Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Grotte von Han, B
Eine der besuchenswertesten Höhlen Europas liegt im Süden
Belgiens. Die Eingänge zu ihr waren immer schon dem Menschen
bekannt. Beim gouffre de Belvaux verschwindet ein ganzer Fluß,
die Lesse, in einem Höhlenloch, und kommt auf der anderen
Bergseite wieder zu Tage. Früher ist sie um den Berg
herumgeflossen, weshalb es noch heute ein großes
schleifenförmiges Trockental außen herum gibt.
Heute ist die Höhle der Touristenmagnet per excellence. Was
wäre hier los, wenn es keine Höhle gäbe? Gleich bei der Kirche
steht das Eingangsgebäude für die Schauhöhle. Rundherum sind
Parkplätze, wo man sein Gefährt stehen lassen kann. Zur Höhle
wird man mit einer kuriosen Schienenbahn gebracht, die im
Halbstundenabstand verkehrt. Sie bringt einen zum Eingang auf der
anderen Hügelseite im Trockental. Man kann sich zwei Reihen
zugesellen, der flämischen Führung oder der in französischer
Sprache. Die Deutschen scheinen hier keine Rolle zu
spielen.
2 km geht es durch den Berg auf einer wohlbetonierten Strecke. Treppauf, treppab geht es, mal in engen gegrabenen Gängen, dann immer größer werdend bis in Riesenhallen. Die größte davon, der salle du Dôme ist der größte Hohlraum Belgiens - 62 m Höhenunterschied, 86 m Breite, 149 m Länge, Grundfläche 7500 m², geschätzer Rauminhalt 124000 m³. Anfangs haben die Tropfsteine noch kleine Größen, aber das bleibt nicht so. Immer massiver werden sie, aber auch für den Liebhaber von Details gibt es endlos viel zu sehen. Besonders sind die vielen schlanken Tropfsteinsäulen im Mittelteil, die in ihrer Vielzahl ihresgleichen suchen. Der Höhepunkt ist das Auftauchen des Höhlenflusses. Meist lautlos dahinfließend, nur in den kurzen Gefällepassagen auch mal ein bißchen wilder schäumend, strebt der unterirdische Fluß dem breiten Höhlenportal auf der anderen Bergseite zu.
In den 70er Jahre habe ich noch ein richtiges
Höhlenrestaurant erlebt, wo sich die Besucher unterwegs mit
Getränken und Speisen versorgen konnten. Das ist jetzt nicht
mehr so, dafür kann man auf Sitzbänken platznehmen und eine
Son-et-lumière-Show erleben. Da wird immer deutlicher, daß es
nicht nur darauf ankommt, in einer Höhle zu sein, sondern auch
darauf, daß sie richtig inszeniert. Das Spielen mit Beleuchtung
und Klang auf den Formen der Höhle ist eine Kunstform, die man
hier beherrscht.
In den 70ern gab es noch den Gag, daß ein Fackelläufer in der
Deckenregion einer Riesenhalle bei jeder Besuchergruppe aufs neue
seine Flammer entzündete und herunter lief. Das hat man heute
vereinfacht. Ein rotgelbes Licht leuchtet auf, vergeht, dann
weiter unten noch mal ein Licht, dann wars auch schon vorbei. Das
war früher eindrucksvoller. Beibehalten hat man noch den
Kanonenschlag, der die Besucher wieder wachmacht, bevor man am
Höhlenausgang dem Boot entsteigt, wo der Führer die Hand
aufhält, weil eben ein Teil seines Salärs aus den milden Gaben
der Höhlenbesucher besteht.
Wirklich positiv zu vemerken ist, daß das Fotographieren in der Höhle erlaubt ist. Auffallen tut es ohnehin heute kaum mehr, weil mit Digitalkameras die Verwendung des Blitzes auf wenige Situationen beschränkt werden kann.
Hat man die Höhle verlassen, dann liegt noch ein kleiner Fußmarsch vor einem. Erreicht man die ersten Häuser des Orts wieder, dann ist man in der Restaurantmeile. In irgend einem dieser Etablissements werden wohl die meisten hängenbleiben und wieder was Kräftigendes zu sich nehmen.
Mitten im Ort | ||
Mittel um Geld mit der Höhle zu verdienen | ||
Die Höhlenbahn Der Höhleneingang |
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Für die ganz Wissbegierigen und Unermüdlichen gibt es noch das Höhlenmuseum, das auf zwei Etagen über die unterirdische Welt im allgemeinen und die Höhle von Han im besonderen für 3 Eintritt die Besucher informiert.
