Franz Lindenmayr / MAN AND CAVE

Jubiläumsphototour in die SMK 2018


Wenn sich Geschichte zu Worten verfestigt, dann klingt das z.B. so: "1983 schließlich gelang auf der Tour vom 30.7.-3.8 der Durchbruch. Nach einer Befahrung des alten Teils der Eishöhle brachen Franz Lindenmayr, Wilfried Lorenz, Bernd Nerreter, Erich Stenzel und Christine Wieloch am 1.8.83 auf zum Brennerbeserlschluf." (Müller 2002/23, S. 32) An diesem Tag passierte etwas, was keiner von uns erwartet hatte - die Entdeckung der riesigen Schneevulkanhalle.

Der "Brennerbeserlschluf", das ist der Dreh- und Angelpunkt damals gewesen. Hätte ich den ein Jahr vorher nicht gefunden und mich als erster da hinunter gezwungen und gepreßt, dann wäre die Halle sicherlich einnes Tages auch entdeckt worden, schließlich hat sie ja schon lange existiert, aber kein Mensch wußte damals davon. Oder? Kaum glaublich und vollkommen überraschend war ja, daß ich am Ende der unangenehmen Engstelle, die vor mir niemand bezwungen haben kann, weil ich erst einmal mit dem Kopf nach unten und den Beinen nach oben einige Felsblöcke wegrücken mußte, bevor ich durchkam, ein hölzernes Brennerbeserl fand. Die junge Generation kennt ja so etwas heute überhaupt nicht mehr. Heute dreht man seine Scurion an und schon ist für viele Stunden zuverlässig Licht da. Damals lief man mit Karbidlampen herum und wenn die Düse verdreckt war, dann wurde sie mit ein dünnen Stahldraht ausgeputzt, der in einer Holzhalterung zusammen mit vielen anderen steckte. Wir haben diese Ikone liegengelassen, aber eines Tages, als der Run auf die Höhle einsetzte, war sie plötzlich weg, vermutlich einfach weggewischt, vielleicht auch "hinausgesäubert". 

Die Details des Tages der Entdeckung des Zugangs am 30. Juli 1982 stehen in meinen schriftlichen Bericht im SCHLAZ 32. Erst hatte ich die Portalreihe gefunden, dann am hintersten Ende eine kleine bewetterte Höhlenöffnung. Mein Solovorstoß dauerte nur solange, wie ich es vor meinem Gewissen verantworten konnte. Dann holte ich ja Wilfried Lorenz und Lothar Kammerloher hinzu und gemeinsam drangen wir tiefer in den Berg ein. Besonders wichtig wurde das Erreichen des Schneekegels am Fuße des Raum, der heute "Königsschacht" heißt. Neben ihm tat sich ein schwarzes Loch auf, das in die Tiefe führte - ins Unbekannte. 

Ein Jahr später waren wir wieder da und machten unsere große Entdeckung - die Entdeckung unseres Lebens.

Viel ist seither passiert. Mehrmals wurde die Halle inzwischen kartographiert, durch intensive Forschungen wurde auch eine Verbindung zum übrigen System der Schwarzmooskogelhöhle gefunden, es gab auch schon einen glücklich verlaufenden Höhlenunfall, aber am wichtigsten ist wohl die ästhetische Qualität des Raums. Die Photos aus der Höhle sind um die ganze Welt gegangen und immer wieder taucht der Name als Bildunterschrift irgendwo auf. Mancher übertreibt für mein Dafürhalten auch schon. Was tut z.B. ein weißes Kleid da drinnen, um sich damit ablichten zu lassen? Schlittschuhe, mit denen man auf der kleinen horizontalen Eisfläche herumtanzt? Für mich ist das einfach "too much".

Ursprünglich rief der Hype um die Höhle gleich die Fortschrittswirtschaftler auf den Plan. Schon beim Bau der Loserstraße war ja schon ins Auge gefaßt worden, auch gleich die Höhle mit einer Straße und vielleicht gar einen Heliport für den Tourismus zu erschließen. Dieser Kelch ist hoffentlich an allen vorbei gegangen. Es gibt ja mit den Dachsteinhöhlen schon einen sehr geeigneten Ort, um dem Höhlentourismus geeignete Höhlen zu widmen. Die Schneevulkanhalle eignet sich dafür denkbar wenig. Nur für einen ganz kurzen Zeitraum sind dort wirklich attraktive Eisformationen zu sehen, dann sind sie wieder abgeschmolzen. Und in der Zeit der "Attraktivität" ist es gefährlich in der Höhle. Immer wieder haben wir es erlebt, daß es plötzlich ein lautes Knallen und Getöse in der Höhle hab. Da kam irgendwo und vollkommen unerwartet eine Eisformation aus der Decke gesaust und zerplatzte auf dem Boden. Nach einer ziemlich fragwürdigen Aktion, initiiert durch einen bekannten Photographen, wo ein Eiskletterer an einen großen Eisturm in die Höhe geschickt wurde, "explodierte" diese Eisfigur und Tonnen von Eis donnerten nach unten und überall hin. Es sei wie ein Erdbeben gewesen.

