Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Grotte Lorette-Rochefort, B


Nicht weit von der meistbesuchten Höhle Belgiens, der Höhle von Han, liegt noch ein unterirdisches Objekt. Man muß nur selber mal hinfahren, dann sieht man sofort den Unterschied. Da gehen wohl nicht mal 10 % der Leute hin, die dem großen Magneten zustreben. Ein kleiner Parkplatz ist da vor dem kleinen Schauhöhlengebäude, die namensgebende Kirche steht nicht weit davon entfernt am Rand des Flußtals der Lomme. 

Die Höhle ist heute Belgiens zweitlängste Höhle, 6595 m soll sie jetzt haben.

Als Tourist sieht man davon wenig, aber was man zu sehen, bekommt, das ist auch schon eindrucksvoll. Manchmal weiß man ja gar nicht, was man sieht, und wie bedeutend das eigentlich ist. Wir leben aber heute in einem Zeitalter, in dem immer mehr von dem, was andere herausgefunden haben, auch einfach weitergegeben wird, weitergegeben werden soll, vielleicht auch besser nicht weitergegeben würde. Egal, was jedenfalls der Besucher in einem Film über die Höhle über die Verwerfung in der Höhle erfährt, die da einfach so zu sehen ist, überhaupt nicht spektakulär aus der Sicht eines Genusses für die Augen, das ist schon höchst spannend. Da passiert einfach was in der Höhle, das mit der Plattentektonik unserer Erde zu tun hat. Unser Planet ist ja nicht das sanfte Ruheplätzchen, als was manche ihn gerne sehen würden. Da rührt sich was, spätestens beim nächsten Erdbeben gibts eine kleine Erinnerung daran. Heute werden in der Höhle die Gesteinsbewegungen wissenschaftlich aufgezeichnet und untersucht, weil es hier einfach sehr gute Bedingungen dafür gibt. Als Besucher sieht man nichts von diesen Arbeiten, aber im Hinterkopf bleibt doch etwas zurück.

Über die Entdeckung der Höhle gibt es eine Sage. Ein Schwein sei in der Erde verschwunden, und sein Hirte sei ihm nachgekrochen. So kam auch er in einen Höhlenraum, der heute den Namen "Salle du val d'enfer" (Saal des Teufelstals) trägt. Wild liegen Versturzblöcke herum zwischen denen der Weg der Besucher in die Tiefe zieht. Ständig geht es bergab. Plötzlich ändert sich das Ambiente und man steht in einem Höhlenteil mit vollkommen anderem Charakter. Der "Salle du Sabbat" ist erreicht, der viel mehr Ähnlichkeiten mit den üblichen Kalkhöhlen aufweist, z.B. Tropfsteine.

An den Wänden zeigen sich viele Versteinerungen verschiedenster Herkunftsart. Das Gestein ist wieder schwarz, die Kennfarbe devonischer Kalke. Immer weiter geht es runter bis zu einem Höhlenbach. Ein Fließfacettengang öffnet sich, dann geht es wieder treppauf und wieder hinein in den Salle du Sabbat. Die Führerin holt etwas aus einer Plastiktonne, manipuliert herum, entzündet etwas und auf einmal steigt ein Heißluftballon gegen Höhlendecke. Runter kommt er wieder mittels Schnur, das Feuer wird ausgelöscht, der Ballon wieder verpackt, und vorbei ist der Zauber. Währenddessen lief auch hier eine Licht-und-Ton-Schau ab, die zeigte, daß es nicht genügt, nur eine schöne Höhle zu haben, sondern das Ganze muß heute auch publikumswirksam inszeniert werden. 

Von der Halle aus geht es wieder aufwärts, viele Stufen nach oben. Einige Tropfsteinsäulen stehen am Weg, feine Sinterfahnen in einigen Ecken. Normalerweise wäre hier Schluß, aber fleißige Tunnelbauer haben einen neuen Weg nach draußen eröffnet. Bergwerksmäßig geht es nach draußen, wieder stand da eine Höhlenführerfee, die sich richtig Mühe gegeben hatte, uns auf englisch wenigstens die Wunder der Unterwelt zu erklären, und die auch die Hand aufhielt.

Dräußen ging es auf asphaltiertem Weg dem Talhang der Homme entlang zurück zur Lorettokapelle und dann zum Höhlenparkplatz.

1865 wurde die Höhle von Alphonse Collignon entdeckt, so die Annalen der Erforschungsgeschichte. Seither hatte es nie eine zusätzliche Entdeckung gegeben, trotz all der Anstrengungen verschiedener belgischer Höhlenforscher. Es dauerte bis zum Jahre 1991. Mitglieder des Spéléo Club les Fistuleuses wollten einen Kletterversuch vom altbekannten Salle du Val d'Enfer zu einer sich zeigenden Öffnung in der Höhlendecke unternehmen. Sie bekamen die Erlaubnis und sie hatten Erfolg. Wer mehr darüber erfahren will, der sollte sich den Artikel in REGARDS 11 1993 anschauen.

 

 


Literatur:

Aellen, V., Strinati, P. Die Höhlen Europas, München 1977
Legros, M. u.a. LA NOUVELLE GALERIE DE ROCHEFORT, Regards/11 1993, S: 18ff.
Becker, Dr. Hans Karl Die alten Höhlenflüsse der Lomme und Lesse (Belgien)

Links:

La grotte de Lorette

Observations à Rochefort


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