Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Unterirdisches am Grünten, Allgäu
Bis auf 1738 m steigt der Bergrücken oberhalb von Sonthofen im Allgäu an, der den Namen "Grünten" trägt. Sein Name soll von "der Krinnete" kommen, was "der Berg mit der steilen Rinne" bedeuten soll.
Er ist einer der nördlichsten Berge der
Allgäuer Alpen. Auf seinem Gipfel befinden sich zwei Bauwerke:
der 92 m hohe Sendeturm des Bayerischen Rundfunks und ein kleines
Denkmal für gefallene Gebirgsjäger. Wer der Erste war, der auf
dem Gipfel stand, das weiß niemand. Aber von einer frühen Tour
hinauf gibt es Belege. Der erste prominente
Gipfelstürmer war der Augsburger Fürstbischof
Clemens Wenzeslaus im Jahre 1773. Er hat sich und seinen Hofstaat
von insgesamt 56 Bauern auf Tragsesseln bis zum Gipfel befördern
lassen. Für die erste, weniger steile Strecke mussten 51 Pferde
bereitgestellt werden.
Heute erklimmen ihn jeden Tag viele Leute, nicht zuletzt wegen
der phänomenalen Aussicht, die an guten Tagen nach Westen bis in
die Schweiz und nach Osten bis zur Zugspitze reicht, ins Vorland
bis zur Donau und alpenwärts ist der ganze Allgäuer Hauptkamm
auszumachen.
Der kürzeste Weg auf den Gipfel führt von unterhalb der Alpe Kammeregg, wo es einen kleinen Parkplatz gibt, in 1 1/2 bis 2 Stunden Fußmarsch hinauf zur Grüntenhütte und von da auf einem teilweise drahtseilversicherten Steig hinauf zum Gipfel.
Wer sich für das Innere des Grünten
interessiert, der weiß, daß er zu einem guten Teil aus Kalken
aus dem Helvetikum besteht und daß an den Flanken auch
Sandsteine vorkommen. So ist es kein Wunder, daß es am Grünten
auch Höhlen gibt. Bislang kennen wir nur relativ kleine, aber
vielleicht gelingt ja eines Tages auch hier mal ein
"Durchbruch".
Von den natürlichen Höhlen sind die Höhlen
bei der Kammereggalm leicht erreichbar. Sie liegen
gar nicht so weit entfernt vom Parkplatz. Ein Besuch ist aber
nicht zu empfehlen. Sie haben wohl lange der Müllentsorgung der
Anlieger gedient und befinden sich in einem entsprechenden miesen
Zustand. Ein nicht weit entferntes Loch wurde in den Jahren seit
der Jahrtausendwende zugeschüttet und damit unzugänglich
gemacht. Auf der Westseite befindet sich eine kurze Wasserhöhle,
das Bierloch,
und weitere kleine Höhlen liegen verstreut übers Gebiet.
Auf der anderen Bergseite, im Süden des
Grünten, liegen die Erzgruben. Sie wurden durch die
Wiedererschließung als "Erzgruben - Erlebniswelt am
Grünten" wiederbelebt und bieten heute den Besuchern eine
leichte und sichere Möglichkeit, einen Blick in die Unterwelt
des Grünten zu werfen. Jahrhunderte hindurch wurde dort nach Erz
geschürft, eh die wirtschaftliche Entwicklung die weitere
Förderung obsolet werden ließ. Die Stollen verfielen, aber
existierten weiter. Und wurden wiederentdeckt! Heute nennen sie
sich "Freundeskreis Erzgruben", sie haben sich
aufgemacht, die alten Anlagen wieder zugänglich zu machen.
EU-Gelder haben da offenbar auch zur Verfügung gestanden. So wie
alles aussieht, reichlich. Aber sind halt die Investitionen in
die momentan wirksame Ökonomie. Ob die halt
"sustainable" sind? Wer kommt dann noch, wenn die
"Wirtschaft" nicht mehr so flott läuft, und man 6,50
für die 2,5 Stunden-Führung pro Person zahlen muß? Man
kriegt jedenfalls eine Menge dafür. Man darf das Museumsdorf
besichtigen, das aus mehreren Hütten besteht, in denen
verschiedene Aspekte des Themas aufgezeigt werden: Geologie,
Bergbau, Schmiede.."
3 Führungen am Tag gibt es, wo die Besucher, zu einem
wesentlichen Teil aus Familien mit Kindern bestehend, durch das
Gelände geführt werden. Man sieht zuerst einen alten Tagebau,
dann noch die beiden geöffneten Gruben, die
"Theresiengrube" und die "Annagrube". Maximal
20 Personen darf die Führerin auf einmal mitnehmen in die
Stollenanlagen, weshalb es schon vorkommen kann, daß sich 2
Gruppen bilden müssen, um allen das zeigen zu können, was da
unter der Erde zu sehen ist. Man bekommt Plastikhelme auf den
Kopf gesetzt und geht so "bewehrt" in einen ideal
geraden Stollen. Deswegen hätte man auch in das Bergwerk des
Deutschen Museums in München gehen können. Aber dann kommt quer
dazu der alte Bergbau. Die eisenhaltigen Schichten stehen
senkrecht zur Außenseite und wurden, nachdem im Tagebau nicht
mehr viel zu holen gewesen ist, von weiter unterhalb durch die
Stollen angefahren. Man arbeitete sich von dort aus wieder in die
Höhe und holte das erzhaltige Gestein mit den entsprechend
optimierten Meißeln und Hämmern mühsamst aus dem Berg.