Die Höhleneingänge von Han waren immer schon dem Menschen bekannt. Zu auffällig ist es, wenn da ein Fluß im Berg verschwindet und ein paar Kilometer weiter wieder einer aus einem großen breiten Portal hervortritt.
Die Lesse bei der Eintrittsstelle in den Untergrund
Die ältesten Funde, u.a. Pfeilspitzen, wurden auf etwa 3000 Jahre v.u.Z. datiert. Auch die Römer kannten die Höhle, was Münzfunde bestätigen.
Auf das Jahr 1743 geht die erste schriftliche
Festellung zurück, daß die Lesse 24 Stunden für den Durchfluß
brauche, um das Massif von Boine zu durchfließen. Saumery machte
diese Aussage. Die ersten überlieferten Befahrungen durch den
Abbé Feller sollen im Jahre 1771 und 1776 stattgefunden haben.
Der erste Plan der Höhle wurde 1822 von Jean Kickx und Adolphe
Quetelet gezeichnet, nachdem man zwischen 1814 und 1817 die
größten Hohlräume der Höhle entdeckt hatte, den salle du
Dôme, galerie des draperies, salle de la sentinelle und den
salle d'armes. Der erste Mensch, der vermutlich das ganze Massiv
unterirdisch durchqueren konnte, war wohl der Müller
Jean-Baptiste Remy und sein Sohn Henry, die die Verbindung
zwischen dem Tour d'Enfaule und dem salle d'armes herstellten. Im
Jahr drauf erkundete ein "comte", ein Graf, Louis
Robiano die Schluckstelle des Flusses, den gouffre de Belvaux mit
einer Stange und war dementsprechend wenig erfolgreich. Joseph
Alleweireldt schrieb den ersten Führer für Besucher der Höhle.
Ab 1857 wurden für Touristen in die Höhle organisiert. Im salle
d'armes richtete man für die Touristen einen Ausschank ein, wo
es Wein, "madère (Madeira?) und Champagner zum Trinken gab.
Schon damals verwendete man eine kleine Marinekanone, um die
Besucher zu "unterhalten". Für die Beleuchtung
sorgten Petroleumlampen. Ein erstes Haus wurde am Höhleneingang
errichtet, um die Besucher zu betreuen. George Sand besuchte die
Höhle und ließ eine Episode eines Romans in der Höhle
spielen.
1895 wurde eine Aktiengesellschaft gegründet, die die Geschäfte
rund um die Höhle führt. Elektrische Beleuchtung wurde
eingeführt, 1906 baute man die elektrische Eisenbahn zum zweiten
Höhleneingang, 1912 kamen bereits 80.000 Besucher im Jahr.
1958 begann mit der Entdeckung des Trou des Crevès durch SCUCL
eine neue Forschungsphase, 1959 wurde der Réseau Sud entdeckt,
1964 die Höhle Père Noel, 1972 gelang der Durchbruch im Gouffre
de Belvaux, wo man der unterirdischen Lesse inzwischen bis zu
ihren Wiederaustritt in der Grotte von Han folgen konnte. Am 11.
Juni 1987 gelang dies Claude Grandmont, als er im Dreve des
Etancons-Teil wieder hervorkam.
La sortie de la Grotte au moment du coup de canon - alte Postkarte
Auch ein Mittel, um die Besucher zu unterhalten: eine Miniaturkanone
Literatur:
Becker, Dr. Hans Karl |
Die alten Höhlenflüsse der Lomme und Lesse (Belgien) |
Prautzsch, Hans-Jochem | Höhlen in Belgien 2: Die Höhle von Han-sur-Lesse, Mitteilungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg 2- 1973, S. 35ff. |
Quinif, Yves, Bastin, Bruno | Topographie de la Salle du Dôme (Gorres de Han-sur-Lesse) Speleo flash 145, décembre 1984, S. 7ff. |
Stratford, Tim | The Massif de Boine and the underground river Lesse, The International Caver (2) 1992, S. 35f. |
J.-F. P. | 170 ans d'aventure pour percer le mystere de Belvaux, Le Pharefouilleur 4-1989, S. 15ff. |
Marien, Marc | Vondsten in de Grot van Han, Musees Royaux d'Art et d'Histoire, Bruxelles, 1964/65 |
Links:
http://www.grotte-de-han.be/
Höhlenkunst
rund um die Grotte de Han
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