Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Kraushöhle bei Gams, Steiermark, A


Eine "Lechuguilla" in Österreich? Kaum zu erwarten, aber ein bißchen gibt es schon was davon. Denn in dieser relativ kleinen und noch recht beschaulichen Schauhöhle finden sich Gipsvorkommen, die außergewöhnlich sind. Zwar hängen da keine "chandeliers" mehr von der Decke, aber vielleicht gab es da früher mal ähnliche Gebilde, vielleicht etwas kleiner, aber immerhin.

Mehr als 100 Jahre ist es schon her, daß man die "Kraushöhle" im Anerlbauerkogel oberhalb der Straße, die von Gams nach Krautgraben und dort durch den Nothgraben führt, entdeckt hat. Einheimischen sei sie bereits um 1838 herum bekannt gewesen sein. Ab 1880 wuchs wieder das Interesse an der Höhle und man gründete sogar 1881 im Gams ein richtiges Grotten Comité. Über einen Schacht gelang es auf ein horizontales Gangsystem zu kommen, das bis auf wenige Meter wieder an die Erdoberfläche heranführt. Ein kurzer Stollenbau genügte, dann war ein einfacher Zugang für alle möglich. Franz Kraus kaufte sich das Grundstück und baute die Höhle aus. Schon 1882 wurde sie als Schauhöhle eröffnet, ein Jahr später ließ er ein Kleinkraftwerk am Bach durch die Noth errichten, das den Strom für die erste elektrisch beleuchtete Schauhöhle der Erde lieferte. Nach 7 Jahren mußte aber dieser Versuch wieder abgebrochen werden - wegen technischer Schwierigkeiten und unwirtschaftlichen Betriebs. Inzwischen sind die Leitungen alle wieder abgebaut, man führt heute wieder mit Karbidlampen, die selber schon wieder Relikte einer vergangenen Zeit sind.

Eingang Blick vom Eingang auf die Landschaft Krausdenkmal


70 Meter weit geht es in einem tunnelartigen Gang leicht abwärtsführend in den Berg. Schöne Deckenkolkbildungen sind darin besonders erwähnenswert und erste blockartige Gipsablagerungen, Folge warmen Schwefelwassers, das in der Höhle austrat. Über eine Treppe neben der schönsten Bergmilchfigur der Höhle, dem "Wasserfall", steigt man dann hinab in den "Tanzsaal", ca. 60 m lang und etwa10 m breit. Das, was heute noch an "Pracht" vorhanden ist, wird ausführlich vom Führer einem in einer stark auf den menschlichen Blickwinkel auf die Dinge geprägten Weise anschaulich gemacht: "Hier sehen sie das Matterhorn."... Zwei Seitenteile gibt es, einer führt zur "Palme" und einer allmählich immer niedriger werdenden Faströhre, und einem anderen, dem Elysium, wo feine Gipskristallbildungen an den Wänden, ein großer "Steinfuß" aus der Decke, eine disquenförmige Wandfigur mit einer Kreuzform drauf und ein tiefer liegender Seitenast der Höhle zu sehen ist.

Am spannendsten fand ich die Geschichte von den paar Holzbrettern am Boden im Tanzsaal. Da kann man noch heute den letzten Rest einer Art Tanzboden sehen, den man gestaltet hatte, um ein großes Tanzfest in der Höhle abzuhalten. An den Seiten werden einem seitliche Podeste als Platz für die Kapelle und den Ausschank bezeichnet. Alles sei vorbereitet gewesen für ein großes Tanzfest in der Höhle, allein es wurde nie etwas daraus. Die Schüsse von Sarajevo, und damit der Beginn des 1. Weltkriegs, warfen alles über den Haufen. Viele Männer aus Gams wurden zum Militär eingezogen, den anderen sei auch die Lust vergangen am Feiern, alles wurde wieder abgeblasen. Aber eine Geschichte geistert noch heute herum: Ein Bierfaß sei irgendwo schnell vergraben worden in der Höhle, nur wo, das wisse niemand.

Der Führungsbetrieb wurde Anfang der 40er Jahre wegen Unrentabilität eingestellt, aber auf Grund der Initiativen des Bundesdenkmalsamts in den 60er Jahren wieder aufgenommen. So richtig wollte wohl niemand einsteigen, da übernahm die Freiwillige Feuerwehr Gams die Aufgabe und führt sie noch heute mit Erfolg weiter. Ein paar mehr Touristen könnten schon noch kommen.

Am 1. Juni 2002 waren wir, Marcus Preissner, Alfred Schlagbauer und ich auch mal dort. Ein paar Jahre zuvor war ich schon einmal vor dem verschlossenen Tor der Höhle gestanden, Anfang November, da ist nichts mehr dort los. Man sieht dann nur noch eine kleine Hütte neben dem Eingang, ein Allerweltshöhlentürchen und eine Büste des Erforschers, hoch über einem in der Felswand. Diesmal war ein Führer da, "Rentner" und Mitglied der Feuerwehr, freundlich und kompetent.

Durch die sehr bedeutenden Entdeckungen in der Lechuguilla Cave in den USA hat sich auch in Bezug die Theorien zur Höhlenbildung eine Menge verändert - und doch ist einiges nur wieder neu interpretiert worden. Schon 1885 hatte Franz von Hauer, ehemaliger Intendant des k.u.k. Naturhistorischen Museums, den Prozess der Umwandlung von Kalk in Gips in der Kraushöhle erkannt und beschrieben. Seine Arbeit wurde aber wieder weitgehend vergessen und später anders gesehen. Im Gegensatz zu den meisten Kalkhöhlen, die durch von oben kommendes kohlensäurehaltiges Wasser ausgewaschen und ausgelaugt gebildet werden, handelt es sich hier um eine "hypogene Höhle", die von unten her entstanden ist. Schwefelwasserstoffhaltige Tiefenwässer sind aufgestiegen und in kleinen Hohlräumen mit Sauerstoff von der Oberfläche zusammengekommen. Der Schwefelwasserstoff wird zu Schwefelsäure oxydiert, die sehr aggressiv gegenüber dem Kalk ist und ihn in Gips umwandelt. Dieser Gips ist sehr wasserlöslich und wird entweder durch fließendes Wasser abtransportiert oder an Ort und Stelle angereichert. Eine ganz eigene typische Höhlenform entsteht dadurch. Es entsteht eine Art dreidimensionales Labyrinth um einzelne isolierte Hallen sind Gänge angeordnet. Die Deckenstrukturen sind kuppelförmig. Vor mindestens 70.000 Jahren habe die Korrosion wieder aufgehört (siehe Beitrag: Schwefelsäure ätzte Kraushöhle in Karst - science. ORF.at)


Ein Stück Höhlengeschichte: der Tanzboden von 1914

Literatur:

Bouchal, Robert, Wirth, Josef Österreichs faszinierende Höhlenwelt, Pichler Verlag, Wien 2000
Kraus, Franz Höhlenkunde, Wien 1894
Kusch, Heinrich und Ingrid Höhlen der Steiermark, Graz 1998

Links:

Schwefelsäure ätzte Kraushöhle in Karst - science.ORF.at

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