Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Zugspitzplatt abwärts 24.8.2025


Der Benno-Wolf-Schacht


"Das Echte im Urlaub sind die Souvenierläden und die Parkplätze, die Reiseführer und Tickethäuschen, die Warteschlangen und der Stau." Groebner, Abgefahren

Am Sonntag, den 24. August 2025, bin ich einmal den sehr langen Weg vom Zugspitzplatt hinunter durch das Reintal bis zurück zum Parkplatz beim Bahnhof in Garmisch gelaufen. Tatsächlich, da kommt ein Parkplatz, der "Am Bahnhof-Parkplatz", vor, ein Schalter der Zugspitzbahn, wo es das Ticket für 42 Euro zu kaufen gab, blau-weiß gestrichene Zahnradbahnwaggons, ein Kurzhalt an der Bedarfshaltestelle Riffelriss (war sehr gefragt...auffallend waren die langen roten Bergseile auf den Rucksäcken der Bergsteiger, die den Klettersteig zum Zugspitzgipfel nehmen wollten), dann das Labyrinth des Sonnalpin, wo man aus einem Tunnel tritt und einen ersten Blick auf die "freie Natur" werfen kann, die auffallenden silbern glänzenden Pylone in der Landschaft, die den Besuchern den geschrumpften Gletscher und seine Wirkungen nahebringen sollen....ein Fahrrad auf den Schultern eines Mannes mitten im Karst des Zugspitzplatts...Rummel auf der Knorrhütte, Menschenschlangen rauf und runter, so daß der schmale Weg oft einfach schon zu schmal ist, ein Schild auf der Reintalangerhütte, daß man den Genuß des Wassers der Partnach lieber sein lassen sollte, weil es schon mit Schafpippi verunreinigt sei, ein Bier auf der Hütte für 6 Euro, die Preise sind alle schon auf ganze Euro umgestellt, auf der Bockalm noch ein Bier bestellt, junge Einheimische in fichtengrünem Gwand singen mit dem "Holzhackerlied", als jemand auf der Ziach die Melodie spielt, unterwegs ein Hinweisschild auf das Schachenhaus, das von hier auis gut erreichbar ist, irgendwann ein SchilPld mit der Information, daß die Partnachklamm ab 20 Uhr geschlossen ist. 

