Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Um den Pießlingursprung
Totes Gebirge
Folgt man in Karstgebieten Bächen aufwärts, dann kommt irgendwann die Stelle, wo sie entspringen. Das kann einfach ein Heraussickern aus dem Hangschutt sein und damit vollkommen unspektakulär. Es kann aber auch sein, daß man auf eine Felswand stößt, die unten ein mehr oder weniger großes Loch hat. Aus ihm kommt dann der meist klare Strom des Wassers. Herrliche Beispiele dafür sind die Vauclusequelle am Rande der Alpen oder das Schwarzbachloch am Fuße der Reiteralm in Bayern.
Ein solches Quellkleinod liegt südlich von Roßleithen an der Nordseite des Warscheneckstocks/Totes Gebirge in Oberösterreich. Es war den Menschen sicherlich immer schon bekannt, weil er immer schon das Wasser zum Leben gebraucht hat. Wo es in großer Menge zur Verfügung stand, da konnte er es nutzen, zum Trinken (man hat ausgerechnet, daß das hier zur Verfügung stehende Wasser an Sommertagen den Wasserbedarf von einigen 100 000 Menschen decken könnte), zum Bewässern, als Energiequelle. Wo immer es ging errichtete man eine Mühle und nützte die Wasserkraft in Hammerwerken. Hier entwickelte sich vor allem das Schmieden von Sensen, die man in den bäuerlichen Formen der Landwirtschaft dringend brauchte und heute nur noch ein Nischendasein hat.
1540 gründete Franz de Paul Schröckenfux hier sein Sensenwerk, das seit bald 500 Jahren existiert. Besucht man die Karstriesenquelle und läßt sein Fahrzeug am Rand der Straße beim Gasthof Sengsschmied in Rossleithern zurück, dann hört man meist schon aus dem Tal herauf laute Geräusche aus dem Fabrikgebäude unterhalb - akustische Spuren von Arbeit erzeugend.
Vorbei an Gebäuden mit Charakter, denen man auch ansieht, daß es schon einmal bessere Zeiten hier gegeben hat. Ein kleines Sensenmuseum mit einer Riesensense im Dachgebälk, alte Maschinen, immer weiter aufwärts geht es auf einem Weg. Neben ihm ist eine großes langes dunkel gestrichene Rohrleitung, die oben bei der Quelle viel Wasser ableitet und nach unten in ein Werk, wohl zur Stromerzeugung leitet. Immer mehr kommt im Hintergrund eine hohe Felswand in das Blickfeld zu dem schließlich ein schmaler gewordenes Steiglein führt. Es ist so typisches "end-of-the-world-Gefühl", das man kriegen kann, weil das Tal nun abrupt endet. Hinter einem künstlichen Wasserfall, der durch den Bau einer Betonsperre quer durchs Bachbett zustandekommt, wird eine dunkle Höhlenöffnung sichtbar. Man steigt noch über ein paar Stufen herab und steht auf einer Betonplattform, die von einem Geländer abgegrenzt wird. An der sind einige wohl nicht sehr alte Ritzzeichen und Initialen im Fels zu sehen.
Hier geht es für niemanden weiter. Der Zugang zu dieser Stelle muß zeitweise auch schon gesperrt gewesen sein, weil man "Steinschlaggefahr" befürchtet hatte. Es gibt da so einen parternalistischen Zug oder eine Überbemutterung in modernen Gesellschaften, die jegliches Risiko irgendwo ausschließen will - und dann solche Verordnungen hervorbringt. Und es wird ja immer gerne ein "Schuldiger" gesucht, der im Falle der "Natur", was immer das sein mag, schwer zu finden ist.