Wir sahen Spalten im Berg, die nicht anders in "richtigen
Höhlen aussehen". Auf den Hölzern, die man zwischen die
Wände klemmte, um festzustellen, ob sich was veränderte,
wachsen Pilze, auch nicht anders als in den Höhlen. Tropfsteine
wachsen auch schon, schließlich ist der Berg nicht wirklich
dicht, sondern ermöglicht dem Wasser in Spalten einzudringen.
Und dunkel ist es auch. Das wurde den Besuchern durch Abschalten
des Lichts demonstriert.
Ein beliebte und viel begangene Strecke im Grüntengebiet führt durch die Starzlachklamm auf der Südseite des Berges. Sie wurde durch die Starzlach geformt, die zwischen dem Wertacher Hörnle und dem Grünten in 1.070 m Höhe entspringt und bei Sonthofen 300 m tiefer in die Ostrach mündet. Der Name bedeutet Sturzbach - über Felsen springende Aach"..
Von Sonthofen bzw. Burgberg führt erst eine Fahrstraße bis zu einem großen Parkplatz, dann ein Wanderweg zum Klammeingang. 1932 wurde die Klamm erstmals erschlossen, 1948 wurde die wiedereröffnet. Ca. 50.000 Besucher kommen pro Jahr, so daß schon weit mehr als 1 Million Gäste sie gesehen haben.
Der geologisch Interessierte sieht sofort, daß sich der Bach durch unterschiedlichste geologische Zonen gefräst hat. Dort, wo der Verlauf klammartig ist, dort wird eine Nummulithenkalkzone durchschnitten. Nummulithen sind münzenförmige Tierreste mit Kalkschalen, die vor etwa 30 Millionen Jahren bei der Alpenbildung im Meeresschlamm verschwanden. Weitere Gesteine in der Klamm sind "Stadschiefer" und "Erzkalke".
Speläologisch interessant wird die Klamm an ihrem oberen Ende. Dort durchschreitet man links von einem Wasserfall einen kurzen überdachten Felsgang. Ob der natürlichen Ursprungs ist oder bei der Erschließung der Klamm gesprengt worden ist?
Weiter oben verzweigt sich der Weg. Nach rechts geht es über eine Brücke und weiter über den Berghofer Wald wieder zurück zum Parkplatz. An dieser Stelle sieht man unübersehbar eine große Höhlenöffnung klaffen, vielleicht 20 m lang, ein paar Meter hoch und allenfalls 10 m tief, die "Sannagufel".
Nach links geht der Weg steil bergauf zur Alpe
Topfen und zum Gasthof Alpenblick. Dort ist auch einen
Höhlenöffnung auszumachen. Man muß etwas in die Höhe kraxeln
und gelangt in eine aufwärts führende Höhle, die allerdings
gleich zu Kriechstrecken führt. Könnte dies die Sannahöhle
sein, die auf immerhin 58 m vermessen wurde einst, und deren Lage
so beschrieben wurde: "in Verlängerung der Brücke am Ende
der Starzlachklamm. 30 m höher kleiner Eingang auf linker Seite
zw. Blöcken".
Folgt man dem Weg zur Alpe Topfen, dann muß man auf Serpentinen
steil den felsdurchsetzten Hang hinaufsteigen. Dort kommt man an
einer weiteren Höhlenöffnung vorbei, die wir noch nicht
erkundet haben.
Ganz oben gibt es auch große Felsdächer, die ein beliebtes
Kletterareal darstellen.
2010 stellte Gunter Rauch in der Klamm "Kunst vom Rand der Blauen Berge" aus - einige Kompositionen sind recht gelungen.
Sannagufel | ||
Sannahöhle? | ||
Literatur:
Cammerer, Anselm Andreas Caspar | Naturwunder, Orts- und Länder-Merkwürdigkeiten des Königreiches Bayern für Vaterlandsfreunde, sowie für kunst- und naturliebende Reisende, Kempten 1832 |
Dü. | Interessante Ausbeute einer Höhlenforschung im Grünten, Oberallgäuer Erzähler Jg. 56, Nr. 2 Feb. 1954 |
Gümbel, C.W. | Grünten - eine geognostische Skizze, München 1956 |
Seibert, Dieter | Wasserfälle, Tobel, Felsen - Wunderwelt aus Wasser und Stein, 48 Ausflüge im Allgäu, Franz Brack Verlag, Altusried 1992 |
Steinbacher, Ralf | Schluchten, Höhlen, Eismagie, Süddeutsche Zeitung edition, München 2013 |
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