35 Jahre nach unseren "heydays" machte Alfred Schlagbauer mit, damit auch ich noch einmal, der Veteran, in die Halle kommen könnte, um ein paar Photos zu schießen. Einfach war es nicht. Wochen zuvor hatten wir es schon einmal versucht und waren "gescheitert". Damals war Georg Bäumler, Sabrina Huber und der Fotograph Georg Taffert mit einem Assistententeam dabei gewesen, die zuerst in der Höhle fotographieren und dann weiter zum Appelhaus wollten. Zum Frühstück sahen wir uns und dann trennten sich wieder die Wege. Es goß nämlich in Strömen draußen. Das Phototeam machte sich trotzdem auf den Weg und erreichte alle Ziele, wobei prachtvolle Photos entstanden. Zwei davon prangen jetzt im Vereinsheim in Obertraun. Alfred und ich machten uns auf den Rückzug und kamen bei besserem Wetter zwei Wochen später wieder.

Nach einer Nacht im Vereinsheim ging es am 28. Juli 2018 bei wolkenlosem Himmel und in wärmender Morgensonne los. 16 Euro verlangen die Betreiber der Mautstraße zum Loser schon für deren Benutzung, aber die Alternative, nämlich zu Fuß da hoch gehen, das hätte unser Unternehmen nicht möglich gemacht. Nur wenige Autos standen auf dem Parkplatz oben bei der Raststätte. Die Rucksäcke wurden gepackt, die Bergschuhe geschnürt, alte Erinnerungen kamen hoch. Wie wir z.B. hier übernachteten in den 80ern und "Send me an angel" von Real Life aus dem mitgebrachten Kassettenrekorder über dem leeren Parkplatz schallte.

3 1/2 Stunden anstrengende Bergtour lag vor uns. Erst geht es ja auf dem Stögerweg in Richtung Schwarzmooskogel und dann an einer unbezeichneten Stelle einfach nach links in eine Karstgasse hinein. Immer unwegsamer wird das Gelände, man schreitet entweder in den Felsspalten oder turnt auf ihnen, hält sich an Latschen fest, um nicht umzufallen, hält an zwei Stellen an Seilen fest, um nicht abzustürzen, überwindet kurze trittlose Kalkwände und orientiert sich an winzigen Steinmännchen, wenn man sie sieht. Die Gefahr des Verlaufens ist öfters gegeben. Verliert man den Weg, was zweimal der Fall war, dann wird es extra mühsam. Bei der Weißen Warze ist die größte Höhe erreicht und es geht nun wieder leicht abwärts. Nun ist gar keine Pfadspur mehr da, nur noch nackter Fels ist unter den Füßen. Rauf geht, runter, rauf, runter und so weiter. Und das immer mit einem gefüllten Rucksack am Buckel. Plötzlich ein zischendes Geräusch. Ich hatte eine Bierbüchse dabei und die hatte einen Schlag abbekommen. Schon schoß die goldene Flüssigkeit nach draußen und ich beeilte mich, noch ein paar köstliche Spritzer abzubekommen. Alfred war so kameradschaftlich und teile danach mit mir seinen Getränkevorrat. 

Schließlich war der Haupteingang in die SMK erreicht. Auf unserer alten Liegefläche, wo wir vor 35 Jahren genächtigt hatten, wächst längst wieder frisches Grün und zeigt, daß da schon lange keiner mehr gewesen ist. Noch immer ist der Eingang in die Schneevulkanhalle nicht erreicht. Äußerst unwegsam geht es die Bergflanke hinunter und noch weiter und noch weiter. Den Gedanken an den Rückweg schiebt man lieber beiseite. Endlich, die Portalreihe kam ins Blickfeld, nach 35 Jahren wieder. Geändert hat sich da nichts - außer daß es jetzt sturmmäßig aus den Höhleneingängen zieht. Damals waren die Eingänge alle mit Eis verstopft und dort war kein Eindringen möglich. Entscheidend war das Aufgehen des EA-Lochs (Elefantenarsch..). Heute kann man auf über eine steile Schneehalde absteigen, die am Schluß in Eis übergeht. Dann wird es flacher und weit und dunkel. Rechts taucht der Schneevulkan auf, kleine Eisfiguren sind zu sehen. Je weiter man vorankommt, desto großartiger werden die Eisfiguren. "Breathtaking" nennen das die Engländer. Früher war im Königsschacht viel mehr Schnee, so daß von oben kein Licht hereinkam. Das ist heute nicht mehr so. Steht man an bestimmten Stellen der Halle, dann kann man gleich zwei Tagöffnungen sehen!