Ganz stimmt es nicht, daß "niemand" mehr weiterkommt. Schon früh hat man versucht, über dem tiefen Eingangssee weiter in die Höhle vorzudringen, die sich oberhalb öffnet. Alte Inschriften zeigen das. Man gelangte dabei in ein System kleiner Gänge, die aber alle einmal enden. Die Unbekannten kamen immerhin bis zu einem oberen Siphon. In den dunklen Siphon am Eingang drangen erstmals 1962 W. Fuchs und G. Teimer bis in eine Tiefe von 52 m in den senkrecht abfallenden wassergefüllten Schacht vor. Wegen starker Strömung und unzureichender Ausrüstung wurde umgekehrt. 1975 fand ein weitere Taucherversuch statt, der auch nur bis zu dieser Stelle führte. In den 80er Jahren fanden weitere Unternehmungen statt, wobei eine Tauchlehrerin 1987 ums Leben kam. Bei der Suche nach der Vermißten verunglückte in 30 m Tiefe ein Polizeittaucher und ein weiterer Einsatztaucher erlitt einen schweren Dekompressionsunfall. Im Gefolge holte man Jochen Hasenmayer, der mit Mischgas einen weiteren Suchtauchgang durchführte und dabei in 80 m Tiefe auf einen geräumigen Gang mit Kiesboden stieß. Danach galt viele Jahre hindurch ein striktes Tauchverbot. Erst viel später gelang dem Schweizer Taucher Pedro Balordi gemeinsam mit Gerhard Wimmer eine Durchquerung dieses 1. Siphons bis zu einem weiteren im Mittelteil der Höhle gelegenen Höhlensee. Die Unterwasserstrecke belief sich auf 405 m bei einer maximalen Tauchtiefe von 87 m.
In dem trockenen Teil oberhalb des Siphons gelang es 1975 einen kurzen Siphon zu durchtauchen und in ein größeres trockenes Höhlensystem zu kommen. Durch massives Graben wurde eine Umgehung des Siphons geöffnet und so wurde es möglich, die inzwischen auf 1561 m Länge und einen Höhenunterschied von 168 m zu erkunden. In ihm gibt es zwei größere Höhlenseen, in denen inzwischen auch schon getaucht worden ist. 2005 erreichte Robert Seebacher bei einer Tiefe von 40 m 116 m Enfernung, Gerhard Wimmer drang dann noch ein wenig weiter vor und erreichte einen unpassierbaren Unterwasserversturz.
Die Wasserstände in der Höhle können stark schwanken und reicht von 500 l/s bis zu 40 m³ pro Sek. erreichen. Das Einzugsgebiet umfaßt das Warscheneckgebiet und das Plateau der Wurzeralm.
Ritzzeichen an der Wand beim Quelltopf | ||
Literatur:
Buchbauer, W. | Pießling-Ursprung, Mitteilungen des Vereines für Höhlenkunde Sierning, 1978 (1), 5-8 |
Krauthausen, Bend | Hydrogeologische Exkursion Warscheneck-Totes Gebirge, Höhlenkundliche Mitteilungen Obersteier, Juli 1986, S. 33 |
Seebacher, Robert | Tauchgang im Endsiphon des Pießling-Ursprung (1636/3) Roßleithen, Oberösterreich, Die Höhle, 55. Jg., Heft 1-42004, 113ff. |
Seebacher, Robert | Höhlen und Karst in Österreich, Linz Höhlentauchen, in: Spötl, Christoph, Plan, Lukas, Christian, Erhard (2016), 427-438 |
Trotzl, K., Teimer, G. | Erster Tauchereinsatz im Pießlingsursprung (Oberösterreich), Die Höhle 13(4), 1962, 84-88 |
Links:
https://www.urlaubsregion-pyhrn-priel.at/oesterreich-poi/detail/430004273/piessling-ursprung.html
https://e-gov.ooe.gv.at/ndbinternet/NDBInternetGenisysDetail.jsp?mod=NSB&genisysInventarNr=nd103
https://www.schroeckenfux.at/schroeckenfux/
Speläologisches auf der Nordseite des Toten Gebirges
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