Daß das einmal sehr wichtig werden würde, das wußte ich da noch nicht, denn es war ja erst 17 Uhr und ich war, so die Informationstafeln nur noch 2 Stunden entfernt. Zwischendrin zweigte nach links und den Höhe bleibend, der Weg für die Radfahrer ab, die, erst auf der Höhe bleibend, und später steil in Richtung Skistadion absteigend, zurück nach Garmisch fahren konnten. Solche Informationen sah ich zwar, daß sie aber wichtig werden würden, das ahnte ich da noch nicht. Ich folgte dem Weg nach unten und nach unten und nach unten, bis ich auf Partnachhöhe wieder war. Der Weg führte geschottert immer abwärts, unterbrochen von kurzen Zwischensteigungen, aber generell abwärts, vorbei an einer großen Baustelle, wo gerade ein überdimensionaler stählerner Rechen in die Landschaft betoniert wird, um das Holz aus dem Nebenbach aufzufangen. Endlich war der obere Eingang zur Partnahklamm erreicht. An einer Hütte hängt ein Hinweis auf Arabisch, daß man seinen Abfall in die daneben stehende Plastiktonne werfen solle und nicht irgendwo sonst hin. Was sich da zeigte, das war wie der Eingang in ein Riesengefängnis. Drehtüren, Stacheldraht, Metallstangen überall. Was mußte man da tun, um dieses Monster hinter sich zu lassen? Erst einmal waren da Menschen, einer lag auf einer Bank, eine Frau und ein Kind standen da, ich wurde gefragt, ob ich nicht Traubenzucker oder irgend etwas anderes Süße vielleicht bei mir hätte, was nicht der Fall war, weil ich nur das Allernötigste im Rucksack bei mir führte - bei jetzt schon über 10 Stunden Tourzeit sehr angemessen. Langsam wurde mir klar, was nötig war, um durch die Sperre zu kommen: ich mußte ein Ticket kaufen. Da war ein Automat, der eigentlich dafür da war, das, nachdem man ihn mit dem nötigen Kleingeld gefüttert hatte, zu liefern. Ätschibätsch. Die Anzeige zeigt mir, daß ich heute kein Billet mehr bekommen würde, weil es schon 7 Uhr 30 sei - und damit war ich zu spät dran. Kein Ticket, kein Durchlass. Die Dame gab mir einen Hinweis. Da war ein Gerät mit Knopf am Gitter, den mErsußte man drücken und wurde dann mit einem Menschen verbunden, der, vielleicht, helfen könnte. Ich drückte den Knopf, und, tatsächlich, nach einiger Zeit hörte ich eine männliche Stimme. Ich trug mein Anliegen vor, ich wollte ja nur noch zurück nach Garmisch, sonst nichts. Und bekam als Antwort, daß ich leider zu spät dran sei. Der Automat schalte sich pünktlich um 7 Uhr 30 ab und es gäbe keinerlei Möglichkeit, da eine Ausnahme zu machen. Ich sah mich als eine solche, aber es brachte ja nichts, mit diesem Menschen lange zu argumentieren. Ich war am Rande meiner Kraft nach über 10 Stunden anstrengenden Abstiegs von Zugspitzplatt mit 76 Jahren. Die Bergwacht war ja schon verständigt und würde gleich kommen wegen des Mannes, der da auf der Bank lag und beim Besuch der Klamm sich verletzt hatte. Ich habe gut dazu gepasst. Erschöpft bis zum breaking point - wo der lag, das wußte ich natürlich auch nicht, aber er war nahe.
Die Frau erzählte von einem weiteren Weg aus der Klamm, den hätten sie selber schon in Erwägung gezogen. Erst ging es hoch, dann horizontal weiter und würde eine gute Gelegenheit bieten, den Klammweg zu umgehen. Was tun? Noch war es hell, noch schien da ein sehr anstrengender, aber halt möglicher Ausweg zu sein. Ich entschloß mich, den zu gehen, obwohl ich längst schon an meiner gesunden Leistungsgrenze war. Beim Rückweg kam mir noch ein Wanderer entgegen. Keine Ahnung, wie der mit der Situation umging. Ich stieg den Weg hinauf, hinauf und hinauf. Nach der Querung kamen noch einige Aufstiege und Aufstiege. Als ich einmal wieder zu einer Rast auf Baumstämmen saß, kam ein Fuchs vorbei. So etwas habe ich noch nie gresehen. Immerhin kein Bär, aber die sind so scheu, daß sie einem ja auch nichts tun. Der Weg verflachte sich endlich, aber wurde immer riskanter. Tief ging es hinunter langsam. Immer dunkler wurde es, und der Weg war immer mehr nur zu ahnen als zu sehen. Mir wurde es zu riskant. Ich ging zurück bis zu einem Punkt, von wo aus Erreichen der Schotterstraße oberhalb möglich war - ohne erst durch einen Stacheldrahtzaun irgendwie kriechen zu müssen. Am Ende der Schotterstraße war ein Eisentor, das sich leicht öffnen ließ. Als ich mich umdrehte, sah ich ein Schild, das mir eigentlich verboten hatte, diesen Weg zu benützen, weil er auf  "Privatgebiet" liegen würde. Ich steig weiter auf bis zu einer Wirtschaft, die schon vollkommen geschlossen hatte. Hier war endlich der Scheitelpunkt der ungewollten Odysee erreicht und es ging von da an nur noch abwärts - aber wie. Die müden Beine schwankten immer mehr und der Belag der Straße war alles andere oft als eben. Schlaglöcher, Wasserrinnen, Asphaltspalten...waren immer weniger zu sehen, weil es Nacht wurde. Und ein Schild zeigte, daß es immer noch 40 Minuten bis zum Skisprungstation seien. Ich überlegte schon, ob noch zu verantworten wäre, da weiterzugehen und nicht einfach mich irgendwo hinzulegen und die Nacht abzuwarten. 
Wenn du meinst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Diesen Spruch habe ich schon als Kind gehört. Nun passierte es tatsächlich. Auf einmal tauchten in der vollkommenen Nacht Lichter auf und kamen immer näher. Es war das Auto der Bergwacht, die den Verletzten und seine Angehörigen ins Tag brachte. Ich winkte und der Fahrer hielt. Ich schilderte meine Situation und erklärte mich selber zum Rettungsfall. Ob ich nicht mitfahren könne? Es hieß, es sei kein Platz mehr, aber man käme zurück, sobald der Verletzte ins Krankenhaus gebracht sei. So stolperte ich noch ein wenig weiter und setzte mich am Ende einfach am Straßenrand hin. Wozu unnötig Risiko eingehen? Ein einziger "falscher" Schritt konnte ja genügen, um ein Leben vollkommen ins Negative zu drehen. Ich dachte an Sigi Tange, der, vor vielen Jahren schon, auf einem Wanderweg ins Laubensteingebiet, in eine Wegdelle getreten war, und danach fast zum dauernden Pflegefall mit Querschnittslähmung geworden wäre. Tatsächlich kam der Bergwachtler wieder heraufgefahren, holte mich ab und brachte mich wenigstens bis zum Stadion. Von da schaffte ich es auch von selber.

Die momentane Situation an der Partnachklamm ist unmöglich. Wer das beschlossen hat, der sollte selber einmal erleben, was er damit anderen Menschen antut. Wie es heißt, kommt es regelmäßig zu solchen "Störfällen", die öfters auch zu Notfalleinsätzen der Bergwacht führen. 

Es scheint nur eine Lösung zu geben: einen roten Notfallknopf. Wer den drückt, der muß eingelassen werden und passiert dann eben unter "Notfallbedingungen" die Klamm. So einen Weg kann man nicht einfach sperren! Wie die Vorfälle zeigen, ist der momentane Zustand vollkommen unbefriedigend, ja gefährlich.

Was will man mit einem Fahrrad auf dem Zugspitzplatt?
Die Knorrhütte in der Ferne
Klufthöhle oberhalb des Partnachursprungs
Reintalangerhütte
Sperranlage am oberen Ende der Partnachklamm

2025

Literatur:

Fischer, Stefan (2025): Unterwegs im Paralleluniversum, SZ Nr. 194,  25.08.2025, S. 10
Groener, Valentin (2025): Abgefahren. Reisen zum Vergnügen, Konstanz University Press, Göttingen

Links:

https://zugspitze.de/de/Unsere-Bergwelten/Incentives-Tagungen-Konferenzen/Bergbahnuebersicht

https://zugspitze.de/gletscher

https://www.alpenverein-muenchen-oberland.de/huetten/alpenvereinshuetten/knorrhuette

https://www.alpenverein-muenchen-oberland.de/uploads/images/BgQ9ufd8GiJ6JuRlpKJviQ/2305_huettentrekking_zugspitztour_online_2023.pdf#anchor_D1TAYLyxHZ8omvEl2VMf3g

https://www.partnachklamm.de/de


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