Mein Ziel war, auch einmal wieder vorzeigenswerte Photos der Halle zu erstellen. Dazu standen mir schon ganz andere Möglichkeiten des Ausleuchtens von Höhlenräumen zur Verfügung. Früher hatte ich eine YASHICA-6x6 Kamera, 3 E-Blitze und ein kleines Stativ. Nun hatte ich eine NIKON D7200 mit einem mit einem 18-140er Objektiv, 3 Elektronenblitze von YongnuoYN 560 III, eine Yongnuo Digitalleuchte YN 160 III und eine NITECORE TM06s-Lampe. Gelegentlich nahm ich auch den Helm ab und nutzte auch noch die SCURION für Beleuchtungszwecke. Wesentlich war natürlich für den Erfolg auch, daß ich einen sehr geschulten und äußerst geduldigen Assistenten dabei hatte, Alfred Schlagbauer. Sogar seinen roten Schlaz hatte er vorher gewaschen, um ja gut herauszukommen (Sein Kommentar zu mir: Du tätest dich weniger als Modell eignen. Du hat ja eine total zerrissenene Hinternpartie!). Im Moment mache ich die meisten Aufnahmen mit M-Einstellung, löse den Aufnahmevorgang mittels Selbstauslöser mit 10 Sekunden Vorlaufzeit aus, und während der Verschluß für 2 Sekunden offen ist, rief ich Alfred nur zu: "Blitz". Das tat er dann auch, so daß am Ende die Dauerbeleuchtung durch die anderen Leuchtmittel und die Blitze ein mehr oder weniger gelungendes Ergebnis bringen. Da man ja gleich anschauen kann, was man gerade produziert hat, kommt es leicht vor, daß man 4 oder 5 Aufnahmen macht, weil immer noch irgend etwas zu verbessern wäre. 

2 Stunden waren wir in der Halle, dann ging es dem Ausgang wieder zu. Unterwegs lösten sich noch zweimal die Steigeisen von meinen Schuhen, schließlich waren sie nicht wirklich "steigeisenfest". Wie herrlich war es, wieder draußen in Helle und Wärme zu stehen! Noch hatten wir die Schinderei des Rückwegs vor uns. Rauf und runter, der Sack wurde immer schwerer. Alfred half mir gewaltig, als er anbot, ein wenig vom Photozeug in seinen Rucksack umzuladen. Immer mehr Pausen wurden notwenig, aber als es wieder ans Aufstehen ging, da funktionierte das gerade noch. Ausgelaugt und erschöpft erreichten wir wieder den Parkplatz. Das Bier im Kasten war auch sonnenwarm, also nicht zu genießen. Wir beeilten uns, um runter zur Loserhütte zu kommen. Nach solchen Touren freue ich mich immer besonders, wieder in die weichen und sorgenden Arme der Zivilisation zu kommen. Krautspatzen und eine Radlerhalbe - der sehr verdiente Lohn für sisyphöse Anstrengungen. Es war wohl mein letzes Mal, wo ich dorthin komme. Zusammen mit Alfred brachten wir schon 130 Lebensjahre zusammen. Langsam reichts und die Fackel der Begeisterung für die Höhlen wird hoffentlich von den Jungen weitergetragen. Wir können uns dann auf die Bank hinsetzen und in Ruhe mit den Enkeln und Enkelinnen spielen.

  Am Loserparkplatz   
     

 


Literatur:

Lindenmayr, Franz Vom Loser zum Almberg - oder 1 Woche in den Höhlen des Toten Gebirges, Der Schlaz 38-1982, S. 18-25
Lindenmayr, Franz Eine Phototour in die Schwarzmooskogeleishöhle/Totes Gebirge - und deren einzigartiges Ergebnis, Der Schlaz 41-1983, S. 24-29
Lindenmayr, Franz Schwarzmooskogelforschungen Herbst 1983, Der Schlaz 42, 1984, S. 36-45
Lindenmayr, Franz Die Entdeckungsgeschichte der Schneevulkanhalle in der Schwarzmooskogelhöhle/Totes Gebirge, in: 125 Jahre Tiefenhöhle 70 Jahre Höhlen- und Heimatverein, Laichingen 2017
Lindenmayr, Franz Jubiläumsfototour in die Schwarzmooskogel-Eishöhle 2018, Der Fränkische Höhlenspiegel 62, S. 74-77
Lorenz, Wilfried Forschung im Toten Gebirge, Der Fränkische Höhlenspiegel, Heft 27-1987, S. 16
Lorenz, Wilfried Die Fahrt zur Schwarzmooskogel-Eishöhle, Der Fränkische Höhlenspiegel 51-2003, S. 46-49
Müller, Thilo mit einem Beitrag von Mark Shinwell Die Erforschungsgeschichte der Höhlen am Schwarzmooskogel seit 1976, in: Schriftleitung Robert Winkler, Der Schwarzmooskogel, KARST UND HÖHLE 2002/2003, München 2004

Links:

Schwarzmooskogel-Höhlensystem, Totes Gebirge, A


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