Koppenbrüllerhöhle bei Obertraun durchtaucht, Die Höhle 1-1969, S. 9ff. |
Komarek, Alfred | Salzkammergut - Reise durch ein unbekanntes Land, K&S, Wien 1994, 2010 |
Pfarr, Theo, Stummer, Günter | Die längsten und tiefsten Höhlen Österreichs, hrg. v. Verband Österreichischer Höhlenforscher, Wien 1988 |
Links:
https://dachstein-salzkammergut.com/de/sommer/unterirdisch/koppenbruellerhoehle/
Adresse:
Dachsteinhöhlenverwaltung Obertraun, A-4831 Obertraun, Tel: +43/(0)6131-3531-0, Fax: +43-6131-8400-4892
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